Bußgeldbescheid – Harndrang – Absehen vom Fahrverbot

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Zum Sachverhalt

Der betroffene Fahrzeugführer wurde vom Amtsgericht wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Es wurde ein Fahrverbot verhängt. Der Betroffene selbst macht im Verfahren geltend, dass er nach einer Prostataoperation nur noch über eine eingeschränkte Kontinenz verfüge. 

Bei der ihm vorgeworfen Tat zu einem wichtigen Termin verspürte er einen so starken und schmerzhaften Harndrang, dass er so schnell wie möglich rechts heranfahren wollte, um sich zu erleichtern. Auf der Bundestraße, auf der er sich befand, gab es jedoch keine Möglichkeit zum Anhalten, insbesondere aufgrund des dichten Verkehrs. Das Amtsgericht hat hier einen Notstand nicht erkannt und gegen den Betroffenen ein Fahrverbot verhängt.

Das Oberlandesgericht Hamm befasst sich damit in dem Beschluss vom 10.10.2017 (Aktenzeichen 4 RBs 326/17).

Grundsätzlich sei es in der Rechtsprechung durchaus anerkannt, dass auch ein sehr starker Harndrang bzw. ein Drang zur „Verrichtung der Notdurft“ zu einem Absehen vom Fahrverbot führen könne, wenn dieser Drang insbesondere durch Krankheit, Gebrechen oder Schwangerschaft bedingt sei. 

Das OLG Hamm führt in seinem Beschluss aber aus, dass dies nicht der Normalfall sein könne, da dies ansonsten für diese Personen einem „Freibrief“ gleichkäme. Das OLG Hamm führt aus, dass Personen, die an entsprechenden Krankheiten, oder Gebrechen leiden, oder auch schwanger sind, ihre Fahrt planen und ggf. entsprechende Vorkehrungen treffen müssen, damit es nicht zu einer Notsituation kommt.

Dies bedeutet für die Praxis, dass in ähnlich gelagerten Fällen geprüft werden muss, wie lange der Harndrang des Betroffenen zum Tatzeitpunkt schon bekannt war. Es muss geprüft werden, ob der Betroffene in Kenntnis der bevorstehenden Fahrt größere Mengen Flüssigkeit zu sich genommen hat. Es müssen Ausführungen dazu gemacht werden, ob ein Anhalten am Fahrbahnrand zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hätte.

Auch Unwägbarkeiten (Stau, Umleitung u. ä.) muss der Betroffene einplanen.

Letztendlich bedeutet dies, dass die Betroffenen, die in eine solche Situation geraten, ausführlich darlegen müssen, ob und warum sie in diese Notsituation geraten sind und ob sie die Situation hätten vorhersehen können oder eben nicht.

Von Rechtsanwalt Peter Scheffer

Fachanwalt für Arbeitsrecht, Verkehrsrecht, Versicherungsrecht

Kanzlei Scheffer, Bünde



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