BGH bestätigt Urteil des LG Stuttgart gegen Zuhälterbande ("Flatrate-Bordelle")

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Der BGH hat die Verurteilung führender Mitglieder einer Zuhälterbande im Verfahren um sogenannte "Flatrate-Bordelle" bestätigt.

Das Landgericht Stuttgart hatte die Angeklagten wegen vielfachen gewerbs- und bandenmäßig begangenen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB) und damit zusammenhängender weiterer Delikte (Zuhälterei, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Millionenhöhe hat das Gericht wegen vorrangiger Ansprüche geschädigter Sozialversicherungsträger abgesehen.

Die Angeklagten hatten als führende Köpfe einer Bande mit anderen Bandenmitgliedern rumänische Frauen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren zumeist mit falschen Versprechungen über lukrative berufliche Perspektiven nach Deutschland gelockt. Hier hatten sie die Frauen unter Ausnutzung von deren Mittellosigkeit und Sprachunkenntnis dazu veranlasst, die Prostitution auszuüben. Dabei hatten die Angeklagten ab dem Jahr 2006 das Modell des sogenannten "Flatrate-Bordells" entwickelt, bei dem Freier für einen pauschalen Eintrittspreis mit beliebig vielen Frauen in den Bordellen (beispielsweise in Berlin-Schönefeld, Heidelberg, Wuppertal, Barsinghausen und Recklinghausen) sexuell verkehren durften. Die durch ein ausdifferenziertes System aus Verhaltensregeln, Strafen und Belohnungen gefügig gehaltenen Frauen hatten hierbei teilweise mehr als 30 Freier täglich zu bedienen. Etwa seit 2008 hielten sich die Angeklagten nicht mehr selbst in den Bordellen auf, sondern erteilten aus dem Hintergrund ihre Weisungen. Die vorgeschriebenen Beiträge zur Sozialversicherung für die Prostituierten führten sie nicht ab.

Die Revisionen der Angeklagten gegen dieses Urteil hat Bundesgerichtshof gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.

Der BGH hat wörtlich ausgeführt:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 5. April 2012 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Die sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung im vorbezeichneten Urteil wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen, weil diese Entscheidung der Sach- und Rechtslage entspricht.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Zur Rüge, über ein Ablehnungsgesuch habe eine fehlerhaft besetzte Kammer entschieden: Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die Kammer, die über das Ablehnungsgesuch entschieden hat, war richtig besetzt. Entgegen der Auffassung der Verteidigung durfte der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Beisitzer der Vertreterkammer an der Entscheidung nicht mitwirken, weil er zuvor als Zeuge in dieser Sache ausgesagt hatte und daher gemäß § 22 Nr. 5 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen war. Der Begriff der "Sache" in § 22 Nr. 5 StPO ist nicht auf den Kernbereich von Schuld und Strafe beschränkt, sondern umfasst alle richterlichen Entscheidungen, die im Verlauf einer Hauptverhandlung zu treffen sind und sich auf die abschließende Entscheidung auswirken können. Dazu zählt auch die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen die erkennenden Richter. § 22 StPO will jeden Anschein von Parteilichkeit vermeiden (vgl. BGH, Urteile vom 29. April 1983 - 2 StR 709/82, BGHSt 31, 358, 359 mwN, und vom 25. Mai 1956 - 2 StR 96/56, BGHSt 9, 193, 194 f.). Diesem Zweck widerspräche es, könnte der als Zeuge vernommene Richter über den Verbleib desjenigen Richters in der Spruchkammer entscheiden, der auch seine Aussage zu würdigen hat.

Zur (weiteren) Rüge der Mitwirkung eines befangenen Richters - hier: des Vorsitzenden der Spruchkammer - wegen der Bestimmung einer (nur) einwöchigen Frist zur Stellung weiterer Beweisanträge: Auch diese Rüge ist unbegründet. Der Senat kann offen lassen, ob sich die dem Ablehnungsgesuch zugrundeliegende Fristsetzung durch den Vorsitzenden noch im vollen Umfang in den Grenzen des durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gestalteten Rahmens (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. September 2008 - 1 StR 484/08, BGHSt 52, 355 ff., vom 19. Juni 2007 - 3 StR 149/07, BGHR StPO § 246 Abs. 1 Fristsetzung 2, und vom 9. Mai 2007 - 1 StR 32/07, BGHSt 51, 333, 344) hielt. Das Festhalten des Vorsitzenden an der gesetzten Frist rechtfertigte bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der zur Fristsetzung führenden Verfahrensumstände (dazu BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - 5 StR 263/08, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 20) kein Misstrauen in dessen Unparteilichkeit. Soweit die Verteidigung entscheidend darauf abstellt, dass der als Ziffer 1 angeklagte Tatvorwurf noch nicht zu einer - wenngleich erwarteten und später auch durchgeführten - Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO gelangt war, begründet dies nicht die Besorgnis der Befangenheit. Die Einstellung dieses Teilvorwurfs war ausweislich der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden zum Ablehnungsgesuch unter allen Verfahrensbeteiligten abgesprochen und konnte am Tag der Fristsetzung nur deshalb nicht realisiert werden, weil der zuständige Dezernent der Staatsanwaltschaft nicht in der Sitzung anwesend war und auch nicht erreicht werden konnte; das Gericht hatte sich indes ausdrücklich um eine entsprechende Erklärung bemüht.

(BGH, Beschluss vom 6.06.2013 - 1 StR 581/12)


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