Was gilt beim Urlaub?

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1. Struktur von Urlaubsansprüchen

  • Der gesetzliche Urlaub beträgt 20 Arbeitstage (bei 5-Tage-Woche), mithin 4 Wochen, § 3 BurlG. Er ist nicht einschränkbar
  • Zum vertraglichen Urlaub sind individuelle Regeln möglich, soweit klar geregelt ist, dass sich diese nur auf den zusätzlich gewährten Teil beziehen
  • Sonderurlaub (Schwerbehinderter i.S.v. 125 SGB IX, bei Gleichgestellten § 68 Abs. 3 SGB IX, § 616 BGB) besteht nicht für Gleichgestellte und ggf. unterjährig anteilig
  • Der gesamte Jahresurlaubsanspruch entsteht am 01.01. eines Jahres (Ausnahmen), ist aber ggf. bei Neueintritt in Firma erst 6 Monate nach Beginn erstmals fällig
  • Bei unterjährigem Ausscheiden gilt beim Urlaub praktischer Stichtag 30.06, § 5 BUrlG
  • Vergütung für zu viel gewährtem Urlaub kann nicht zurückgefordert werden, § 5 Abs. 3 BurlG
  • Bruchteile von Urlaubstagen werden aufgerundet, wenn mindestens ein halber Tag, § 5 Abs. 2 BurlG
  • „Halbe Urlaubstage“ gibt es nicht!

Rechtsprechungen

Altersdiskriminierung in einer Urlaubsregelung

Die Regelung in § 26 Abs 1 Satz 2 TVöD, wonach Beschäftigte nach der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub haben, während der Urlaubsanspruch bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres nur 26 Arbeitstage und bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres nur 29 Arbeitstage beträgt, beinhaltet eine unmittelbare, nicht gerechtfertigte Diskriminierung wegen des Alters.

Der Verstoß der in § 26 Abs 1 Satz 2 TVöD angeordneten Bemessung des Urlaubs nach Altersstufen gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters kann für die Vergangenheit nur beseitigt werden, indem der Urlaub der wegen ihres Alters diskriminierten Beschäftigten in der Art und Weise „nach oben“ angepasst wird, dass auch ihr Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage beträgt.

(BAG: Urteil vom 20.03.2012 – 9 ARZ 529/10)

Kürzung des Jahresurlaubes bei Kurzarbeit

Ein Unternehmen und sein Betriebsrat können in einem Sozialplan vereinbaren, dass der Anspruch eines Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung gekürzt wird. Das Unionsrecht steht dem nicht entgegen. 

(EuGH 08.11.2012 – C-229/11)

Urlaubsanspruch nach Reduzierung der Anzahl der Wochenarbeitstage

Wechselt ein Arbeitnehmer von einer Vollzeit- zur Teilzeitbeschäftigung, darf dies nicht zur Kürzung der bezahlten Urlaubstage führen, die während der Vollzeittätigkeit entstanden sind, aber nicht genommen werden konnten. 

(EuGH 13.06.2013 – C-415/12)

Gesetzlicher Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub

Die Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs erfordert nur den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses und die einmalige Erfüllung der Wartefrist. Das BUrlG bindet den Urlaubsanspruch damit weder an die Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis noch ordnet es die Kürzung des Urlaubsanspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses an.                

(BAG 06.05.2014 – 9 AZR 678/12)

2. Urlaubsantrag/Gewährung

Wünsche des Arbeitnehmers sind angemessen zu berücksichtigen, § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG

  • Zusammenhängende Gewährung von zumindest 2 Wochen erforderlich, § 7 Abs. 2 BurlG.
  • Konkurrenzen mit Belangen AG und anderer AN müssen im Wege der Interessenabwägung gelöst werden, ggf. unter Mitwirkung des BR (s.7.)
    • Betriebsferien können in angemessenem Umfang angeordnet werden.
    • Nachträgliches „Umwidmen“ von Freistellung in Urlaub nicht möglich.
    • Gewährung durch vorherige Freistellung des AN von der Arbeit unter Verweis auf Urlaub für ganz bestimmten Zeitraum, § 7 BurlG

Rechtsprechungen

Urlaubsanordnung

Gemäß einer Entscheidung des BAG vom 17.03.2011 (9 AZR 189/10) muss der Arbeitgeber auch für den Fall der Freistellung mit gleichzeitiger Urlaubsanordnung die zeitliche Lage des Urlaubes konkret anweisen. Insbesondere muss der Arbeitgeber auch darlegen, in welchem Umfang er Urlaub gewähren möchte, mithin nur einen Teilurlaub des Jahres oder den gesamten Jahresurlaub.

Vorsorgliche Urlaubsgewährung bei (außerordentlichen) Kündigung

Nicht so einfach möglich. Nur dadurch, dass Urlaubsentgelt auch für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung versprochen wird.

