Ab wann kann die Scheidung beantragt werden? Fehlervermeidung beim verfrühten Scheidungsantrag!

  • 3 Minuten Lesezeit

Verständlich, wenn sich ein oder beide Ehegatten einmal zur Scheidung entschlossen haben, soll diese nun auch so schnell wie möglich „über die Bühne“ gehen. Manchmal kommt es aber auch bei der Vermögensauseinandersetzung ganz genau darauf an, wann der Ehescheidungsantrag dem Ehepartner zugestellt wurde. Es kommt deshalb recht häufig vor, dass der Versuchung, den Ehescheidungsantrag schon vor Ablauf des Trennungsjahres zu stellen, nachgegeben werden soll.

  • Scheidungsantrag drei Monate vor Ablauf des Trennungsjahres

Es kann mit guter Begründung vertreten werden, dass ein Scheidungsantrag, der drei Monate vor Ablauf des Trennungsjahres gestellt wird, nicht als verfrüht gilt.

Begründet wird dies mit einem Hinweis auf § 140 FamFG – einer Norm, die eigentlich die Möglichkeiten der Abtrennung von Folgesachen regelt. Nach § 140 Abs. 4 S. 1 FamFG bleibt in den Fällen des Abs. 2 Nr. 4 und 5 derjenige Zeitraum außer Betracht, der vor Ablauf des ersten Jahres des Getrenntlebens liegt.

Das bedeutet, dass in den Fällen von § 140 Abs. 2 Nr. 4 und 5 FamFG die Frist von drei Monaten bei einem vorzeitig gestellten Scheidungsantrag nicht schon ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages, sondern erst mit dem Ablauf des Trennungsjahres beginnt.

Dieser Wertung des § 140 Abs. 4 FamFG ist also zu entnehmen, dass ein Scheidungsantrag, der drei Monate vor Ablauf des Trennungsjahres gestellt wurde, nicht verfrüht ist. Anderenfalls wäre die Vorschrift des § 140 Abs. 4 FamFG nämlich überflüssig.

Auch folgender Hinweis spricht für die Möglichkeit, eines vor Ablauf des Trennungsjahres gestellten Scheidungsantrages: Gem. § 113 Abs. 4 Nr. 3 FamFG findet in Familiensachen ein früher erster Termin (§ 275 ZPO) nicht statt. Das bedeutet, dass der Scheidungstermin insbesondere durch die Einholung der Auskünfte der Versorgungsträger gründlich vorbereitet wird. Diese Vorbereitung nimmt für gewöhnlich einen Zeitraum von mindestens 3 - 4 Monaten in Anspruch.

Wichtiger Hinweis: Verfahrenskostenhilfe wird nicht vor Ablauf des Trennungsjahres bewilligt (OLG Celle, Beschl. 21.11.2013, 10 WF 4/14). In diesem Fall sollte unbedingt der Ablauf des Trennungsjahres abgewartet werden.

  • Einvernehmliche Scheidung / Streitige Scheidung

Es ist trotzdem generell Vorsicht geboten bei der Stellung von verfrühten Scheidungsanträgen. Sind sich die Ehepartner einig über die Fragen, die sich regelmäßig im Zuge einer Scheidung stellen (Unterhalt, Vermögensauseinandersetzung, Versorgungsausgleich, ggf. elterliche Sorge und Umgang), dann sollte von einer verfrühten Einreichung des Scheidungsantrages Abstand genommen werden. Es ist vollkommen unnötig, dass Sie sich wegen dieser drei Monate dem Risiko aussetzen, dass der Scheidungsantrag kostenpflichtig zurückgewiesen wird, weil die Voraussetzungen der Ehescheidung nicht vorliegen, und sei dieses Risiko noch so gering.

Wenn es auf Streit und Kampf um Unterhalt, Vermögen, Rentenausgleich etc. hinausläuft, dann kann es mitunter darauf ankommen, dass die entsprechenden Stichtage, die für die jeweiligen Berechnungen maßgebend sind, nicht dem Zufall überlassen werden. Es kann sich in diesen Fällen lohnen, das Risiko eines verfrühten Scheidungsantrages einzugehen.

  • Folge

Wird ein Scheidungsantrag verfrüht gestellt, so besteht die Gefahr, dass der Scheidungsantrag kostenpflichtig zurückgewiesen wird, weil die Voraussetzungen der Ehescheidung, hier vor allem der Ablauf des Trennungsjahres, nicht vorliegen. Andererseits besteht die Chance, gestaltend auf die Stichpunkte einzuwirken, die den Berechnungen z. B. des Zugewinnausgleiches oder des Versorgungsausgleiches zugrunde liegen. Daran kann ein erhebliches Interesse liegen, sei es, weil auf der Gegenseite Vermögensverschiebungen befürchtet werden oder Sie selbst sich eine gewisse Dispositionsfreiheit erhalten wollen.

  • Fazit

Es kann sich lohnen, den Scheidungsantrag einzureichen, bevor das Trennungsjahr abgelaufen ist. Dies sollte jedoch nur in Anbetracht gewichtiger Gründe geschehen. Anderenfalls sollte das Trennungsjahr abgewartet werden.

Rechtsanwältin Annett Sterrer, LL.M. (Medical Law)

Fachanwältin für Familienrecht und Sozialrecht

Kanzlei Jurist-Berlin


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin LL.M. (Medical Law) Annett Sterrer

Beiträge zum Thema