Veröffentlicht von:

Das Coronavirus und dessen Folgen für die Unfallabwicklung

  • 3 Minuten Lesezeit

Nahezu jeder Lebensbereich ist aktuell durch das Coronavirus beeinflusst. Nunmehr ergeben sich auch für die Juristen ganz neue Fragestellungen. Auch wir als Rechtsanwaltskanzlei mit Schwerpunkt im Verkehrs- und Strafrecht haben uns den Entwicklungen zu stellen. Auslöser und Ausgangspunkt dieses Artikels war die Frage eines Geschäftsführers eines Mietwagenunternehmens. 

Dieser fragte an, ob er dem Geschädigten eines Verkehrsunfalles, dessen Fahrzeug vor 10 Tagen einen Totalschaden erlitten hat, angesichts der Untersagung des gewerblichen Kfz-Handels auch über die im Sachverständigengutachten genannte Wiederbeschaffungsdauer von 14 Arbeitstagen, einen Mietwagen stellen kann oder sogar muss.

Auf die Antwort wollen wir nachfolgend eingehen und gleichzeitig die an einem Verkehrsunfall üblicherweise beteiligten Akteure näher betrachten.

Was ändert sich für die Kfz-Haftpflichtversicherer?

Wirtschaftlich betrachtet könnte das aktuelle Alltagsgeschehen einen Gewinn für eine ganze Versicherungssparte darstellen. Geht man davon aus, dass die Versicherungsprämien weiterhin gleichbleibend gezahlt werden, dürften sich die Einnahmen vor, während und auch nach der Pandemie unverändert darstellen. 

Faktisch findet jedoch in Zeiten der Arbeitsplatzverlagerung in das Homeoffice, von Ausgangssperren sowie von Kontaktverboten weniger Verkehr auf öffentlichen Straßen statt. Demzufolge dürften sich während dieser Zeit weitaus weniger Verkehrsunfälle ereignen, als dies bisher der Fall war. Ausgehend von diesen Thesen dürften sich die Ausgaben für die Kfz-Versicherer derzeit minimieren, was unter dem Strich zu einer positiveren Bilanz, als noch vor der Pandemie führt. 

Ob sich dies bewahrheitet, wird sich in kommenden Wochen und vielleicht sogar Monaten weisen. Relativieren könnte sich diese Schlussfolgerung jedoch, wenn man sich die Veränderungen für den Geschädigten vor Augen führt.

Was ändert sich aktuell für den Geschädigten?

Um diese Frage beantworten zu können muss man sich die bei einem Verkehrsunfall in der Regel relevanten Schadenpositionen detaillierter betrachten.

Wenn man sich vorstellt, dass der Geschädigte sein Fahrzeug in der Werkstatt seines Vertrauens reparieren lassen möchte, diese jedoch vermutlich nur auf einen Teil seiner Belegschaft zurückgreifen kann und sich gleichzeitig auf längere Lieferzeiten für Ersatzteile einstellen muss, wird sich die Reparaturdauer hierdurch wohlmöglich verlängern.

Demzufolge dürfte sich auch die Zeit, in der der Geschädigte auf ein Mietfahrzeug zurückgreifen muss, entsprechend verlängern. Noch deutlicher wird diese Problematik in der aktuellen Lage jedoch dann, wenn das Fahrzeug irreparabel ist, einen Totalschaden erlitten hat und sich der Geschädigte auf die Suche nach einer Ersatzanschaffung begibt.

Für diesen Fall wird man in Zeiten, in denen der gewerbliche Autohandel untersagt wurde, schlichtweg von einer deutlich verlängerten Wiederbeschaffungsdauer ausgehen müssen. Aber nicht nur die Untersagung des gewerblichen Kfz-Handels, sondern auch die Schließung vieler Kfz-Zulassungsstellen, führt zu einer Verstärkung der Wiederbeschaffungsproblematik. Hierzu ist nach diesseitiger Auffassung auf ein Grundprinzip der Schadenabwicklung zurückzugreifen. 

Dieses besagt, dass sich Verzögerungen zu Lasten des Schädigers und gerade nicht zu Lasten des Geschädigten auswirken. Demzufolge muss sich der Geschädigte auf eine deutlich längere Reparatur-, aber auch Wiederbeschaffungsdauer und damit auch eine deutlich längere Anmietdauer für ein klassenniedrigeres Fahrzeug einstellen.

Gerade die Mietwagenproblematik ist bereits vor der Pandemie ein häufiger Streitpunkt in der Unfallabwicklung gewesen und dürfte sich nunmehr noch einmal massiv verschärfen.

Sofern die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung zur Vermeidung hoher Mietwagenkosten einwenden sollte, dem Geschädigten obliege eine Schadenminderungspflicht und er hätte ein Ersatzfahrzeug auf dem Privatmarkt erwerben müssen, ist diese Auffassung eindeutig zurückzuweisen.

Sicherlich werden die Kfz-Haftpflichtversicherer zukünftig in diesen Fällen ebenfalls behaupten, es läge nur ein geringer Fahrbedarf vor und die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges sei unnötig gewesen. Jedoch dürfte es dem Geschädigten aktuell unzumutbar sein, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, da die pandemiebedingte Infizierungsgefahr als äußerst hoch einzuschätzen sein dürfte. 

Zudem kann es sein, dass ein geringerer Fahrbedarf aus der sogenannten ex-ante-Sicht, also rückblickend betrachtet, für den Geschädigten schlichtweg nicht vorhersehbar gewesen ist.

Was ändert sich aktuell für den Schadengutachter?

Diesem obliegt es, die Reparaturkosten, aber auch die Wiederbeschaffungs- und Reparaturdauer zu ermitteln. Es ist dringend anzuraten, einen pandemiebedingten Aufschlag – sowohl hinsichtlich der Reparatur aber auch hinsichtlich der Wiederbeschaffungsdauer – bereits in dem zu erstellenden Sachverständigengutachten zu berücksichtigen, um den diesbezüglich absehbaren Streitigkeiten zumindest vorbeugend entgegenzutreten.

Welches Fazit ist daher zuziehen?

Die ständige Kürzungspolitik der Kfz-Haftpflichtversicherer wird sicherlich unverändert bestehen bleiben. Gleichzeitig dürften die pandemiebedingten Streitigkeiten bei einzelnen Schadenpositionen zunehmen.

Insofern ist es wichtiger denn je, die Unfallabwicklung einem Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Verkehrsrecht zu übertragen. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Kai Schnabel

Beiträge zum Thema