Corona und WGG – Wer kann´s noch hören?

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1. Rückblick: Zwei Jahre früher …

Vielleicht hatten Sie solche Fälle vor 2 oder 3 Jahren ja auch: Da haben Sie oder Ihr Mandant für eine private oder Firmenfeier Räumlichkeiten angemietet, und dann mussten Sie die Veranstaltung wegen Corona absagen. Oder haben sie eben vorsorglich abgesagt, weil zu viele der Gäste keine Lust mehr auf eine solche gesellige Zusammenkunft hatten.

Für den Veranstalter oder Caterer war das natürlich misslich, und deshalb kam es da auch immer wieder zu Streitigkeiten. Darf man „wegen Corona“ absagen beziehungsweise kündigen? Muss man die vereinbarte Miete oder Servicegebühr trotzdem zahlen? Wenn ja, in voller Höhe oder nur vermindert? …

Ihr Anwalt, von dem Sie damals eine eindeutige Antwort erwartet hatten, hat nur „rumgeeiert“: Ja, könnte schon ein Fall von Wegfall beziehungsweise Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) sein, ist aber nicht ganz sicher, und so weiter und so weiter. …

Die meisten Leute (Mandanten) haben sich dann irgendwie geeinigt. Manche Fälle gingen aber auch zu Gericht.

2. Und jetzt: BGH-Urteil vom 11.1.2023 

Warum erzähle ich Ihnen das jetzt hier? Nun, weil es jetzt eine BGH-Entscheidung dazu gibt (Az XII ZR 101/21).

Also genau genommen ist es auch jetzt noch keine den Fall wirklich abschließende Entscheidung, sondern der BGH hat die Sache vielmehr zur erneuten Verhandlung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Aber einige klarstellende Sätze hat er in der Entscheidungsbegründung dann doch getroffen, die ich Ihnen nachfolgend kurz referieren und zitieren möchte.

Sachverhalt

Aber zunächst zum Sachverhalt.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten, einem Hochzeitspaar, Zahlung für die Anmietung von Räumlichkeiten zur Durchführung einer Hochzeitsfeier mit bis zu 120 Gästen. Insgesamt knapp € 6.000. Die Feier war von den Beklagten wegen der COVID-19-Pandemie abgesagt worden. 

(Ich frage mich ja immer, wer eigentlich wegen so relativ geringer Beträge durch 3 Instanzen bis hinauf zum BGH prozessiert. Das kostet doch jede Menge Geld. Aber gut, es gibt solche Fälle. …)

Prozessverlauf

Auch interessant: Das LG hatte die Klage abgewiesen.

Das OLG dagegen hatte die Beklagten verurteilt, an die Klägerin immerhin ca. € 1.500 zu zahlen.

Und auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Soviel zu: Da muss es doch eine klare Antwort geben. Nein, gibt (gab) es nicht. Durchaus kompetente Juristen (Gerichte) können solche Fälle jeweils unterschiedlich beurteilen.

Urteilsgründe (Argumentation des BGH)

Kauen wir es durch, gern mit den „heiligen Worten“ des BGH.

a) Kein Fall von Unmöglichkeit

O-Ton BGH: Kann eine Hochzeitsfeier aufgrund der zu diesem Zeitpunkt zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie geltenden Maßnahmen nicht wie geplant durchgeführt werden, wird dem Vermieter der hierfür gemieteten Räumlichkeiten die von ihm geschuldete Leistung nicht unmöglich.

Die Beklagten sind somit nicht gem. §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB von ihrer Verpflichtung zur Mietzahlung befreit.

Dem Vermieter der gemieteten Räumlichkeiten wird die von ihm geschuldete Leistung nicht unmöglich, wenn  eine Hochzeitsfeier aufgrund von COVID-Maßnahmen nicht wie geplant durchgeführt werden kann.

b) Kein Mangel der Mietsache

BGH: Der Umstand, dass die Durchführung einer Hochzeitsfeier mit der geplanten Bewirtung von bis zu 120 Personen aufgrund verschiedener Regelungen in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Corona-Schutzverordnung nicht zulässig war, führt nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. 

