Abmahnfallen durch neues Verpackungsgesetz

  • 6 Minuten Lesezeit

Am 14.06.2021 wurde das neue Verpackungsgesetz im Bundesgesetzblatt verkündet, welches für Händler nicht nur erheblichen bürokratischen Mehraufwand bedeutet, sondern auch hohe Abmahnrisiken mit sich bringt. Das Gesetz wird in insgesamt 4 Stufen in Kraft treten, wobei die erste Stufe schon zum 03.07.2021 gilt. Nachfolgend sollen die wichtigsten Änderungen für Händler und Gastronomen kurz zusammengefasst werden:

I. Änderungen zum 03.07.2021

Neue Informationspflicht zur Rücknahme nicht systembeteiligungspflichtiger Verpackungen und Mehrwegverpackungen

Ab dem 03.07.2021 gilt außerdem eine neue Informationspflicht für bestimmte Verpackungstypen gegenüber Verbrauchern. Dies betrifft alle Verpackungen des § 15 Abs. 1 VerpackG. Hierunter fielen bislang nur Transportverpackungen, Verkaufs- und Umverpackungen die nach Gebrauch typischerweise nicht beim Endverbraucher als Abfall anfallen sowie bestimmte Verpackungen die umweltgefährden sind, oder in denen Schadstoffe transportiert werden. Zum 03.07.2021 werden diese Verpackungstypen nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VerpackG um Mehrwegverpackungen ergänzt.

Neben dem Getränke- und Lebensmittelverkauf in Mehrwegverpackungen, dürfte daher die Informationspflicht hauptsächlich bei der Lieferung von Waren auf Paletten oder Sammelkartons zum Tragen kommen. Betroffen sind neben Lebensmittelhändlern und Vollsortimentern vor allem Händler, die nicht paketfähige Waren, wie etwa Haushaltsgroßgeräte, Sportgeräte, Spieltürme, Gartenzubehör, Möbel, usw. vertreiben.

Händler müssen gemäß § 15 Abs. 1 S. 5 VerpackG n.F. jetzt Verbraucher

„durch geeignete Maßnahmen in angemessenem Umfang über die Rückgabemöglichkeit und deren Sinn und Zweck“ 

solcher Verpackungen informieren. Wie ein solcher Hinweis auszusehen hat und welche Hinweise ausreichend sind, ist bislang noch vollkommen unklar.

Da diese Regelung der Umsetzung der Verbraucherinformationspflichten nach Art. 8a Abs. 2 S. 1 RL (EG) 2008/98 dient (vgl. S. 70 BT-Drs. 19/27634), dürfte sich auch um eine für Verbraucher wesentliche Information i.S.d. §§ 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG handeln, welche dem Verbraucher mitzuteilen ist, bevor er eine geschäftliche Entscheidung trifft. Betroffene Händler sollten daher sicherstellen, dass sich bei Online-Angeboten der entsprechende Hinweis im Zweifel im Angebot selbst findet, bzw. im stationären Handel zusammen mit dem Produkt ausgestellt wird. Abmahnungen drohen gegenüber Online-Händlern vorwiegend durch Wettbewerbs- und Verbraucherschutzverbände.

II. Änderungen zum 01.01.2022

1. Ausweitung der Nachweispflichten zur Verpackungsentsorgung. Einführung eines Mechanismus zur Selbstkontrolle.

Ab dem 01.01.2022 werden die Nachweispflichten zur Rücknahme und Entsorgung für nicht systembeteiligungspflichtige Verpackungen für Hersteller und Händler ausgeweitet. Nach der bisher geltenden Regelung des § 15 Abs. 3 S. 3 VerpackG musste bislang nur über die Rücknahme und Verwertung von nicht umweltverträglichen Verpackungen, bzw. Verpackungen von Gefahrenstoffen einen Nachweis geführt werden. Diese Ausnahme ist in der neuen Regelung des § 15 Abs. 3 S. 3 VerpackG nicht mehr vorhanden. Die Dokumentations- und Nachweispflicht erstreckt sich ab dem 01.01.2022 dann auf alle Verpackungen im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 VerpackG, also auch auf Transportverpackungen, Mehrwegverpackungen sowie Verkaufs- und Umverpackung, die nach ihrem Gebrauch typischerweise nicht beim privaten Endverbraucher als Abfall anfallen.