„Offene“ Gewährung ohne Festlegung Zeitraum innerhalb Freistellung

Die gleichzeitig erklärte Anrechnung von vergütungspflichtigen Urlaubsansprüchen ohne nähere Festlegung des Urlaubszeitraums konnte aus Sicht des Kl. nur bedeuten, dass die Bekl. sich vorbehaltslos zur Fortzahlung des Entgeltes im Freistellungszeitraum verpflichten wollte und er über seine Arbeitsleistung frei verfügen konnte. Denn einer nicht näher bestimmten Urlaubsfestlegung kann der Arbeitnehmer regelmäßig entnehmen, dass der Arbeitgeber es ihm überlässt, die zeitliche Lage seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraumes festzulegen (Senat, 9. 11. 1999 – 9 AZR 922/98 – unveröff.). Hätte sie die Entgeltfortzahlung an weitere Voraussetzungen knüpfen wollen, hätte sie das in der Freistellung zum Ausdruck bringen müssen. Mit diesem Angebot hat sich der Kl. erkennbar einverstanden erklärt, indem er der Arbeit ferngeblieben ist. Eines Zugangs der Annahmeerklärung bedurfte es nicht (§ 151 BGB).

(BAG, 19.03.2002 – 9 AZR 16/01) 

Freistellungserklärung

Die Erklärung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer könne zu Hause bleiben oder sei von der Arbeitspflicht entbunden, genügt nicht, um den Urlaubsanspruch zum Erlöschen zu bringen. Die zur Erfüllung des Urlaubsanspruches erforderliche Erklärung muss hinreichend deutlich erkennen lassen, dass der Arbeitnehmer zur Erfüllung des Urlaubsanspruches von der Arbeitspflicht befreit wird.         

(BAG 24.03.2009, 9 AZR 982/07

Widerrufliche Freistellungserklärung

Der Arbeitgeber erfüllt den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nicht, wenn er ihn nur widerruflich und in der Pflicht zur Arbeitsleistung freistellt. Nur wenn er unwiderruflich freigestellt ist, kann der Arbeitnehmer die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit uneingeschränkt selbstbestimmt nutzen. Anders kann dies jedoch bei dem sich aus dem Arbeitszeitkonto ergebenden Freizeitausgleichsanspruch sein. Hier reicht die widerrufliche Freistellung.             

(BAG 19.05.2009, 9 AZR 433/08)

3. Urlaub und Krankheit

  • Übertragung von Urlaub bei betrieblichen Gründen, bei persönlichen Gründen und bei Krankheit möglich und gesetzlich vorgesehen, ohne dass es einer betriebsverfassungsrechtlichen oder individualrechtlichen Regelung hierzu bedarf, § 7 Abs. 3 BurlG
  • Krankheit verdrängt Urlaub (aber nicht Freizeitgewährung für Überstunden!!!), § 9 BurlG

Rechtsprechungen

Verfall Urlaubsanspruch nach Genesung eines arbeitsunfähigen Arbeitnehmers

Wird ein langfristig erkrankter Arbeitnehmer wieder gesund und hat er – basierend auf der Rechtsprechungsänderung – Erholungsurlaub angesammelt, so nimmt dieser Urlaub (gemeinsam mit dem Urlaub des laufenden Jahres) das Schicksal des Bundesurlaubsgesetzes. Liegt kein Übertragungstatbestand am Ende des Jahres der Genesung vor und hat der Arbeitnehmer den Urlaub nicht beantragt oder/und in Anspruch genommen, verfällt dieser.                                    

(BAG 09.08.2011, 9 AZR 425/10)

Urlaubsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit

Der gesetzliche Urlaubsanspruch erlischt aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder eines Übertragungszeitraumes von 3 Monaten nach diesem Zeitpunkt krank und deshalb arbeitsunfähig ist. Der Anspruch geht jedoch bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf eines Übertragungszeitraumes von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres unter.                          

(BAG 16.10.2012, 9 AZR 63/11)

Kein Urlaub während der Arbeitsunfähigkeit

Ist dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung auch während des Übertragungszeitraumes wegen Arbeitsunfähigkeit unmöglich, so hat er beim fortbestehenden Arbeitsverhältnis keinen Anspruch auf Schadenersatz für nicht gewähren Urlaub. 

In der Entscheidung betont das BAG auch nochmals – entgegen anderslautender Instanz-Entscheidungen – z. B. LAG Berlin-Brandenburg –, dass der Arbeitnehmer aktiv werden müsse, soweit er seinen Urlaubsanspruch geltend machen möchte. Versäume der Arbeitnehmer diese Initiative, so bleibe der Arbeitgeber von der Leistungspflicht frei. 

(BAG 18.03.2014, 9 AZR 669/12)

4. Übertragung

  • Übertragung von Urlaub erfolgt bei
  • betrieblichen Gründen
  • persönlichen Gründen
  • aber ggf. auch bei bestehender betrieblicher oder individueller Übung bzw. bei ausdrückliche Anordnungen

5. Abgeltung von Urlaub

  • Nicht gewährter Urlaub ist bei Beendigung abzugelten, § 7 Abs. 4 BurlG 
  • Abgeltung des Urlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des AN (Rechtsprechungsänderung durch EuGH – 12.06.2014 – Rs. C–118/13 – !!!)

