Zur (fristlosen) Kündigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Diebstahls geringwertiger Sachen

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Ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg - Urteil vom 24.02.09, 7 Sa 2017/08), in dem das Landesarbeitsgericht die Kündigung einer Mitarbeiterin für zulässig erklärte, die 30 Jahre im Betrieb beschäftigt war und die zwei Pfandbons im Wert von 1,30 € entwendet hatte, erregt seit Wochen die Gemüter. Es ist leider zu beobachten, dass die Berichterstattung in den Medien sehr zur Verunsicherung beiträgt und nur bruchstückhaft erfolgt. Im folgenden sollen daher die Hintergründe des Falles und die ständige Rechtssprechung erläutert erläutert werden:

Grundsätzlich kann jeder Diebstahl eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses begründen. Seit dem sog. „Bienenstichfall“, der bereits im Jahr 1984 entschieden wurde, hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich klar gestellt, dass auch der Umstand, dass die gestohlene Sache geringwertig war hieran nichts ändert.

Alleine der Umstand, dass ein Diebstahl begangen wurde reicht allerdings noch nicht aus, um eine (fristlose) Kündigung zu ermöglichen. Ein Diebstahl stellt lediglich einen „wichtigen Grund“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar. Dieser lautet:

„Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.“

Aus dieser Vorschrift ergibt sich somit, dass neben dem objektiven Vorliegen eines wichtigen Grundes (also einem Diebstahl) auch eine Interessenabwägung zwischen den Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfolgen muss, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles dazu führt, dass die Interessen des Arbeitgebers an der (sofortigen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitnehmers an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses überwiegen.

Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist stets die Dauer Betriebszugehörigkeit aber auch das Lebensalter des Arbeitnehmers zu beachten.

Im hier zu besprechenden Fall hat das LAG Berlin-Brandenburg zunächst das Vorliegen eines wichtigen Grundes bejaht. Das LAG hat darauf hingewiesen, dass das Arbeitsgericht in nachvollziehbarer und zulässiger Weise nach einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen ist, die Arbeitnehmerin habe die fraglichen Kassenbons entwendet. Das Arbeitsgericht hatte in erster Instanz die Klägerin und mehrere Zeugen vernommen und sich davon überzeugt, dass die Kassenbons entwendet wurden. Es ist damit der Auffassung der Arbeitnehmerin entgegen getreten, es handele sich im vorliegenden Fall um eine grundsätzlich (unter engen Voraussetzungen!) zulässige Verdachtskündigung. Das LAG kam somit im vorliegenden Fall zum gleichen Ergebnis wie der Arbeitgeber, der vor Ausspruch der Kündigung Ermittlungen zur Täterschaft der Arbeitnehmerin anstellte.

Nachdem somit für das LAG Berlin-Brandenburg klar war, dass ein wichtiger Grund tatsächlich vorliegt und allein der Umstand der Geringwertigkeit der Sache nicht dazu führt, dass dieser entfällt, musste eine Interessenabwägung vorgenommen werden.

Gegenstand der Interessenabwägung war, der Umstand, dass sich ein Arbeitgeber bei einer Kassiererin auf deren Zuverlässigkeit unbedingt verlassen können muss und dies unbedingte Ehrlichkeit der Kassiererin voraus setzt. Der geringe Wert der Sache ändert hieran nichts da einem Arbeitnehmer keine eigene Beurteilung über die Wertigkeit des Eigentums des Arbeitgebers erlaubt ist. Hieran ändert auch die lange Betriebszugehörigkeit nichts, die grundsätzlich zu Gunsten der Arbeitnehmerin berücksichtigt wurde. Darüber hinaus hat die Arbeitnehmerin gegenüber dem Arbeitgeber die Tat zunächst abgestritten und eine unbeteiligte Kollegin belastet. Nach dem dies alles fest stand hat der Arbeitgeber in nachvollziehbarer Weise das Vertrauen in seine Kassenkraft verloren. Den Interessen des Arbeitgebers wurde somit im konkreten Fall der Vorrang gegeben und die Kündigung für zulässig erachtet.

Es bleibt somit festzuhalten: Entgegen der Darstellung in den Medien begründet nicht schon der tatsächliche Diebstahl einer geringwertigen Sache eine fristlose Kündigung. Der Diebstahl stellt lediglich eine unverzichtbare Voraussetzung für die Kündigung dar. Liegt diese vor, kommt es wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls und die vorzunehmende Interessenabwägung an ob die Kündigung vor dem Arbeitsgericht Bestand hat oder nicht.

Hieraus wird auch deutlich, dass sich der hier erläuterte Fall von einem ebenfalls in den Medien diskutierten Fall unterscheidet, in dem zwei Bäcker gekündigt wurden, weil sie einen Brotaufstrich im Wert von 0,50 € entwendet haben. Deren Kündigung wurde vom Arbeitsgericht als unwirksam angesehen.

Einer der beiden Bäcker war Betriebsrat. Dieser konnte daher nicht ohne die Zustimmung des Betriebsrates gekündigt werden, die nicht eingeholt wurde. Darüber hinaus war der Betriebsrat falsch über die Kündigungsgründe informiert worden. Diese Kündigung war somit bereits aus formalen Gründen unzulässig. Der ebenfalls gekündigte Kollege hat den Verzehr des Brötchens gegenüber dem Arbeitgeber sofort zugegeben so dass unter Berücksichtigung seiner langen Betriebszugehörigkeit die Interessenabwägung hier zu Gunsten des Arbeitnehmers ausfiel.

Ähnliche Sachverhalte können somit aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Es sollte daher von jeder Form des Zugriffs auf Eigentum des Arbeitgebers abgesehen werden, der nicht zu Zwecken der Arbeitsausführung erfolgt.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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