Betriebsratswahl – Beschäftigungsart – Betriebsratsmitglied – Anfechtung

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Die Vorbereitungen für die BR-Wahlen 2022 sind in vollem Gange, und ich habe inzwischen eine ganze Reihe an Schulungen gehalten. Dabei tauchte häufiger die Frage auf, was „Beschäftigungsart“ bedeutet und ob „(freigestelltes) Betriebsratsmitglied“ eine solche Beschäftigungsart ist und was passiert, wenn die Bezeichnung nicht stimmt.

Wo finden wir den Begriff „Beschäftigungsart“?

Der Begriff „Beschäftigungsart“ taucht im BetrVG auf, so heißt es in § 15 Abs. 1: Der Betriebsrat soll sich möglichst aus Arbeitnehmern der einzelnen Organisationsbereiche und der verschiedenen Beschäftigungsarten der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer zusammensetzen.

Weiterhin sieht § 6 Abs. 3 WO vor, dass in jeder Vorschlagsliste die einzelnen Bewerberinnen oder Bewerber in erkennbarer Reihenfolge unter fortlaufender Nummer und unter Angabe von Familienname, Vorname, Geburtsdatum und Art der Beschäftigung im Betrieb aufzuführen sind.

In § 11 Abs. 2 WO bzw. § 20 Abs. 2 steht: Auf den Stimmzetteln sind die … Bewerberinnen oder Bewerber mit Familienname, Vorname und Art der Beschäftigung im Betrieb untereinander aufzuführen.

Als Wahlvorstand muss man sich also an mehreren Stellen mit dem Begriff der „Beschäftigungsart“ auseinandersetzen.

Was ist Sinn der Vorschrift?

Sinn und Zweck des § 15 BetrVG ist, dass der Betriebsrat nach Möglichkeit einen Querschnitt der im Betrieb Beschäftigten abbilden soll; es sollen nicht nur Männer aus der Produktion oder nur Mitarbeiterinnen aus der Kantine im Betriebsrat vertreten sein. Eine bunte Mischung führt eher dazu, dass die Probleme aller Kollegen aus allen Bereichen des Betriebs wahrgenommen, verstanden und berücksichtigt werden.

Was sind Beschäftigungsarten?

Doch was sind nun diese Beschäftigungsarten? Damit sind die im Betrieb vorhandenen verschiedenen Berufsgruppen gemeint, ohne weiteres aber auch die vorhandenen Arbeitstätigkeiten (Däubler). Wie detailliert die Bezeichnung erfolgt, ist ein bisschen Geschmacksfrage. So würde als Berufsgruppe auch Arbeiter, Angestellter oder Auszubildender ausreichen (so verstehe ich den Kommentar von Däubler). Meistens gehen die Kollegen jedoch etwas mehr ins Detail und geben ihre arbeitsvertragliche Tätigkeit an, also Operator Sales, Fachkraft Lagerlogistik, Erzieherin, Altenpflegefachkraft, Kassiererin oder Ähnliches.

Das Arbeitsgericht Solingen schrieb mal in einem Beschluss:

„Vielmehr ist die Individualisierbarkeit und Unverwechselbarkeit des Bewerbers maßgebend (vgl. Fitting, § 6 WO Rn. 9 m.w.N.). Diese ist bei der Mitteilung der Art der Beschäftigung, nämlich als Angestellter oder gewerblicher Arbeitnehmer, und der Nennung der Abteilung gegeben. Für das Erfordernis weitergehender Angaben gibt es keine Rechtsgrundlage. Insbesondere fehlen jegliche Hinweise darauf, dass eine etwaige Personalverantwortung aufgeführt werden müsste.

Die Vorschlagsliste ("Alternative Liste") erfüllte die oben dargestellten Kriterien, da die Bezeichnung in den Ziffer 1 und 5 der Liste ("Angestellter Marketing", "Angestellter NKW") in Kombination mit dem Vor- und Nachnamen des Bewerbers einen hinreichenden Informationswert innerhalb des Betriebs besaß, der eine Täuschung oder Irreführung für den Wähler ausschloss und die Identifikation des Bewerbers ermöglichte.“

Ist die Meinung von Däubler, die Bezeichnung „Angestellter“ alleine reiche aus, nicht richtig? Die Identifizierung des Kandidaten kann so jedenfalls schwierig werden. Andererseits wird in § 15 BetrVG ausdrücklich in Beschäftigungsart und Organisationsbereich unterschieden, und laut Gesetz soll nur die Beschäftigungsart erwähnt werden. 

Was nun? Ich meine, man sollte bei Bezeichnungen/Berufsgruppen, die derart allgemein gehalten sind wie „Angestellter“, „Arbeiter“ auch die Abteilung dazu schreiben; schaden kann es jedenfalls nicht und trägt außerdem zur leichteren Identifizierbarkeit bei. 

Mit Organisationsbereich ist nicht der Ort gemeint, also stv. Filialleitung Worms, Hauptstraße, so genau muss es nicht sein, ginge aber meiner Meinung nach auch. Dies bietet sich sogar an, wenn zB. standortübergreifend gewählt wird, die Kollegen aber nicht genau wissen, wer nun in welchem Standort tätig ist, aber gerne jemanden vom eigenen Standort wählen würden. Es muss meiner Meinung nach dann aber einheitlich gehandhabt werden, um die Chancengleichheit zu wahren.