Zudem wird ein neuer Selbstkontrollmechanismus für diese Dokumentationspflichten eingeführt (vgl. § 15 Abs. 3 S. 6 VerpackG). Wie ein solcher Mechanismus aussehen soll, und welche Anforderungen hieran gestellt werden müssen, damit er als „geeigneter Mechanismus“ gilt, ist zumindest derzeit noch vollkommen offen.

2. Ausweitung der Pfandpflicht und der Informationspflichten für Pfand

Nach § 31 Abs. 3 Nr. 7 Verpackungsgesetz sind bestimmte Getränke bislang von der Pfandpflicht ausgenommen. Hierunter fallen z.B. Fruchtsäfte, Getränke mit Frucht- oder Gemüsenektar ohne Kohlensäure, diätische Getränke, Wein- und Sektmischgetränke sowie Milch- und Milch Mischgetränke. Sofern diese Getränke in Einwegflaschen oder Getränkedosen abgefüllt sind, gilt für diese Produkte nach § 31 Abs. 3 S. 2 VerpackG auch ab dem 01.01.2022 eine Pfandpflicht. Eine Rückausnahme hiervon stellen Milcherzeugnisse, Milchgetränke und Milch-Mischgetränke, in Einweg-Kunststoffflaschen und Getränkedosen dar, für welche die Pfandpflicht erst ab dem 01.01.2024 gilt.

Für Hersteller von mit Getränken befüllten Einweggetränkeverpackungen, bzw. auch für Händler, die solche Getränke erstmalig in der Bundesrepublik Deutschland anbieten, gilt zudem ab dem 01.01.2022 eine neue Informationspflicht. Nach § 31 Abs. 1 S. 4 Verpackungsgesetz sind diese dann dazu verpflichtet,

„auf einer Internetseite in geeignetem Umfang Informationen für den Endverbraucher zum Rücknahme-und Sammelsystem für pfandpflichtige Einweggetränkeverpackungen und zur Verwertung der zurückgenommenen Verpackungen“ 

zu veröffentlichen. Bei dieser Informationspflicht dürfte es sich nicht nur um eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG handeln, sondern da diese Informationsplicht ebenfalls wieder der Umsetzung des Art. 8a Abs. 2 RL (EG) 2008/98 dient, um eine für Verbraucher wesentliche Information i.S.d. § 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG darstellen. Das Fehlen eines entsprechenden Hinweises ist daher ebenfalls abmahnbar.

III. Änderungen zum 01.07.2022

1. Neue Prüfpflichten und Vertriebsverbote für Händler, Online-Marktplätze und Fulfillment-Dienstleister

Diese Änderungen behandeln wir im Hinblick auf die besondere Bedeutung für Online-Händler in unserem separaten Artikel „Drohende Sperren auf Amazon, eBay, Otto, Kaufland und Co. durch neues Verpackungsgesetz“.

2. Ausweitung der Registrierungspflicht auf alle Verpackungsarten

Zum 01.07.2022 wird außerdem der Umfang der Registrierungspflicht geändert. Galt die Registrierungspflicht nach § 9 Abs. 1 VerpackG bis dahin nur für systembeteiligungspflichtige Verpackungen i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 VerpackG, gilt sie ab dann für alle „mit Ware befüllten Verpackungen“ und damit auch für Verpackungen i.S.d. § 15 Abs. 1 VerpackG. Betroffen sind damit also insbesondere Mehrwegverpackungen, Transportverpackungen und Verpackungen die für gewöhnlich nicht beim Verbraucher als Abfall anfallen.

3. Erweiterte Registrierungspflicht für Serviceverpackungen

Zum 01.07.2022 tritt eine erweiterte Registrierungspflicht für Serviceverpackungen in Kraft. Serviceverpackungen sind Verpackungen, die erst beim Letztvertreiber befüllt werden, um die Übergabe von Waren an den Endverbraucher zu ermöglichen oder zu unterstützen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) VerpackG). Hierunter fallen etwa die „To-Go“-Getränkebecher oder Essensverpackungen (wie z.B. Pizzakartons oder Salatschalen), aber auch Verpackungen an Frischetheken, Selbstbedienungstheken, „Brötchentüten“ und ggf. auch Einkaufstüten.

