Wie unterscheiden sich die Verweisung auf den Pflichtteil und das Pflichtteilsvermächtnis?

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Die nachfolgenden Hinweise sind unverbindlich und stellen keine Rechtsberatung im Einzelfall dar. Es wird keine Gewähr für Richtigkeit und/oder Vollständigkeit übernommen.

Ordnet ein Erblasser in seinem Testament an, dass ein Pflichtteilsberechtigter einen Pflichtteil erhalten soll, kann dies als rein deklaratorischer Hinweis auf die Gesetzeslage zu verstehen sein oder aber Zuwendung eines Vermächtnisses in Höhe des Pflichtteils darstellen. Zunächst kann man sich durchaus fragen, worin überhaupt ein Unterschied zwischen Pflichtteil und Pflichtteilsvermächtnis bestehen soll, wenn das Vermächtnis in einem der Höhe nach mit dem Pflichtteilsanspruch identischen Zahlungsanspruch besteht.

Je nachdem, ob man dem Pflichtteilsanspruch bzw. das Pflichtteilsvermächtnis aus dem Blickwinkel des Erben oder des Anspruchsberechtigten sieht, stellt sich die eine oder andere Lösung als die günstigere bzw. schlechtere dar.

1. Vorteil für den Pflichtteilsberechtigten

Ist der Anspruch als Pflichtteilsanspruch gewollt, liegt der Vorteil für den Berechtigten darin, dass er gegen den Erben einen eigenen Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB hat. Die Kostentragungspflicht ist in diesem Falle für den Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2314 II BGB günstiger, da die Kosten der Auskunftspflicht des Erben dem Nachlass Last fallen. Ein Auskunftsanspruch des Vermächtnisnehmers ergibt sich aus § 242 BGB, ist kostenmäßig also ungünstiger für den Vermächtnisnehmer.

Der Erblasser kann den Vermächtnisnehmer jedoch auch einen entsprechenden Auskunftsanspruch, entsprechend dem des Pflichtteilsberechtigten, mitvermachen. Dies muss im Testament allerdings klar geregelt sein.

Der Pflichtteilsanspruch bringt für den Berechtigten auch einen steuerrechtlichen Vorteil, denn gem. § 9 I Nr. 1 lit. b) ErbStG entsteht die Erbschaftsteuer beim Pflichtteilsanspruch erst mit dessen Geltendmachung. Beim Vermächtnisanspruch entsteht die Erbschaftsteuer gem. § 9 I Nr. 1 iVm § 3 I Nr. 3 ErbStG bereits mit dem Tode des Erblassers. Umgekehrt bedeutet dies, dass der Erbe den Pflichtteilsanspruch nur dann steuerlich abziehen kann, wenn dieser auch tatsächlich geltend gemacht wird.

Der Pflichtteilsberechtigte muss sich im Gegensatz zum Vermächtnisnehmer nicht an der Tragung der Pflichtteilsansprüche anderer Pflichtteilsberechtigter beteiligen, § 2318 I BGB.

2. Vorteil für den Erben

Für den Erben ist im Vergleich zum Vermächtnisanspruch der Pflichtteilsanspruch im Hinblick auf § 852 ZPO günstiger, weil danach der Pflichtteilsanspruch der Pfändung eines Gläubigers des Pflichtteilsberechtigten nur dann unterworfen ist, wenn der Pflichtteilsanspruch durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Gegen den Willen des Pflichtteilsberechtigten können die Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten beim Erben den Pflichtteilsanspruch also nicht geltend machen und somit nicht pfänden.

3. Vorteil des Pflichtteilsvermächtnisses

Der Berechtigte, der ein Pflichtteilsvermächtnis erhalten hat, kann das Pflichtteilsvermächtnis ausschlagen und sich für den Pflichtteil entscheiden. Diese Möglichkeit von einem Anspruch zum anderen zu wechseln, hat der Berechtigte eines Pflichtteilsanspruchs nicht.

Deshalb wird im Vermächtnis für den Berechtigten der vorteilhaftere Anspruch gesehen. Aus dem Blickwinkel des Erben ist das Pflichtteilsvermächtnis die ungünstigere Lösung.

4. Vorteil für den überlebenden Ehegatten

Auch der länger lebende Ehegatte, profitiert vom Pflichtteilsvermächtnis, wenn der überlebende Ehegatte und der Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Das Pflichtteilsvermächtnis bringt für den überlebenden Ehegatten den Vorteil, dass er, indem er das ihm zustehende Ausschlagungsrecht ausübt bzw. davon keinen Gebrauch macht, zwischen dem Vermächtnis zuzüglich eventueller Pflichtteilsergänzung bis zur Höhe des sogenannten „großen Pflichtteils“ und dem sogenannten „kleinen Pflichtteil“ zuzüglich Zugewinnausgleich nach den güterrechtlichen Vorschriften wählen kann. Dies bringt dem Berechtigten eines Pflichtteilsvermächtnisses einen finanziellen Vorteil, wenn ein Zugewinnausgleichsanspruch entweder gar nicht bestand oder nur in einer sehr geringen Höhe.

5. Stundung

Die Möglichkeit der Stundung des Anspruchs hat der Erbe nur bei einem Pflichtteilsanspruch, nicht jedoch bei einem Pflichtteilsvermächtnis, § 2331 a BGB. Danach kann der Erbe Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde. Bei der Entscheidung über die Stundung sind die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

6. Verjährung

Bis zum 1.1.2010 verjährte der Vermächtnisanspruch erst in 30 Jahren, im Gegenzug dazu der Pflichtteilsanspruch bereits nach drei Jahren. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Erb-und Verjährungsrechts mit Wirkung zum 1.1.2010 verjähren nunmehr beide Arten von Ansprüchen einheitlich nach drei Jahren.

Im Bereich des Pflichtteilsrechts stehe ich Ihnen als kompetente Ansprechpartnerin zur Verfügung. Bitte nehmen Sie per E-Mail oder telefonisch Kontakt mit mir auf. In einem persönlichen Besprechungstermin können wir das weitere Vorgehen in Ihrem Fall miteinander abstimmen.


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