Wann gibt es mildere Strafen im Betäubungsmittelstrafrecht? "31er" der Judasparagraf

  • 7 Minuten Lesezeit

„Den 31er machen“ – Dies ist eine eventuell bekannte Redewendung, die vor allem unter Jugendlichen scherzhaft gebraucht wird. Ein „31er“ ist dabei derjenige, der eine andere Person verrät, um sich selbst zu schützen. Hinter dieser Redewendung steckt jedoch vielmehr als jugendlicher Slang. Im Folgenden geht es auch um §31 BtMG, einen bedeutenden Strafmilderungsgrund im Drogenstrafrecht.

Welche Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln gibt es?

Es gibt zahlreiche Verbotsvorschriften und Strafnormen im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln / Drogen. Hierzu gehören insbesondere Delikte nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG), wo vor allem die §§ 29, 29a, 30, 30a BtMG zahlreiche Strafandrohungen enthalten.


Im Rahmen des §29 BtMG sind beispielsweise verschiedene Handlungen mit Betäubungsmitteln (Drogen) unter Strafe gestellt. Die nachfolgende Aufzählung beansprucht keine Vollständigkeit, Strafbar ist nach § 29 BtMG beispielsweise …


  • Das unerlaubte Anbauen bzw. Herstellen von Betäubungsmitteln
  • jegliche Form des Handels bzw. Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln
  • der Erwerb von Betäubungsmitteln
  • der Besitz von Betäubungsmitteln (ohne eine schriftliche Erlaubnis)

Was zählt alles zu den Betäubungsmitteln im Sinne des §29 BtMG?

Nach §31 BtMG zählen zu den Betäubungsmitteln, die in dem Gesetz unter Anlage I-III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen. Dazu gehören unter anderem bekanntere Substanzen wie Cannabis, Heroin, MDMA (Ecstasy), LSD und Kokain. Aber auch erlaubnispflichtige Schmerzmittel wie Morphium und Tilidin. Eine vollständige Übersicht können Sie den erwähnten Anlagen I-III des BtMG entnehmen.

Wie hoch ist die Strafe für ein Verhalten welches unter §29 BtMG fällt?

Im §29 BtMG sind wie bereits erwähnt verschiedene Handlungen unter Strafe gestellt.

Für strafbares Verhalten nach § 29 BtMG kann grundsätzlich eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder eine Geldstrafe drohen. Zu beachten ist, dass die Strafe bei Vorliegen eines besonders schweren Falls nicht unter einem Jahr Freiheitsstrafe ausfällt.


Mehr zur Strafe für Drogenhandel erfahren Sie hier.


Weitere Informationen zur Strafe für Drogenbesitz habe ich Ihnen hier zusammengestellt.

Wann ist die Strafe für ein Drogendelikt geringer?

Für fast alle Straftaten ordnet das Gesetz einen Strafrahmen und keine absolut geltende Strafe an (Eine absolute Strafandrohung enthält z.B. der Mord nach § 211 StGB (lebenslange Freiheitsstrafe). Das bedeutet, dass das Gericht bei der Verurteilung einen gewissen Spielraum bei der konkreten Bemessung der Strafe hat. Die Strafzumessung bestimmt sich dabei maßgeblich an bestimmten Kriterien.


Aufgabe eines Strafverteidigers ist es unter anderem, solche Aspekte zu prüfen und vor Gericht vorzubringen, die im Falle einer Verurteilung für eine mildere Strafe sprechen können.

Der minder schwere Fall

Daneben gibt es bei einigen Straftaten gesetzlich normiert, sog. minder schwere Fälle. Was das ist, wann also ein minder schwerer Fall beispielsweise ein minder schwerer Fall des Handels mit Drogen in nicht geringer Menge vorliegt, kann nicht verallgemeinernd gesagt werden. Hier werden die konkreten Umstände des Einzelfalles betrachtet, ob (stark vereinfacht ausgedrückt) die konkret vorgeworfene Tat derart vom gesetzlich vorgesehen „Normalfall“ der begangenen Straftat abweicht, dass der regulär angeordnete Strafrahmen „nicht mehr passt“.

