„Wenn ich mir keinen Anwalt leisten kann, bekomme ich einen Pflichtverteidiger!“ Richtig oder Falsch?

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Viele Menschen denken, dass sie im Strafrecht stets einen Anspruch auf einen Anwalt oder eine Anwältin haben bzw. dass die Beiordnung einer Pflichtverteidigung einkommensabhängig ist. Dies stimmt so aber nicht ganz. In diesem Rechtstipp erläutere ich Ihnen grob, was es mit der Pflichtverteidigung auf sich hat, wann, wer einen Anspruch auf einen Rechtsbeistand hat und welche Möglichkeiten es gibt, wenn man sich keinen Anwalt oder keine Anwältin leisten kann.


Pflichtverteidigung

Das Institut der Pflichtverteidigung entspringt dem Rechtsstaatsprinzip und sichert, dass Beschuldigte ein prozessordnungsgemäßes Strafverfahren erfahren.

Eine Pflichtverteidigung wird dann angeordnet, wenn ein Fall der sog. notwendigen Verteidigung vorliegt. Die notwendige Verteidigung ist in § 140 StPO geregelt und liegt unter anderem dann vor, wenn die Hauptverhandlung in erster Instanz vor dem Landgericht stattfindet, wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen vorgeworfen wird oder wenn der/die Beschuldigte sich in Untersuchungshaft befindet. Was bedeutet das nun genau?

Ein Prozess findet in erster Instanz vor dem Landgericht statt, wenn beispielsweise eine höhere Freiheitsstrafe als vier Jahre erwartet wird, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus möglich scheint oder wenn dem/der Beschuldigten eine Tat vorgeworfen wird, die die (versuchte) Tötung eines Menschen zur Folge hatte. Eine Auflistung finden Sie in § 74 Abs. 2 GVG.

Ein Verbrechen ist dann gegeben, wenn die angedrohte Rechtsfolge einer Straftat eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr beträgt. Wann dies der Fall ist, können Sie der jeweiligen Strafnorm entnehmen. Dort ist stets die mögliche Rechtsfolge angegeben. Als Beispiel: Die einfache und die gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 StGB sind  lediglich Vergehen und keine Verbrechen, da hier die Mindeststrafe eine Geldstrafe bzw. eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten beträgt. Die schwere Körperverletzung gemäß § 226 StGB ist hingegen ein Verbrechen, denn dort heißt es „so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren“.

Liegt nun ein Fall der sog. notwendigen Verteidigung vor, wird dem/der Beschuldigten unabhängig von den Einkommens- oder Vermögensverhältnissen ein Pflichtverteidiger oder eine Pflichtverteidigerin bestellt. Dies hießt nicht, dass der/die Beschuldigte nicht frei wählen darf, wer ihn/sie vertreten soll. Man kann in dieser Situation auch einen geeigneten Rechtsbeistand wählen und dieser wird dann als Pflichtverteidigung beigeordnet. Wenn man jedoch keinen Anwalt/keine Anwältin kennt oder sich nicht entscheiden kann, wird vom Gericht jemand beigeordnet.

Ein weiterer Irrglaube ist, dass man als Beschuldigte/r die Pflichtverteidigung nicht bezahlen muss. Grundsätzlich ist es jedoch so, dass die Kosten der Pflichtverteidigung zunächst von der Staatskasse übernommen werden. Wird der/die Beschuldigte später rechtskräftig verurteilt, werden die Kosten der Pflichtverteidigung meist dem/der Verurteilten auferlegt. Ergeht hingegen ein Freispruch, bleiben die Kosten bei der Staatskasse.


Weitere Möglichkeiten

Wird Ihnen eine Straftat vorgeworfen und liegen die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung nicht vor, haben Sie mehrere Möglichkeiten, um dennoch einen Rechtsbeistand zu bekommen. Sie können zum einen selbst einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin beauftragen und diese/n dann selbst bezahlen. Haben Sie eine Rechtsschutzversicherung, können Sie prüfen, ob diese auch im Rahmen eines Strafverfahrens für Sie aufkommt. Häufig übernehmen Rechtsschutzversicherung die Kosten nur, wenn Ihnen die fahrlässige und nicht vorsätzliche Begehung einer Straftat vorgeworfen wird. Eine Körperverletzung kann beispielsweise auch fahrlässig und nicht nur vorsätzlich begangen werden, siehe § 229 StGB. Fahrlässigkeit mein ganz grob, wenn man nicht bewusst und gewollt gehandelt, sondern lediglich die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. 

Wenn man sich keinen Rechtsbeistand leisten kann und auch keine Rechtsschutzversicherung hat, besteht noch die Möglichkeit sich einen Beratungshilfeschein bei dem zuständigen Amtsgericht zu besorgen. Hierfür muss man einige Dokumente ausfüllen und Nachweise vorlegen, die belegen, dass man nicht in der Lage ist, einen Anwalt/eine Anwältin selbst zu bezahlen. Bekommt man sodann den Beratungshilfeschein, geht man mit diesem zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl. Dort bekommt man dann eine Erstberatung für 15 €. Soll der Rechtsbeistand weitere Handlungen vornehmen, muss dies jedoch (zumindest zunächst) von der/dem Beschuldigten selbst bezahlt werden. Hier empfiehlt es sich, offen mit dem Rechtsanwalt/der Rechtsanwältin über die Vermögenslage zu sprechen. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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