Heißt: Den Beklagten steht auch kein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags nach § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zu, denn die Mietsache weist keinen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB auf.

c) Störung der Geschäftsgrundlage: ja, aber welche Rechtsfolge?

Allerdings kommt ein Anspruch des Mieters auf Anpassung des Mietvertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Jetzt kommen wir also zum Punkt.

Leitsatz BGH: Für einen Mieter, der Räume zur Durchführung einer Veranstaltung gemietet hat, kommt grundsätzlich ein Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn die Veranstaltung aufgrund von hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht in der geplanten Form stattfinden kann. 

Schön, hatten wir auch schon vermutet, und was bedeutet das konkret?

Dann - und nur dann - wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, kann nach § 313 Abs. 3 BGB der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten oder bei Dauerschuldverhältnissen den Vertrag kündigen.

BGH: Dafür genügt es nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für eine Partei unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten der anderen Partei auch zumutbar sein.

Das Berufungsgericht – so heißt es in dem Urteil weiter - hatte ein Kündigungsrecht der Beklagten allein mit der Begründung bejaht, die Durchführung einer Hochzeitsfeier sei ein einmaliges und besonderes Ereignis, welches nicht ohne weiteres verlegbar sei. Deshalb sei ein Kündigungsrecht der Beklagten unabhängig davon zu bejahen, ob diese sich einer Verlegung der Hochzeitsfeier verweigert hätten.

Damit hat das OLG, so der BGH, bei seiner Ermessensausübung wesentliche Umstände des Falles nicht angemessen berücksichtigt und zudem verkannt, dass nach § 313 Abs. 3 BGB ein Rücktrittsrecht oder ein Recht zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses als Form der Vertragsanpassung nur als ultima ratio in Betracht kommt. …

Also konkret: Wenn auch eine Verlegung der Feier machbar ist, darf man nicht gleich zurücktreten oder kündigen.

Solche (tatsächlichen) Einzelfallabwägungen soll dann aber bitte das Berufungsgericht (OLG) nachholen, das macht der BGH als reine Rechtsinstanz nicht selber. Daher die Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung vor dem OLG.

3. Und was lernen wir daraus bzw sind wir jetzt schlauer?

a) Es kann mitunter Jahre dauern, bis ein Fall abschließend rechtskräftig entschieden ist. Hier ging es eigentlich sogar recht schnell zum BGH, aber es liegt ja auch noch keine abschließende Entscheidung vor.

b) Kompetente Juristen können einen Fall unterschiedlich beurteilen. OLG-Richter sind ja nicht dumm, sondern verstehen auch was vom Recht. Auch von § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage). Das gilt auch dann, wenn der BGH später anderer Ansicht ist.

c) Hat der Prozess den betroffenen Parteien etwas gebracht? Nach mehreren Jahren Prozessieren vor (bislang) drei Gerichten haben wir also: noch keine Lösung in Form eines rechtskräftigen Endurteils, sondern eigentlich nur die Empfehlung des BGH an das OLG: Überlegt euch, ob eine Verschiebung der Feier nicht auch ausreichend gewesen wäre.

Jahre später zu erfahren, ob man nun € 6.000 zahlen muss oder nicht? Oder sich doch noch vor dem OLG zu vergleichen? Und was hat der ganze Spaß gekostet (3 Instanzen, Anwalts- und Gerichtskosten)? …

d) Vielleicht sollten die Parteien beziehungsweise deren Anwälte manchmal einfach etwas mehr Mut haben und selber eine Einigung finden. So großartig anders als das, was dann nach Jahren beim BGH herauskommt, wird es häufig nicht sein. Dies gilt insbesondere bei Auseinandersetzungen von „überschaubarer“ wirtschaftlicher Bedeutung.

Womöglich planen die beiden Beklagten längst die nächste Feier, vielleicht die Kommunion der Kinder, oder sind bereits wieder geschieden. …

Dr. Wolfgang Gottwald

Rechtsanwalt

Foto(s): wogo


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