Urteil Landessozialgericht Sachsen: Krankenkasse muss Cannabis zahlen!

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Dies von uns errungene Urteil ist wohl von großer Bedeutung für viele, die Cannabis aus medizinische Gründen konsumieren. Das Sächsische Landessozialgericht hat entschieden, dass die Krankenkasse die Kosten hierfür übernehmen muss. Unter bestimmten Umständen. 

Mandant Kevin J. (35) leidet unter Posttraumatischer Belastungsstörung, Sozialer Phobie sowie einer Borderline Persönlichkeitsstörung. Er war in stationärer Behandlung, seine ambulante Behandlung dauert an. 2019 verordnete ihm eine Ärztin erstmals medizinische Cannabis-Blüten (bis zu 2 Gramm / Tag) zur Inhalation. Mehrere behandelnde Ärzte waren erstaunt von der positiven Wirkung auf J., sein Gesamtzustand verbesserte sich deutlich.

Schulmedizinische Medikamente mit immensen Nebenwirkungen

Die Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme der Cannabis-Blüten auch aufgrund eines Gutachten des Medizinischen Dienstes (MDK) ab, das wenig mehr als pauschale Bedenken gegen die Cannabis-Therapie zu bieten hatte („potentiell suchtgefährdendes Medikament“). Empfohlen wurden darin genau die Medikamente, die sich für J. bereits als ungeeignet herausgestellt hatten. Sie hatten kaum Wirkung gezeigt, aber immense Nebenwirkungen: Hoher Blutdruck, erhöhte Leberwerte sowie eine starke Tagesmüdigkeit, die J. weiter sozial isoliert hatte. 

Cannabis Voraussetzung für Therapieerfolg

J. beantragte einstweiligen Rechtsschutz, wir übernahmen die Klage vorm Sozialgericht Dresden (SG). Zugleich intensivierte J. seine ambulanten Therapiebemühungen, eine Ärztin bescheinigte ihm Anfang November 2021 psychische Stabilität, er können sein Leben wieder selbst organisieren und habe mit einer selbständigen, beruflichen Tätigkeit begonnen. Einzig die fehlende Kostenübernahme der Cannabis-Therapie stelle für ihn ein immenses Problem dar, welches ihn immer wieder in Depressionsschübe mit Suizid-Gedanken führe. Auch sein Therapeut bestätigte diese Einschätzung, bezeichnete die Inhalation von Cannabis bei J. als Voraussetzung für dessen Erfolg in den weiteren therapeutischen Maßnahmen. Ein Verlangen nach Dosiserhöhung (Suchtverhalten) sei nicht eingetreten. 

Beschwerde beim Landessozialgericht

Trotzdem wurde unser Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom SG zurückgewiesen. Das „Wirkungsspektrum bzw. die unzumutbaren Nebenwirkungen der schulmedizinischen Alternativen“ seien gegenüber des Verdachts auf eine Suchterkrankung nicht hinreichend abgewägt worden, hieß es. Wir erhoben Beschwerde beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG). Das LGS holte daraufhin einen weitern Befund des Therapeuten ein, welcher J. - je nach dessen finanziellen Möglichkeiten - alle vier bis sechs Wochen 40 bis 50 Gramm Cannabis-Blüten vorordnet. Der Therapeut bestätigte die Therapieerfolge von J. erneut. Das LSG urteilte daraufhin: 

"Cannabis ist für den Behandlungserfolg notwendig."

Die Beschwerde ist begründet, das SG hat den Antrag zu Unrecht abgelehnt. Ein Anspruch auf die „begehrte Versorgung“ mit Cannabis liegt zwar nur „zur Behandlung einer schwerwiegenden Krankheit“ vor, die Erkrankung von J. sei jedoch schwerwiegend. Zudem setze der Anspruch voraus, dass durch das Cannabis „eine nicht ganz entfernte Aussicht auf eine spürbar positive Auswirkung“ (Prognose) bestehe. Auch dies sei ausreichend dargelegt worden. Kurz: „Die kontrollierte Behandlung mit medizinischen Cannabis-Blüten ist für den Behandlungserfolg notwendig, die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragsteller vorläufig mit dem Arzneimittel Cannabis nach ärztlicher Verordnung zu versorgen“. 

Ich freue mich für Kevin J., dass er sich nun voll auf die Therapie und seine neue berufliche Selbständigkeit konzentrieren kann. 


Gehard Rahn

Fachanwalt für Sozialrecht, Dresden












Foto(s): (Bild: Pixabay, Redaktion Rahn: Frank Jaspermöller)

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