Wegweisendes Urteil im Schatten des Corona

  • 2 Minuten Lesezeit

Haben Sie einen Kredit am Laufen? Dann sollten Sie das hier lesen! 

Manchmal fragt man sich in diesen Tagen der Corona ja, ob die Welt ansonsten eigentlich still steht. Oder ist das menschenunwürdige Lager auf Lesbos endlich geräumt worden? (Ist es nicht.) Hält Greta plötzlich ihre Klappe, weil sie - laut ihren Kritikern - an Corona nix verdienen kann? (Sie rät aus häuslicher Quarantäne: „Bleibt zu Hause!“) Und ist Andreas Scheuer vielleicht zurückgetreten? (Natürlich nicht.) Will sagen: Es gibt da noch ein paar Kleinigkeiten, im Schatten der Corona. Ganz aktuell ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, das es bei üblicher Nachrichtenlage sicher auf die Titelseiten geschafft hätte. Darum geht’s:

Widerruf eines Kreditvertrages

Einen Kredit zu kündigen, war bisher aufgrund der - angeblich - meist abgelaufenen Widerrufsfrist ein Problem. Viele Banken und Sparkassen hatten sich zur Darlegung dieser Frist nämlich etwas Hübsches ausgedacht: Wann diese endet sollte der / die Kreditnehmer*in durch den Verweis auf eine Rechtsvorschrift erfahren, die selbst auf weitere Vorschriften des deutschen Rechts verwies. Klingt kompliziert? War es auch! Und zwar so krass, dass die konkrete Frist im Prinzip gar ermittelbar war. Jedenfalls nicht für jemanden ohne Jura-Studium. Das wird sich nun ändern.  

Zu Unrecht verweigert

Zu verdanken ist das einem Kreditnehmer, nennen wir ihn knapp „Kremer“, aus dem Raum Saarlouis. 2012 hatte Kremer bei der dortigen Sparkasse einen Kredit über 100.000 Euro aufgenommen. Der Sollzinsatz betrug 3,61 Prozent per anno und war bis zum 30.11.2021 gebunden. Bereits Anfang 2016 gab es weit bessere Konditionen, weshalb Kremer den Vertrag widerrief. Mit dem Hinweis, dass die - durch o.g. Klausel - festgelegte Frist dazu abgelaufen sei, verweigerte die Sparkasse ihm den Widerruf jedoch.

Poesie in der Urteilsbegründung

Das von Kremer angerufene Landgericht Saarbrücken legte den rechtlich komplizierten Fall dem Europäischem Gerichtshof vor. Und der stellte nun klar: Dass ein Kreditvertrag hinsichtlich dieser Pflichtangaben auf eine Vorschrift verweist, die dann selbst zu weiteren Rechtsvorschriften führt, das geht so nicht. Denn bei solch einer „Kaskadenverweisung“ (ein geradezu poetisches Wort in der Urteilsbegründung) sei es Verbrauch*innen unmöglich zu überprüfen, wann ihre Widerrufsfrist eigentlich begonnen hat. 

Kreditverträge können widerrufen werden! 

Fortan haben alle Kreditgeber „in klarer und prägnanter Form“ (EuGH) über diese Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. Die bisherige Klausel in solchen Verträgen ist nichtig, diese Kredite damit widerrufbar. Was sich natürlich besonders dann lohnt, wenn ein Angebot mit günstigerem Zinssatz vorliegt. 

Damit wäre auch eine weitere Frage beantwortet, die in den Nachrichten dieser Tage nicht gestellt wird: Warum brauchen wir die EU eigentlich noch? (Wegen dem Europäischen Gerichtshof!)

Ich wünsche Ihnen, Ihrer Familie und Ihren Freunden, dass sie die gegenwärtige Krise gesundheitlich, wirtschaftlich sowie seelisch bestmöglich überstehen.

Herzlichst, Ihr

Gerhard Rahn (Anwalt im Auftrag der Verbraucher)

Urteil: EuGH, AZ- C-66/19



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Gerhard Rahn

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten