Bei Unfallflucht droht Fahrerlaubnis-Entzug erst ab 1.500 € Fremdschaden (LG Braunschweig, Juni 2016)

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Auch das Landgericht Braunschweig äußerte sich bereits zu der von uns schon an anderer Stelle angesprochenen Frage, bei welcher Fremdschadenshöhe in der Regel nach einer Unfallflucht die Entziehung der Fahrerlaubnis anzuordnen ist. Der "bedeutende Sachschaden" im Sinne des § 69 I, II Nr.3 StGB liege bei mindestens 1.500 €, meinte das Gericht in einem Beschluss vom 03.06.2016 (Az. 8 Qs 113/16).  Bei kalkulierten Reparaturkosten unter diesem Grenzwert bleibt hiernach die Fahrerlaubnis der Beschuldigten meist erhalten, wobei dann aber häufig zumindest ein mehrmonatiges Fahrverbot folgt. 

Dabei ist aber zu bedenken, dass sich seit dem Entscheidungsdatum die Werkstattkosten extrem erhöht haben. Es spricht daher einiges dafür, dass nunmehr eine weitere Erhöhung des besagten Grenzwerts möglich sein sollte. Schließlich führte das Gericht in dem angesprochenen Beschluss selbst Folgendes aus:

"[...] Zwar lag die Grenze für einen bedeutenden Sachschaden nach § 69 Abs. 2 Nr.3 StGB ab dem Jahr 2002 nach ständiger Rechtsprechung der 8. großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig bei einem Sachschaden von 1.300,00 € [...].

Auch verweist die Staatsanwaltschaft Braunschweig in ihrer Beschwerdebegründung zu Recht darauf, dass sämtliche führenden - auch aktuellen - strafrechtlichen Kommentierungen an dem bekannten Wert von 1.300,00 € festhalten [...].

Jedoch stützen sich sämtliche Kommentierungen zur Begründung dieses Wertes allein auf die dazu ergangene Rechtsprechung, die, wie das Amtsgericht Braunschweig in dem angegriffenen Beschluss zu Recht ausgeführt hat, überwiegend älteren Datums ist. Auch die soweit ersichtlich zuletzt den Wert von 1.300,00 € bestätigenden Entscheidungen sind bereits nahezu 6 Jahre [...] und 3 Jahre alt [...]. Die Grenze von 1.300,00 € ist bereits seit dem Jahr 2002 anerkannt [...] und wird bis heute überwiegend als gegeben hingenommen [...].

Jedoch kann bei der Interpretation ausfüllungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale wie dem bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr.3 StGB die allgemeine Geldentwicklung nicht außer Betracht bleiben [...], sodass bei einem seit dem Jahre 2002 unveränderten Wert nunmehr nach 14 Jahren eine Anpassung vorzunehmen ist.

Einziger - wenn auch freilich für den zu entscheidenden Fall mit Einschränkungen und Vorbehalten - belastbarer, da auf Tatsachen gründender Anhaltspunkt für die durchschnittliche Preisentwicklung ist der Verbraucherpreisindex.

Nach dem aktuell geltenden Verbraucherpreisindex für Deutschland mit dem Basisjahr 2010 (2010 = 100) erreichte der Verbraucherpreisindex im Jahr 2002 einen Jahresdurchschnittsstand von 88,6. Im Jahre 2015 betrug dieser 106,9.

Die Veränderungsrate in Prozent zwischen diesen beiden Jahren berechnet sich folgendermaßen: 106,9 / 88,6 x 100 - 100 = 20,65 %.

Der Wert von 1.300,00 € aus dem Jahr 2002 wäre daher unter Zugrundelegung einer Preissteigerungsrate von 20,65 % im Vergleichszeitraum auf exakt 1.568,45 € gestiegen.

Es erscheint daher angemessen, den Wert für einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr.3 StGB  ab dem Jahr 2016 auf mindestens 1.500,00 € festzusetzen.  [...]"

Diese Argumentation ist zutreffend und gilt für die seit 2016 verstrichene Zeit ebenso bzw. mit Blick auf die aktuell horrenden Kostensteigerungen erst recht. Auf keinen Fall sollte es daher versäumt werden, bei Fällen, die im Landgerichtsbezirk Braunschweig zu entscheiden sind, auf eben diesen Umstand und damit auf eine Erhöhung des Schwellenwerts durch Anpassung an die Marktgegebenheiten und die Geldentwertung hinzuwirken. 


Dr. Sven Hufnagel
Rechtsanwalt

Dr. Sven Hufnagel und seine Ehefrau Claudia Hufnagel konzentrieren sich auf die Vertretung von Beschuldigten, denen unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vorgeworfen wird - sowohl im Strafrecht, als auch in der versicherungsrechtlichen Auseinandersetzung. Von Aschaffenburg aus sind sie im gesamten Bundesgebiet tätig.  

Sie verfügen in diesem Bereich über mannigfaltige Erfahrungen. Wiederholte Auszeichnungen im FOCUS (Dr. Sven Hufnagel als „Top-Anwalt für Verkehrsrecht“, 2015 bis 2021) und im STERN (Kanzlei Dr. Hufnagel Rechtsanwälte als eine der „besten Kanzleien im Verkehrsrecht“,  2020 und 2021) bestätigen sie in ihrem täglichen Kampf um das Recht ihrer Klienten. 

Einzelheiten über sie können Sie im Internet unter www.fahrerflucht24.de lesen.




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