Arbeitszeit spielt keine Rolle

Nicht gemeint ist die Arbeitszeit, also Kundenmonteur in Teilzeit oder schlicht „GfB“ (als Abkürzung für Geringfügig Beschäftigter), denn die Arbeitszeit ändert nichts am Inhalt der Tätigkeit.

Abteilung alleine genügt nicht

Ebenfalls nicht gemeint ist nur die Abteilung; das ist der Organisationsbereich, der natürlich auch berücksichtigt werden soll, aber nicht alleine auf dem Stimmzettel stehen soll, da er zur Identifizierung nicht unbedingt taugt, also nur  Einkauf, Lager, Verwaltung.

Betriebsratstätigkeit?

Damit zur Frage „Betriebsratstätigkeit“. Nähern wir uns der Antwort über den Begriff „Beschäftigung“. Dies ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers, § 7 SGB IV.

Ist in eurem Unternehmen wirklich irgendwer als „freigestellter Betriebsrat“ eingestellt und wird laut Arbeitsvertrag für Betriebsratstätigkeit bezahlt? Ist irgendein BR-Mitglied bei Ausübung seiner BR-Tätigkeit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen? Oder arbeitet irgendjemand bei einem Arbeitgeber, dessen arbeitstechnischer Zweck „Import/Export von Betriebsratstätigkeit“ lautet? Wohl eher nicht. Niemand wird als BR-Mitglied eingestellt, sondern irgendwann in den BR gewählt; für die Zeit der BR-Tätigkeit wird man freigestellt und die vereinbarte Vergütung für die arbeitsvertragliche Tätigkeit wird fortgezahlt, die BR-Tätigkeit erfolgt ehrenamtlich (das wissen komischerweise alle Schulungsteilnehmer schon vor der ersten Schulung); und als BR-Mitglied übt man ein freies Mandat aus und ist nur seinem Gewissen verpflichtet.

Für „normale“ BR-Mitglieder ist die Berufsgruppe oder gegenwärtige Arbeitstätigkeit zu nennen, für Freigestellte ist die letzte Tätigkeit vor der Freistellung anzugeben. Die Bezeichnung ist auch nicht zu ergänzen zB. „Verkäuferin Kinderbekleidung, jetzt Freigestelltes BR-Mitglied“.

Anfechtbarkeit bei falscher oder fehlender Angabe?

Die Aufnahme „BR-Mitglied“ könnte die Wahl evtl. sogar anfechtbar machen, da diejenigen Wähler, die die BR-Kandidaten nicht kennen, eher dazu neigen werden, erfahrene Kollegen zu wählen als Neulinge. Damit ist der Wählerwille nicht mehr unbeeinflusst, also nicht mehr frei. Urteile hierzu gibt's keine.

Ansonsten soll gelten: Die Angabe des Berufs im Wahlvorschlag soll keine solch wesentliche Angabe sein, dass die Wahl anfechtbar würde, wenn entweder gar keine Angabe gemacht wird oder eine falsche (bei Kandidat Manni steht noch Kraftfahrer, aber jetzt ist er Hilfsschlosser), solange jedoch für den Wähler bei Stimmabgabe die Person des Kandidaten klar und eindeutig erkennbar sei – sagt der Kommentar von Fitting. Es gibt kein BAG-Urteil dazu und man kann durchaus anderer Meinung sein; denn warum sollte es eine Norm wie § 8 Abs. 2 Nr. 1 WO (heilbarer Mangel, wenn die Angaben gem. § 6 Abs. 3 WO fehlen) sonst geben? Daher: Vorsicht und sorgfältig arbeiten.

Aus dem Grund ist eine Wahl nach der Logik von Fitting auch nicht automatisch anfechtbar, wenn zwar auf dem ausgehängten Wahlvorschlag die alte Tätigkeit steht, man als Wahlvorstand den Fehler bemerkt und nun auf dem Stimmzettel die aktuelle, richtige Bezeichnung schreibt. Wichtig ist halt nur, dass der Wähler immer ganz genau weiß, wen er da gerade wählt (die sog. Individualisierbarkeit und Unverwechselbarkeit des Bewerbers).

Wahlvorschlag zurückweisen?

Dem könnte ich noch folgen. Wenn aber die Angabe ganz fehlt und dieser Mangel auch nicht innerhalb der Drei-Tages-Frist von § 8 Abs. 2 WO geheilt wird, muss man den Vorschlag zurückweisen.

Das BAG fährt aber nach meiner Einschätzung eine recht großzügige Linie beim Zulassen von Wahlvorschlägen. Es ist auch nicht Aufgabe des Wahlvorstands, wie ein Arbeitsgericht eine Anfechtungsprüfung vorab durchzuführen.

Daher würde ich einen Wahlvorschlag, auf dem eine falsche Bezeichnung wie „freigestelltes BR-Mitglied“ zu finden ist, zunächst beim Listenvertreter rügen, die Liste am Ende aber dennoch zulassen, selbst wenn die Angabe nicht korrigiert wird. Das reduziert die Anfechtungswahrscheinlichkeit drastisch; denn nichts führt schneller zur Anfechtung, als eine komplette Vorschlagsliste von der Wahl auszuschließen. Ich als Wahlvorstand würde mich aus solch formellen Gründen nicht zum Buhmann machen wollen. Sollen doch diejenigen, die sich dadurch tatsächlich benachteiligt fühlen, die Anfechtung betreiben.

Fragen? Verbesserungsvorschläge? Schreibt mir.


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