Bislang galt für die Registrierung von Serviceverpackungen nach § 7 Abs. 2 VerpackG eine Ausnahme, wonach derjenige, der die Serviceverpackungen gegenüber Verbrauchern in Verkehr bringt von seinem Vorlieferanten verlangen konnte, dass dieser sich an dem Entsorgungssystem beteiligt und ihm einen Nachweis über die Beteiligung zukommen lässt. Eine Registrierung desjenigen, der die Serviceverpackungen gegenüber Verbrauchern abgibt, bedurfte es dann nicht mehr. Dies wurde nunmehr durch § 7 Abs. 2 S. 3 VerpackG geändert, wonach nur die Registrierung des Vorlieferanten nicht mehr als ausreichend erachtet wird. Danach muss sich jetzt ausdrücklich auch jeder „Hersteller“, also jeder, der die Serviceverpackungen erstmalig geschäftlich gegenüber dem Verbraucher abgibt, nach § 9 Abs. 1 VerpackG bei der zentralen Stelle für diese Verpackung registrieren lassen.

Achtung! Nach § 9 Abs. 5 S. 1 VerpackG dürfen registrierungspflichtige Verpackungen nicht in Verkehr gebracht, wenn sie nicht oder nicht ordnungsgemäß nach § 9 Abs. 1 VerpackG registriert sind. Die Vorschrift dürfte eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG darstellen, so dass entsprechende Verstöße abmahnbar sind und dies sogar durch Mitbewerber.

IV. Änderungen 01.01.2023

Zwingendes Angebot einer Mehrwegalternative zur Einwegverpackung für Lebensmittel zum Direktverzehr und Informationspflicht zur Mehrwegalternative

Nach § 33 Abs. 1 S. 1 VerpackG sind Letztvertreiber von Einwegkunststofflebensmittelverpackungen und von Einweggetränkebechern, die jeweils erst beim Letztvertreiber mit Waren befüllt werden, ab dem 01.01.2023 verpflichtet, die in diesen Einwegverpackungen angebotenen Waren am Ort des Inverkehrbringens jeweils auch in Mehrwegverpackungen zum Verkauf anzubieten. Mehrwegverpackung dürfen dabei nicht zu einem höheren Preis oder zu schlechteren Bedingungen als die entsprechende Ware in Einwegverpackungen.

Einwegkunststofflebensmittelverpackungen sind gemäß § 3 Abs. 4b VerpackG Einwegkunststoffverpackungen, also Behältnisse wie Boxen mit oder ohne Deckel, für Lebensmittel, die

- dazu bestimmt sind, unmittelbar verzehrt zu werden, entweder vor Ort oder als Mitnahme-Gericht,

- in der Regel aus der Verpackung heraus verzehrt werden und

-ohne weitere Zubereitung wie Kochen, Sieden oder Erhitzen verzehrt werden können.

Keine Einwegkunststofflebensmittelverpackungen i.S.d. § 3 Abs. 4b VerpackG sind dagegen Getränkeverpackungen, Getränkebecher, Teller sowie Tüten und Folienverpackungen, wie Wrappers, mit Lebensmittelinhalt. Betroffen hiervon sind neben Gastronomen u.a. auch Händler, die in ihrem Laden in Boxen oder Schälchen abgepackte Salate, Backwaren oder z.B. auch Sushi anbieten, bzw. etwa auch eine „Salattheke“ unterhalten.

Eine Ausnahme hierfür gilt nur für den Vertrieb durch Verkaufsautomaten, die in Betrieben zur Versorgung der Mitarbeiter nicht öffentlich zugänglich aufgestellt sind (§ 33 Abs. 1 S. 2 VerpackG). Erleichterungen gelten zudem gemäß § 34 Abs. 1 VerpackG für Händler, die nicht mehr als 5 Beschäftigte unterhalten und deren Verkaufsfläche 80 m² nicht überschreitet. Sie können ihre Verpflichtungen zum Angebot einer Mehrwegalternative auch dadurch erfüllen, dass sie dem jeweiligen Verbraucher die Möglichkeit einräumen, die vom Verbraucher zur Verfügung gestellten Mehrwegbehältnisse abzufüllen.

Kommt ein Händler oder Gastronom dieser Pflicht nicht nach, verstößt er auch gegen eine Marktverhaltenspflicht i.S.d. § 3a UWG.

Sollten Sie wegen eines Verstoßes gegen das Verpackungsgesetz abgemahnt worden sein oder möchten eine Abmahnung vermeiden, lassen Sie hierzu sich am besten fachkundig beraten.

Gerne helfen wir Ihnen bei Ihren Fragen im Wettbewerbsrecht weiter.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Michael Gürke LL.M.

Beiträge zum Thema