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Zur Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers

  • 2 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

[image]Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht liegt nicht vor, wenn dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss Gesundheitsfragen zu schnell vorgelesen wurden und er deshalb unvollständige Angaben gemacht hat.

Wer eine Versicherung abschließen möchte, muss einen Berg an Formularen ausfüllen und einen Haufen Fragen - z. B. zum Gesundheitszustand - beantworten. Wer falsche oder unvollständige Angaben macht, verstößt gegen seine Anzeigepflicht nach § 19 I VVG (Gesetz über den Versicherungsvertrag), sodass der Versicherer den Vertag grundsätzlich anfechten oder von ihm zurücktreten kann.

Versicherungsvertreter liest zu schnell

Eine Frau wollte eine Versicherung abschließen. Ihre Versicherungsvertreterin las den Vertrag sehr schnell vor und füllte ihn im Beisein der Frau aus. Die musste unter anderem Fragen zu ihrem Gesundheitszustand beantworten. Eine Frage lautete, ob sie in den letzten fünf Jahren Beschwerden, Störungen oder Krankheiten, z. B. am Herzen, an Knochen oder Ähnliches - es wurden 30 Beispiele genannt -, gehabt hatte. Obwohl die Frau sich einige Jahre zuvor in Behandlung bei einer Nervenärztin befunden hatte, beantwortete sie die Frage mit „Nein". Sie glaubte nämlich, dass nur körperliche Beschwerden gemeint waren und fühlte sich im Übrigen seit der Behandlung wieder wohl. Als der Versicherer nach Vertragsschluss von der ärztlichen Behandlung erfuhr, erklärte er die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung sowie den Rücktritt. Nun zog die Frau vor Gericht.

Versicherungsverhältnis besteht fort

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart gab der Frau Recht. Zwar rechtfertigt ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht in der Regel die Anfechtung bzw. den Rücktritt. Eine arglistige Täuschung liegt aber nur vor, wenn der Versicherungsnehmer bewusst falsche Angaben macht, die den Versicherer zum Vertragsabschluss verleiten. „Nur" falsche Angaben rechtfertigen dagegen eine Anfechtung nicht.

Vorliegend hat die Vertreterin die komplexen Fragen so schnell vorgelesen, dass die Versicherungsnehmerin unmöglich den gesamten Inhalt erfassen konnte. Schließlich wurden 30 Beschwerden genannt, die sie sich nicht vollständig merken konnte. Da außerdem alle genannten Krankheiten eine körperliche Ursache hatten, musste die Frau nicht davon ausgehen, dass auch psychische Beeinträchtigungen angezeigt werden müssen. Die Frau war somit nicht zur Angabe der psychischen Erkrankung verpflichtet; der Versicherer konnte daher nicht vom Vertrag zurücktreten oder ihn wegen arglistiger Täuschung anfechten. Das Versicherungsverhältnis bestand also weiter.

(OLG Stuttgart, Urteil v. 19.04.2012, Az.: 7 U 157/11)

(VOI)

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