Hier kann beispielsweise die Art der Droge (handelt es sich um eine harte Droge oder eine weiche Droge?) oder auch die Menge an Drogen eine Rolle spielen.

Strafmilderungsgründe

Es gibt aber auch sog. Strafmilderungsgründe. Hierzu zählt beispielsweise § 31 BtMG. Dabei handelt es sich um bestimmte Fallkonstellationen, bei Vorliegen derer Voraussetzungen das Gesetz eine geringere Strafe anordnet als im gesetzlich vorgesehen „Normalfall“.


Drogenbesitz zum Eigengebrauch – droht eine Strafe?

Es stellt sich die Frage wie der sog. Eigengebrauch von den unter §29 BtMG fallenden Substanzen gehandhabt wird. Das Gesetz sieht in diesem Falle vor, dass das Gericht von einer Strafe nach den Absätzen 1, 2 und 4 des § 29 BtMG absehen kann. Wichtig ist, dass die „geringe Menge“, die den „Eigengebrauch“ indiziert, beim Anbauen, Herstellen, Einführen, Ausführen, Durchführen, Erwerben, Sich Verschaffen oder Besitz der Drogen nicht überschritten wird (§ 29 Abs.5 BtMG).

Zu beachten ist insbesondere, dass dies kein Automatismus, sondern eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts ist. Gerade diese Norm wird in den verschiedenen Bundesländern in der strafrechtlichen Praxis recht unterschiedlich gehandhabt.

Die Frage, was eine geringe Menge ist und bis zu welcher Menge man von Eigenbedarf ausgehen kann, kann entsprechend nicht pauschal festgelegt werden. Außerdem hängt dies auch von der Art der Droge ab.

Absehen von der Strafverfolgung bei Drogen in geringer Menge zum Eigengebrauch

Bereits vorgelagert vor der Frage der Möglichkeit des Absehens von einer Bestrafung durch das Gericht, kann die Staatsanwaltschaft nach dem Ermittlungsverfahren bei bestimmten Delikten (Vergehen nach § 29 Abs.1, 2 oder 4 BtMG) bereits von der Strafverfolgung absehen, das Verfahren also einstellen.

Voraussetzung ist hierbei zusätzlich (neben den bereits im vorherigen Abschnitt genannten Voraussetzungen), dass den Täter nur eine geringe Schuld trifft und auch kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht (§ 31a Abs.1 BtMG).

In bestimmten Konstellationen soll sogar von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen werden.


Auch später im Verfahren – wenn die Anklage bereits erhoben wurde – hat das Gericht mit Zustimmung von Staatsanwaltschaft und (unter Umständen) des Angeklagten die Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens, sollten diese genannten Voraussetzungen vorliegen (§ 31a Abs.2 BtMG).


Strafmilderung oder Absehen von Strafe „durch Verrat“ - §31 BtMG

Strafmilderungsgründe sind allgemein bestimmte Handlungen des Täters, die es erlauben die Strafe geringer zu gestalten oder die Strafe sogar auszusetzen.

Die Möglichkeit der Strafmilderung oder des Absehens von einer Strafe nach § 31 BtMG ist allerdings kein „Geschenk des Himmels“, sondern muss sich vom Beschuldigten verdient werden.

Voraussetzung ist dafür, dass der Täter freiwillig sein Wissen über eine Straftat offenbart. Die Freiwilligkeit ist wichtig. Wird der Täter dazu gezwungen, kommt er nicht in den Genuss der Strafmilderung bzw. des Absehens von einer Strafe.

