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Wer aus dem Bus steigt, lebt gefährlich!

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Hält ein Bus am Fahrbahnrand, müssen herannahende Fahrzeuge abgebremst und notfalls angehalten werden, damit die ein- und aussteigenden Fahrgäste des Busses nicht gefährdet werden. Dennoch kommt es im Bereich von Bushaltestellen immer wieder zu Unfällen zwischen Fußgängern und Autofahrern. Ursache hierfür ist meistens, dass Fußgänger blind auf die Fahrbahn rennen, um den Bus nicht zu verpassen, oder nach dem Aussteigen aus dem Bus schlicht und einfach nur auf die andere Straßenseite laufen, ohne nach rechts und links zu sehen. Passt der Autofahrer dann auch nur einen Moment nicht auf, ist ein Zusammenstoß vorprogrammiert. Doch wer ist für so einen Unfall zur Verantwortung zu ziehen?

14-jährige Schülerin rennt auf die Gegenfahrbahn

Nach dem Aussteigen aus dem Bus wollte eine 14-Jährige auf die gegenüberliegende Straßenseite. Dazu lief sie mit einer ins Gesicht gezogenen Kapuze und ohne den Verkehr zu beachten hinter dem wieder anfahrenden Bus auf die Gegenfahrbahn. Der dort herannahende Autofahrer – der wegen des blinkenden Busses zunächst angehalten hatte, aber nun wieder Gas gab – sah den Teenager vor ihm, bremste trotz der geringen Geschwindigkeit von 20 km/h aber nicht schnell genug und kollidierte mit dem Mädchen. Das verletzte sich bei dem Unfall schwer und verlangte nach ihrer Genesung Schadensersatz. Der Autofahrer lehnte eine alleinige Haftung jedoch ab – schließlich sei das Mädchen zunächst durch den Bus verdeckt worden und dann blindlings auf die Fahrbahn gelaufen; sie trage daher zumindest eine Mitschuld an dem Unfall. Nun zog die Schülerin vor Gericht.

Verkehrswidriges Verhalten des Teenagers

Das Oberlandesgericht (OLG) München entschied: Sowohl der Autofahrer als auch die Schülerin haften zu jeweils 50 Prozent.

Die Richter lehnten zunächst einen Verstoß des Autofahrers gegen § 3 IIa StVO (Straßenverkehrsordnung) ab. Danach muss ein Fahrzeugführer sich im Verkehr so verhalten, dass er unter anderem Kinder nicht gefährdet. Mit 14 Jahren ist man jedoch kein Kind mehr. Auch aufgrund seines Erscheinungsbilds konnte das Mädchen nicht mehr der Gruppe „Kind“ angehören – so war die Schülerin bereits 1,60 m groß und wog 50 kg.

Dagegen bejahte das Gericht einen Verkehrsverstoß des Autofahrers gegen § 20 I StVO. Schließlich dürfen Kraftfahrer an haltenden Bussen grundsätzlich nur sehr vorsichtig vorbeifahren – das bedeutet, sie müssen die Geschwindigkeit verringern und besonders aufmerksam gegenüber Fußgängern sein. Wenn nötig, muss das Fahrzeug sogar angehalten werden, um eine Kollision zwischen Mensch und Fahrzeug zu verhindern. Diese Pflicht gilt übrigens nicht nur, wenn der Bus bereits hält, sondern auch dann, wenn er die Haltestelle anfährt bzw. sie wieder verlässt. Obwohl der Bus im vorliegenden Fall wieder anfuhr, hätte der Kraftfahrer daher den Verkehr weiter besonders aufmerksam beobachten müssen. In diesem Fall hätte er das Mädchen rechtzeitig bemerkt, sein Kfz mit einer Vollbremsung zum Stillstand bringen und die Kollision vermeiden können.

Trotz dieses Verkehrsverstoßes haftet der Autofahrer aber nur zu 50 Prozent. Immerhin hatte die Schülerin ihre Kapuze über den Kopf gezogen und zügig die Straße überquert, ohne auf den Verkehr zu achten. Sie ist einfach in den Gegenverkehr gelaufen, obwohl sie hätte wissen müssen, dass sie hinter dem Bus für entgegenkommende Fahrzeuge nicht zu sehen war. Daher rechnete ihr das Gericht ebenfalls ein Mitverschulden an dem Unfall in Höhe von 50 Prozent an.

(OLG München, Teilurteil v. 11.04.2014, Az.: 10 U 4757/13)

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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