Abbau Hierarchiebene- betriebsbedingte Kündigung unwirksam

  • 3 Minuten Lesezeit

Die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung wird von Arbeitgebern gerne damit begründet, dass man sich entscheiden habe „umzustrukturieren“ mit der Folge, dass eine Hierarchieebene abgebaut wird und damit einhergehend der Arbeitsplatz/Beschäftigungsbedarf eines Arbeitnehmers entfällt. Ein Klassiker, Arbeitgeber sind oft stolz auf diesen „tollen Trick“, mit dem man Arbeitnehmer doch mal eben so „billig verabschieden kann“.

So einfach ist es jedoch nicht immer. Der Wegfall des Beschäftigungsbedarfes eines Arbeitnehmers kann zwar eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Die Sachlichkeit der sog. unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers, welche schlussendlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfes des Arbeitnehmers führt, wird vom Gericht grundsätzlich vermutet (also „als wahr unterstellt“) und grundsätzlich nur daraufhin geprüft, ob sie offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist. Demzufolge machen es sich Arbeitgeber oft leicht oder meinen „ein leichtes Spiel zu haben“. Wie bereits das BAG im Jahre 2012 so hat nun auch das Thüringer Landesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 29. September 2022, Az. 1 Sa 158/21 diesem „Arbeitgeber easy going“ Steine in den Weg gelegt und die Anforderungen an die sog. Darlegungs- und Beweislast verschärft. Die sachliche Rechtfertigung einer unternehmerischen Entscheidung, eine Hierarchieebene abzubauen wird nun nicht als „per se wahr unterstellt“, sondern „näher unter die Lupe genommen“. Arbeitgeber müssen nämlich ihre Entscheidung, eine Hierarchieebene abzubauen hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen.  Da kann es für manch lachsen Arbeitgeber dann schonmal eng werden. Arbeitgeber müssen hiernach im Kündigungsschutzverfahren nämlich konkret darzulegen, in welchem Umfang die bisher von dem Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen. Daran fehlt es etwa, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führte oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen. Im Falle des Abbaus einer Hierarchieebene hat der Arbeitgeber daher auf Grund seiner unternehmerischen Vorgaben die zukünftige Entwicklung der Arbeitsmenge anhand einer näher konkretisierten Prognose darzustellen und anzugeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können, so das Thüringer LAG in der vorzitierten Entscheidung.  

Dies bedeutet zwar nicht, dass nun der Arbeitnehmer „leichtes Spiel“ hat, wenn er über die Wirksamkeit einer solchen betriebsbedingten Kündigung im Kündigungsschutzverfahren entscheiden lässt. Seine Verhandlungsposition kann sich aber in Vergleichsverhandlungen über die Konditionen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbessern (d.h. z.B. Abfindungszahlung). Das Risiko für den Arbeitgeber, den gesteigerten sog. Darlegungs- und Beweislastanforderungen nicht in Gänze nachkommen zu können, kann je nach Einzelfall recht hoch sein. Ist das Risiko für den Arbeitgeber hoch, das Kündigungsschutzverfahren zu verlieren, weil die Kündigung unwirksam ist, kann dies die Verhandlungen über Abfindungszahlungen verbessern. Für Arbeitnehmer bedeutet das kein genereller „Freifahrtschein“ für eine hohe Abfindungszahlung. Es kommt entscheidend auf die Einzelfallumstände an.

Arbeitgebern ist daher anzuraten, die vorgenannten Hürden bereits im Vorfeld der beabsichtigten Kündigung, bei den Verhandlungen über die Konditionen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aber und auch bei der Prozesstaktik zu berücksichtigen und ggf. eher einen fairen Aufhebungsvertrag anzubieten als das Unterliegen im Kündigungsschutzverfahren zu riskeren.

Arbeitnehmern ist anzuraten, nicht „mal eben schnell“ einen „billigen Aufhebungsvertrag“ zu unterzeichnen, wenn die beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Wegfall der Hierarchieebene begründet wird oder gar eine   betriebsbedingte Kündigung zu akzeptieren, sondern sich beraten zu lassen

Sie haben Beratungsbedarf zu diesen oder anderen Rechtsfragen? Rechtsanwältin Dr. Reichert -Hafemeister ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und ausschließlich auf die Bearbeitung von Arbeitsrechtsangelegenheiten spezialisiert. Vereinbaren Sie gerne einen Beratungstermin in ihrem Büro in Berlin-Lichterfelde West (Telefon:030-679665434). Außerhalb unserer Bürozeiten können Sie den Termin gerne auch über das Kontaktformular anfragen.

www.reichert-recht.com



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Dr. Sabine Reichert-Hafemeister LL.M.

Beiträge zum Thema