6. Berechnung Urlaub

  • bei Teilzeit (regelmäßige Arbeitstage pro Woche, unregelmäßige Verteilung)
  • Berechnung Urlaubsentgelt, § 11 BurlG – Durchschnittvergütung, die in den 13 Wochen vor dem Urlaub auf einen Arbeitstag entfallen ist für jeden Urlaubstag (unabhängig von der individuellen Arbeitszeit, die am Urlaubstag „ausgefallen“ ist)

7. Verfall / Untergang

  • Urlaubsgewährungsanspruch geht nur bei gesetzlichem Fristablauf (Ablauf Übertragungszeitraum) unter, § 7 Abs. 3 BurlG.
  • Gesetzlicher Urlaubsgewährungsanspruch ist unverzichtbar, d. h. kann nicht Gegenstand eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleiches sein, § 13 BurlG
  • Urlaubsabgeltungsanspruch unterfällt als reiner Geldanspruch normalen Verfallregelungen, wobei der Anspruch im Augenblick der Beendigung des AV (und nicht erst mit der danach folgenden Abrechnung fällig wird (maßgeblich für Beginn der Verfallfrist)
  • Aber: Aktuell Vorlagebeschluss beim EuGH. Dabei geht es um die Frage, ob AG Urlaub von sich aus anordnen muss (es also keines Antrages des AN bedarf) mit der Folge, dass Urlaub zum Jahresende doch nicht verfallen würde, den der AN nur deshalb nicht genommen hat, weil beide es „vergessen“ haben.

Rechtsprechungen:

Urlaubsabgeltung und Ausschlussfristen

Der Urlaubsgewährungsanspruch unterliegt niemals einer Ausschlussfrist.

Endet das Beschäftigungsverhältnis allerdings und wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um, so kann der Urlaubsabgeltungsanspruch den ganz normalen Verfall- und Abgeltungsfristen unterliegen.

(BAG 09.08.2011, 9 AZR 352/10)

Urlaubsanspruch im langjährig ruhenden Arbeitsverhältnis 

Der Urlaubsanspruch langjährig arbeitsunfähiger Arbeitnehmer verfällt auch ohne entsprechende tarifvertragliche Regelung 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. 

(BAG 07.08.2012 – 9 AZR 353/10)

Verzicht des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung, Aufgabe der Surrogatstheorie

Eine Regelung, die das Entstehen von Urlaubsabgeltungsansprüchen (§ 7 Abs. 4 BurlG) ausschließt, ist nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unwirksam. Hatte der Arbeitnehmer die Möglichkeit, Urlaubsabgeltung in Anspruch zu nehmen und sieht er davon ab, steht auch Unionsrecht einem Verzicht des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung nicht entgegen. Mithin ist ein Verzicht, der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird, wirksam.            

(BAG 14.05.2013, 9 AZR 844/11; BAG 19.06.2012, 9 AZR 652/10)

Urlaubsabgeltungsanspruch bei Tod des Arbeitnehmers

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Urlaub geht nach einer neuen Entscheidung des EuGH vom 12.06.2014 (Az.: C 118/13) nicht unter, wenn der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses verstirbt. Er wandelt sich in einen Abgeltungsanspruch um, der den Erben zusteht.

Verfallbarkeit und Fälligkeit Urlaubsabgeltung

Das Bundesarbeitsgericht vertritt die Auffassung, dass der Anspruch auch Urlaubsabgeltung – in Ermangelung anderer vertraglicher oder tarifvertraglicher Regelungen – am Tag der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses fällig wird und eine mögliche Verfallregelung an diesem Tag beginnt. 

(BAG 08.04.2014, 9 AZR 550/12)

Folgen nicht gewährten, aber rechtzeitig begehrten Urlaubs 

Hat ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, verfällt dieser nach einem Urteil des BAG vom 06.08.2013 – 9 AZR 956/11 – nicht. Der Arbeitnehmer kann als Schadenersatz Ersatzurlaub verlangen. Einer Mahnung bedarf es nicht, wenn der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Bestand des Arbeitsverhältnisses bestreitet und trotz einer entsprechenden Aufforderung durch den Arbeitnehmer den verlangten Urlaub nicht erteilt.

(BAG 06.08.2013, 9 AZR 956/11)

8. Mitbestimmung Betriebsrat beim Urlaub

Gem. § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG sind nicht nur allgemeine Urlaubsgrundsätze, sondern auch die Gewährung bzw. Ablehnung des einzelnen Urlaubsantrags mitbestimmungspflichtig.

Praktisch relevant wird das bei allgemeinen Urlaubsgrundsätzen, Ablehnungen und Konkurrenzen von Urlaubswünschen verschiedener Arbeitnehmer. 

Empfehlenswert sind Betriebsvereinbarungen über allgemeine Urlaubsgrundsätze und das Vorgehen bei Konkurrenzen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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