Versicherungsmakler haftet auch für Beratungsfehler während der Schadensregulierung

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Versicherungsmakler haftet auch für Fehler während der Regulierung

Man kann in den letzten Jahren feststellen, dass die Zahl der Inanspruchnahmen von Versicherungsmaklern wegen angeblich fehlerhafter Beratung steigt. Bislang waren dies insbesondere Fallkonstellationen, in denen dem Versicherungsmakler Fehler beim Vertragsschluss vorgeworfen wurden, wobei ein Großteil der Fälle auf behauptete

  • fehlerhafte Beratung und Aufklärung über die Produkteigenschaften und -risiken bei der Vermittlung von Lebens- und Rentenversicherungen,
  • fehlerhafte Umdeckung von privaten Krankenversicherungen,
  • Eindeckung unzureichenden Versicherungsschutzes und
  • Mitwirkung bei vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzungen

entfallen.

Die mit der Haftung verbundenen Rechtsfragen sind komplex und vielschichtig, wobei sich allmählich in den häufiger auftretenden Fallkonstellationen eine gefestigte Rechtsprechung herausbildet.

Im Wesentlichen reduzieren sich die Entscheidungen aber auch weiterhin auf die Aufarbeitung und Aufklärung der Beratungssituation im Einzelfall, d. h. es muss herausgearbeitet werden, welche Informationen und welchen Rat der Berater tatsächlich gegeben hat und ob diese dem (ungeschriebenen) Pflichtenkanon des Versicherungsmaklers genügt haben.

Relativ selten sind bislang jedoch die Fälle gewesen, in denen der Versicherungsmakler wegen einer fehlerhaften Beratung in Anspruch genommen wird, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrags erfolgt sein soll. Der Bundesgerichtshof hatte nunmehr in seinem Urteil vom 30.11.2017, Az. I ZR 143/16 (abgedruckt in recht + schaden 2017, 222 ff.) die Möglichkeit, zu den Grundsätzen der Maklerhaftung wegen fehlerhafter Beratung während der Regulierung eines Schadenfalls Stellung zu nehmen.

Der zu entscheidende Sachverhalt war überschaubar. Die klagende Versicherungsnehmerin hatte in der Vergangenheit selbst als Versicherungsvermittlerin für die Beklagte zu 1.) – ein Maklerunternehmen – gearbeitet. Dabei hatte sie selbst für sich eine Unfallversicherung vermittelt, die auch ihren Ehemann mitversicherte. Ende 2010 schied sich bei der Beklagten zu 1.) aus und übergab ihre Versicherungsunterlagen – inklusive ihrer Unfallversicherung – ihrer Nachfolgerin, der Beklagten zu 2.).

Anfang 2012 erlitt der Ehemann der Klägerin einen schweren Verkehrsunfall, der über die Beklagte zu 2.) dem Versicherer angezeigt wurde. Auch das Schadenformular wurde mit Hilfe der Beklagten zu 2.) bei dem Versicherer eingereicht. Der Versicherer wies dann darauf hin, dass Invaliditätsleistungen nach dem Vertrag versichert sind, wenn die unfallbedingte Invalidität innerhalb von 12 Monaten nach dem Unfall eintritt und innerhalb von 18 Monaten ärztlich festgestellt wird.

Der Versicherungsvertrag ist damit etwas „kundenfreundlicher“ als die üblichen Unfallversicherungen, da diese in der Regel eine Frist von 15 Monaten für die ärztliche Feststellung vorsehen. In der forensischen Praxis stellt diese Voraussetzung der „ärztlichen Feststellung“ aber nicht selten ein Problem der Anspruchsdurchsetzung dar.

Der Versicherer hat im Weiteren Invaliditätsleistungen abgelehnt, weil die Invalidität nicht innerhalb von 18 Monaten ärztlich festgestellt wurde.

Die Klägerin nahm daraufhin die beauftragten Versicherungsmakler auf Schadenersatz in Anspruch, weil diese sie nicht an die Einhaltung der Frist erinnert haben.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Klage abgewiesen, weil der Versicherer die Klägerin bei der Schadenmeldung auf die Fristen hingewiesen habe.

Die dagegen gerichtete Revision zum Bundesgerichtshof hatte Erfolg und das Verfahren wurde zur weiteren Verhandlung an das OLG zurückverwiesen.

In seiner Entscheidung stellte der BGH zuerst klar, dass Grundlage des Schadenersatzanspruches vorliegend nicht die (spezialgesetzlichen) Normen der §§ 60 ff., 63 VVG seien, sondern dass der Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB folgen könne. Außerdem wies der BGH darauf hin, dass die Hilfestellung bei der Regulierung eines Versicherungsschadens nach seiner Rechtsprechung (Urteil vom 16.7.2009, III ZR 21/09, r+s 2009, 395) von den Pflichten des Maklervertrags mitumfasst ist, sodass es auf die Frage, ob zwischen den Parteien ein besonderer Auftrag erteilt wurde, nicht ankomme. Im Rahmen der Begleitung der Regulierung sei der Versicherungsmakler auch verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsanspruch nicht durch Versäumen der 18-Monats-Frist verliere. Der Versicherungsmakler könne nicht damit gehört werden, dass der Versicherungsnehmer sich selbst über die Fristen informieren könne, denn der Versicherungsnehmer bediene sich zur Regulierung ja gerade des Versicherungsmaklers.

Da noch nicht über alle entscheidungserheblichen Tatsachen Beweis erhoben wurde, verwies der BGH zurück. Dabei wies er allerdings vorsorglich schon auf einige Punkte hin, die bei der weiteren Entscheidung zu berücksichtigen seien.

Wichtig für den Kunden ist hierbei, dass der Versicherungsmakler seiner Hinweispflicht nicht schon bei Meldung des Schadens nachkommen kann. Vielmehr sei ein solcher Hinweis erst nach Ablauf eines angemessenen Zeitraums nach der Entlassung aus dem Krankenhaus sinnvoll, weil erst dann eine Einschätzung der unfallbedingten Invalidität möglich sei. Ebenfalls wichtig für Versicherungsnehmer ist der Hinweis, dass ein anspruchminderndes Mitverschulden in der Regel ausscheidet, wenn sich der Versicherungsnehmer gerade des Versicherungsmaklers zur Regulierung bedient.

Die Entscheidung ist in ihrer Klarheit zu begrüßen, stellt aber im Ergebnis keine „Neuigkeit“ dar.

Allerdings wird sich die Frage stellen, inwieweit in Zukunft Versicherungsmakler mit in Anspruch genommen werden, wenn dem Versicherungsnehmer – neben dem Versäumen von Fristen – auch die Verletzung von Obliegenheiten vorgeworfen werden, die zur Kürzung des Versicherungsanspruchs führen. Dies könnte dazu führen, dass Versicherungsmakler häufiger als bisher als Streitverkündete in Verfahren hereingezogen werden, die den Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag zum Gegenstand haben.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht



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