Bundesarbeitsgericht: Arbeitnehmer dürfen grundsätzlich auch ins Ausland versetzt werden

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Bis vor wenigen Tagen sind die meisten Arbeitsrechtler davon ausgegangen, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zwar aufgrund des Weisungsrechts an einen anderen Standort innerhalb von Deutschland versetzen dürfen, wenn im Arbeitsvertrag kein fester Arbeitsort vereinbart wurde. Eine dauerhafte Versetzung von Arbeitnehmern ins Ausland wurde jedoch nur dann für arbeitsrechtlich zulässig gehalten, wenn im Arbeitsvertrag eine spezielle Auslands-Versetzungsklausel vereinbart wurde oder der Arbeitnehmer der Versetzung ins Ausland explizit zugestimmt hat (z.B. durch den Abschluss eines Entsendevertrags).

Diese über Jahre unveränderte Rechtslage hat sich nun durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts geändert (Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 30.11.2022 – 5 AZR 336/21).

Worum ging es in dem entschiedenen Fall? 

Die Fluglinie Ryanair entschied sich Ende März 2020 zur Aufgabe des Standortes am Flughafen Nürnberg. Ein an diesem Standort stationierter Pilot von Ryanair wurde daraufhin – wie alle Piloten des Standorts – von der Fluglinie an ihren Standort am Flughafen Bologna in Italien versetzt. Vorsorglich sprach Ryanair auch eine Änderungskündigung aus, die der klagende Pilot unter Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annahm. Gegen diese Versetzung ins Ausland wehrte sich der Pilot vor dem zuständigen Arbeitsgericht, da er neben der Nachteile durch die Verlagerung seines Lebensmittelpunkts durch die dauerhafte Versetzung auch erhebliche Gehaltseinbußen im fünfstelligen Bereich erleiden würde. Sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht unterlag der klagende Pilot.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden? 

Auch die Revision des Piloten vor dem Bundesarbeitsgericht blieb erfolglos. Konkret hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber dauerhaft ins Ausland versetzt werden können, wenn im Arbeitsvertrag keine anderweitige Regelung vereinbart wurde. Die im Zusammenhang mit Weisungen des Arbeitgebers relevante Rechtsnorm des § 106 der Gewerbeordnung (GewO) begrenze das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht auf Versetzungen innerhalb von Deutschland.

Eine Versetzung ins Ausland kommt nach Ansicht der Richter und Richterinnen nur dann nicht in Betracht, wenn im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder zumindest konkludent vereinbart wurde, dass eine derartige Versetzung ausgeschlossen ist. Zudem kann eine Versetzung ins Ausland im Einzelfall „unbillig“ sein (§ 106 der GewO spricht davon, dass der Arbeitgeber den Arbeitsort „nach billigem Ermessen näher bestimmen“ kann).

Welche Konsequenzen hat das Urteil des Bundesarbeitsgerichts für Arbeitgeber? 

Für Arbeitgeber, die ohnehin nur Standorte im Inland betreiben, hat das Urteil keine Auswirkungen. Anders sieht es bei Arbeitgebern mit Standorten in mehreren Ländern aus. Denn diese Arbeitgeber können nun bei Bedarf Arbeitnehmer unter geringeren Voraussetzungen ins Ausland versetzen. Dies gilt nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts selbst dann, wenn im jeweiligen Arbeitsvertrag keine Auslands-Versetzungsklausel vereinbart wurde.

Welche Konsequenzen hat das Urteil des Bundesarbeitsgerichts für Arbeitnehmer? 

Für Arbeitnehmer bedeutet die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Versetzungen ins Ausland eine Verschlechterung der Rechtslage. Arbeitnehmer, die eine Versetzung ins Ausland ausschließen wollen, sollten daher idealerweise bereits arbeitsvertraglich entweder einen festen Arbeitsort im Inland vereinbaren oder zumindest eine Versetzung ins Ausland explizit ausschließen. Ohne eine derartige Regelung im Arbeitsvertrag wären Arbeitnehmer im Falle einer Versetzung ins Ausland darauf angewiesen, dass das zuständige Arbeitsgericht die Versetzung im Rahmen der Ausübungskontrolle des „billigen Ermessens“ für unbillig erklärt. Wie der Fall des Piloten von Ryanair zeigt, sollte man sich als Arbeitnehmer keinesfalls darauf verlassen, dass die Arbeitsgerichte Versetzungen ins Ausland schon für „unbillig“ erklären werden.

Bitte beachten Sie, dass diese Informationen keine Beratung im Einzelfall ersetzen können. Gerne berate ich Sie persönlich oder auch online zu Ihren Rechtsthemen im Arbeitsrecht.

Foto(s): Rechtsanwältin Trixi Hoferichter


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