Diese Wissenspreisgabe muss dazu führen, dass entweder

1. eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a BtMG aufgedeckt werden konnte, wobei es sich um eine solche Tat handelt, die im Zusammenhang mit der eigenen Tat steht;

oder

2. die Begehung einer Straftat nach den §§ 29 Abs.3, 29a Abs.1, 30 Abs.1, 30a Abs.1 verhindert werden kann. Auch hier muss die Tat im Zusammenhang mit der eigenen Tat stehen.

(§ 31 S.1 BtMG).


Unter diesen Voraussetzungen kann die Strafe des Täters nach § 49 Abs.1 StGB gemildert werden.

Kann von einer Strafe auch ganz abgesehen werden?

Nach § 31 BtMG kann von der Strafe auch gänzlich abgesehen werden. Dafür darf der Täter durch die Begehung seiner Straftat jedoch keine Freiheitsstrafe von mehr als 3 Jahren verwirkt haben (§ 31 S.1 BtMG).

Beteiligter an der Tat - greift auch hier die Strafmilderung des §31 BtMG?

Doch was passiert, wenn ich an der Straftat selbst beteiligt war? Denkbar sind hier beispielsweise Fälle, in denen man zusammen mit einer anderen Person mit Betäubungsmitteln Handel treibt.

Eine Antwort darauf findet sich ebenfalls im § 31 des Betäubungsmittelgesetzes.


Wenn man an der Tat beteiligt ist, muss sich der Beitrag, den man zur Aufklärung der Straftat leistet über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Dies bedeutet, dass es nicht ausreicht sich selbst zu belasten und seine eigenen Handlungen preiszugeben. Vielmehr wird einem der Strafmilderungsgrund des §31 BtMG nur gewährt, wenn man über die eigenen verwirklichten Handlungen hinaus auch die strafbaren Handlungen des anderen Beteiligten verrät und damit umfassend zur Aufklärung oder Verhinderung von weiteren Drogenstraftaten beiträgt.

1 ½ kg Marihuana, 1kg Chrystal und 80g Kokain - Trotzdem straflos?

Der § 31 BtMG erweckt den Anschein, dass man als Täter eines schweren Drogenhandels lediglich durch das Belasten des anderen Beteiligten ohne Strafe davonkommt. In einem Fall, in dem der Angeklagte gemeinsam mit einem anderen Beteiligten im Zeitraum von Herbst 2015 bis Sommer 2016 anderthalb Kilogramm Marihuana, ein Kilogramm Crystal und 80 Gramm Kokain verkaufte, war dies aufgrund der Entscheidung des Landesgerichts zunächst auch der Fall.


Diese Entscheidung hielt jedoch vor dem BGH nicht stand. Auch wenn die geleistete Aufklärungshilfe des Angeklagten umfassend war, betont der BGH, dass eine umfangreiche Gesamtwürdigung aller Umstände vorgenommen werden muss. Dies bedeutet, dass nicht nur der Umfang der Aufklärungshilfe darüber entscheiden darf, ob der Strafmilderungsgrund des §31 BtMG zur Anwendung kommt. Vielmehr ist die Aufklärungshilfe des Angeklagten konkret mit der Schwere der Straftat und der eigenen Schuld abzuwägen. (vgl. BGH-Urteil v. 25.09.2018- 5 StR 251/18).



Wenn Sie mit einer Anzeige oder sogar einem Strafbefehl wegen eines Drogendelikts konfrontiert sind, sollten Sie sich an einen auf das Drogenstrafrecht spezialisierten Fachanwalt fürs Strafrecht wenden. Dieser kann Ihren konkreten Einzelfall aufgrund seines juristischen Fachwissens rechtlich korrekt bewerten und mit Ihnen falls nötig, ein weiteres Vorgehen planen. Auch weiß er, welche Milderungsgründe es speziell im Drogenstrafrecht gibt und kann, soweit deren Vorliegen im Raum stehen, die Verteidigungsstrategie entsprechend daran anpassen.

Um dieses Video anzuzeigen, lassen Sie bitte die Verwendung von Cookies zu.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Benjamin Grunst

Beiträge zum Thema