Blitzer-Farce: Behörde ließ Messergebnisse rechtswidrig durch Privatfirma auswerten

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Obwohl ein ministerieller Erlass existiert hat, der die Auswertung der Ergebnisse von Geschwindigkeitsmessungen durch private Firmen ausschließt, ließ ein Landkreis seine Blitzerfotos von einem privaten Dienstleister auswerten. Die Quittung gab es von der Justiz: Der Verstoß gegen diese für die Ordnungsbehörde bindende Vorschrift führt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Naumburg zu einem Beweisverwertungsverbot der gewonnenen Messergebnisse (Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 7.5.2012, Aktenzeichen: 2 Ss Bz 25/12).

Die Richter sahen in diesem Verstoß gegen die verwaltungsinterne Vorschrift einen so schwerwiegenden Eingriff in die Individualinteressen der Bürger, dass dieser auch nicht durch das Interesse des Staates am Schutze der Allgemeinheit und zur Verkehrssicherung gerechtfertigt werden kann. Folglich dürfen die unter Beteiligung eines privaten Dienstleisters ausgewerteten Messfotos nicht als Beweismittel gegen den Betroffenen verwertet werden.

Mit dieser Begründung hob das OLG Naumburg hob die Verurteilung eines Verkehrssünders durch das Amtsgericht auf. Der betroffene Autofahrer hatte sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Verurteilung durch den Amtsrichter zu einer Geldbuße gewehrt und Recht bekommen. Der Amtsrichter hatte es nicht für so schwerwiegend erachtet, dass sich die Behörde über für sie verbindliche verwaltungsinterne Vorschriften hinweggesetzt hatte. Dem Rechtsanwalt des Betroffenen war aufgefallen, dass der Landkreis die Auswertung der Messdaten, insbesondere die Filmentwicklung und -auswertung, der privaten Firma überlassen hatte, die das Messgerät hergestellt hat. Dies stand im Widerspruch zu der seit Juli 1998 unveränderten Ziffer 4.1. des Runderlasses des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. Juni 1998. Darin heißt es, dass die Filmentwicklung und -auswertung Aufgabe der Kommunen sei. Im Rahmen vorhandener Kapazitäten können Teilaufgaben oder auch die Gesamtaufgabe gegen Kostenerstattung durch die Zentrale Bußgeldstelle wahrgenommen werden.

Mit seiner im Sinne der Rechtsstaatlichkeit des Bußgeldverfahrens erfreulichen Entscheidung stellt sich das OLG Naumburg ausdrücklich auf eine Linie mit dem OLG Frankfurt a. M, das schon früher entschieden hatte, dass ein Beweisverwertungsverbot entsteht, wenn die Ordnungsbehörde bewusst und willkürlich die Auswertung der Messergebnisse von Privaten vornehmen lässt, obwohl ein Erlass des zuständigen Innenministeriums dies untersagt (OLG Frankfurt am Main, 21.07.2003, 2 SS OWi 388/02).

Die Entscheidungen der Obergerichte sind ein deutlicher Fingerzeig: Es kann in einem Rechtsstaat nicht angehen, dass sich die zuständigen Beamten über für sie geltende Normen hinwegsetzen.

Der Verfasser, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Demuth, ist auf die Verteidigung von Menschen in Verkehrsstraf- und Bußgeldverfahren spezialisiert.


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