Wann ist ein Parkplatz eine öffentliche Verkehrsfläche?

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Heute stelle ich einen Fall vor, den das Oberlandesgericht Zweibrücken am 11.11.2019 entschieden hat. (OLG Zweibrücken, Urteil vom 11.11.2019 – 1 OLG 2 Ss 77/19).

Es stellte sich die Frage, ob eine im privaten Eigentum stehende und als Privatparkplatz gekennzeichnete Verkehrsfläche, bei der die Schranke bereits seit geraumer Zeit außer Betrieb ist und die Fläche daher von der Öffentlichkeit genutzt wurde, eine öffentliche Verkehrsfläche ist. Dies wäre indes für die Strafbarkeit einer begangenen Unfallflucht erforderlich gewesen.

Der Fall

Die Angeklagte stieß mit ihrem Pkw gegen ein anderes Fahrzeug und verursachte einen nicht unerheblichen Schaden. Sie verließ daraufhin den Unfallort, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ihrer Person zu ermöglichen.

Zu den örtlichen Begebenheiten auf dem Parkplatz stellte das Gericht folgendes fest:

„Der Parkplatz steht im Eigentum des Zeugen W. M. Die Berechtigung zum Abstellen eines Fahrzeuges auf dem Parkplatz bedingt den Abschluss eines Mietvertrages mit dem Zeugen M. Nach Abschluss des Mietvertrages erhält der Mieter einen festen Parkplatz zugewiesen. Die Ein- und Ausfahrt ist grundsätzlich nur durch das Passieren einer Schrankenanlage möglich. Die Mieter erhalten zum Öffnen der Schranke eine elektronische Karte. Der Parkplatz ist durch eine entsprechende Beschilderung als Privatparkplatz gekennzeichnet.

Die Angeklagte war seit Juli 2017 Mieterin eines Stellplatzes auf dem vorbezeichneten Parkplatz. In der Folgezeit waren die Schranken des Öfteren defekt und standen dann bis zur jeweiligen Reparatur offen. Seit circa Juni 2018 bis Juli 2019 war die Schrankenanlage dauerhaft defekt und dauerhaft geöffnet. Auch zum Tatzeitpunkt standen die Schranken oben, sodass der Parkplatz frei zugänglich war und auch von Personen genutzt wurde, welche keinen Mietvertrag besaßen. Im Juli 2019 wurde die Schrankenanlage abgebaut.“

Das Urteil

Das Amtsgericht verurteilte die Angeklagte wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Das OLG hob die Verurteilung auf.

Ein Verkehrsraum ist dann öffentlich, wenn er ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Eigentümers oder sonst Berechtigte für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird.

Dies gilt zunächst für Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind. Die Definition findet aber auch Anwendung für private Flächen, deren Benutzung durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte größere Personengruppe ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder auf eine verwaltungsrechtliche Widmung durch den Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen wird.

Schließlich gelten Flächen als öffentlich, bei denen ohne Rücksicht auf eine förmliche Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse allein auf Grund der Duldung seitens des Berechtigten die Benutzung durch jedermann oder jedenfalls durch bestimmte Gruppen von Verkehrsteilnehmern dauernd oder vorübergehend zugelassen wird und die von der Allgemeinheit zu diesem Zweck auch tatsächlich benutzt werden.

Vorliegend stand der Duldung der durch die Beschilderung ausgedrückte unmissverständliche Wille des Eigentümers entgegen. Darüber hinaus kommt es für eine etwaige Duldung nicht auf den Willen das Berechtigen an, sondern auf die für die etwaigen Benutzer erkennbaren äußeren Umstände. Weder die gelegentliche Mitbenutzung durch Unberechtigte noch das Fehlen einer Absperrung bei einer ansonsten vom öffentlichen Verkehrsraum abgetrennten Fläche ändern etwas an der Nichtöffentlichkeit. Etwas anderes gilt nur, wenn die Fläche trotz vorhandener Hinweise auf eine Nutzungsbeschränkung durch entgegengesetzte längere Übung praktisch jedermann zugänglich und dies nach außen hin erkennbar geworden ist. Es ist also erforderlich, dass die Nutzung aufgrund längerer Übung praktisch durch jedermann erfolgte und es sich quasi „eingebürgert“ hatte, dass die Parkfläche entgegen ihrer Kennzeichnung als Privatparkplatz auch durch einen größeren unbestimmten Personenkreis in Gebrauch genommen wird.

Allein die defekte Schrankenanlage genügt diesen Voraussetzungen nicht.

Hinweis

Das OLG Zweibrücken sprach die Angeklagte nicht frei, sondern verwies die Sache an das Amtsgericht zurück. Dieses hat nun anhand der o. g. Kriterien erneut zu entscheiden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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