„Dashcam“ (Armaturenbrettkamera) ist zulässig und kann idR im Zivil- und Strafverfahren verwertet werden

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Die Verwendung einer Kamera auf dem Armaturenbrett („Dashcam“, Armaturenbrettkamera) ist i.d.R. zulässig und kann auch im Zivil- und Strafverfahren als Beweismittel verwendet werden. Ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist im Regelfall nicht gegeben.

Eine in Rechtsprechung und Literatur sowie seitens der Datenschutzbeauftragten entgegen der tatsächlichen Sach- und Rechtslage teilweise vertretene Auffassung, eine Aufzeichnung mittels „Dashcam“ sei grundsätzlich nach dem BDSG unzulässig und die Ergebnisse nicht verwertbar ist schlicht falsch. Dabei wird der Anwendungsbereich des BDSG völlig wahllos ausgedehnt, die Rechtsprechung des EuGH ignoriert und zudem nicht zwischen Zivil- und Strafverfahren unterschieden.

Wie so oft im Recht steht und fällt die Diskussion mit der einschlägigen Rechtsgrundlage.

Einige Gerichte und Datenschutzbeauftragte stellen fälschlicherweise auf § 6b BDSG ab.

Nach § 1 Abs. 1 BDSG gilt das BDSG für die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen des Bundes, der Länder soweit sie Bundesrecht ausführen und nichtöffentlichen Stellen, soweit sie Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeiten, nutzen oder dafür erheben.

Diese Merkmale sind jedoch nicht erfüllt, wenn eine Privatperson zur Unfallaufklärung Videoaufnahmen fertigt: weder ist derjenige öffentliche Stelle noch eine nicht-öffentliche Stelle, die Daten zur automatisierten Datenverarbeitung mittels Datenverarbeitungsanlagen nutzt.

Selbst wenn man auf die abwegige Idee käme und eine „Dashcam“ entgegen der tatsächlichen Sach- und Rechtslage als Datenverarbeitungsanlage zur automatisierten Datenverarbeitung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG charakterisieren würde, stellt § 1 Abs. 2 Nr. 3, 2. HS BDSG klar, dass der Anwendungsbereich für persönliche Tätigkeiten nicht gegeben ist. Die Aufzeichnung im Privat-PKW durch eine Privatperson ist eindeutig persönlicher Natur. Diese endet jedoch bei der Veröffentlichung z.B. auf Webseiten (vgl. auch EuGH, Urteil vom 11.6.2003 - C 101/01, Lindquist).

Damit ist das BDSG auf privat gefertigte Aufnahmen mittels „Dashcam“, die nicht der automatisieren Datenverarbeitung dienen sollen, überhaupt nicht anwendbar.

Die insoweit dennoch oftmals getätigten Ausführungen einiger Datenschutzbeauftragten und vereinzelter Gerichte sind daher nur als abenteuerlich zu bezeichnen. Auf die Frage einer dauerhaften Speicherung, anlassabhängigen Aufzeichnung, etc. kommt es nicht an, da das BDSG gar nicht anwendbar ist.

Wenn in einem Zivilverfahren nun der Unfallhergang streitig ist, stellt sich die Frage nach der Verwertbarkeit der zulässigerweise angefertigten Aufnahme.

Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schützen die Befugnis des Einzelnen, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Dieses Recht geht jedoch nicht soweit, dass es einen umfassenden Schutz davor gewähren würde, in der Öffentlichkeit durch andere beobachtet zu werden. Dieses Grundrecht unterliegt zudem auch Schranken. Das Gericht muss somit dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht mit den ebenfalls verfassungsrechtliche geschützten Interessen der übrigen Verfahrensbeteiligten und dem staatlichen Interesse eines rechtsstaatliche Verfahrens und der Wahrheitsfindung abwägen.

Dabei dürften stets das Aufklärungsinteresse und die „Durchsetzung der Gerechtigkeit und die Gewährleistung einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege“ sowie das „durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechte der auf Durchsetzung ihres Anspruchs klagenden Partei“ (vgl. BGH, Urteil vom 10. 12. 2002 – VI ZR 378/01) überwiegen. Insbesondere da die „Dashcam“ in der Regel den gleichen Blick auf das Geschehen hat, wie z.B. ein Beifahrer, der als Zeuge vernommen werden könnte. Es werden daher weder „geheime“ Vorgänge offenbart, noch ein verbotswidrig gewonnene Bildmaterial verwertet, da ein Verstoß gegen das BDSG gerade nicht vorliegt (siehe oben).

Bei der nun vorzunehmenden Abwägung können Fragen wie eine turnusmäßiges und automatisches Überschreibung der Daten, wenn das Gerät keinen Unfall registriert, das Vorhandensein eines Aufkleber im PKW („Achtung Video“) eventuell Bedeutung erlangen, da derartige Vorkehrungen das Persönlichkeitsrecht der Gefilden Personen sogar nach § 6b BDSG ausreichend schützen würden.

Wenn sich ein Verfahrensbeteiligter gegen die Verwendung einer Aufzeichnung wendet, steht i.d.R. ohnehin nicht sein allgemeine Persönlichkeitsrecht zur Debatte, sondern wohl eher sein Interesse, eine für ihn nachteilige Unfallsituation nicht aufzuklären. Dem sollte das Gericht nicht „auf den Leim gehen“.

Auf dem richtigen Weg war bereits das LG Heilbronn, welches eine Abwägung vorgenommen, dabei jedoch in Verkennung der Rechtslage ein Verbot nach § 6b BDSG angenommen hatte und daher zu einem fehlerhaften Abwägungsergebnis gelangte (vgl. LG Heilbronn, Urteil vom 03.02.2015 – I 3 S 19/14). Das LG Heilbronn wollte dabei jedoch immerhin darauf abstellen, ob die Aufzeichnungen regelmäßig wieder überschrieben würde, was im entscheidenden Fall nicht der Fall war.

Zutreffend hat das Amtsgericht München eine Videoaufnahme, welche ein Radfahrer am Helm gefertigt hatte, zur Aufklärung im Zivilverfahren zugelassen (AG München, Urteil vom 06.06.2013 – 343 C 4445/13) und dies geradezu vorbildlich begründet:

„Die Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Verwertung des Videos hier zulässig ist. Zu der Zeit, zu der das Video aufgenommen wird, verfolgt der Aufnehmende damit noch keinen bestimmten Zweck. Die Personen die vom Video aufgenommen werden, geraten rein zufällig ins Bild, so, wie es auch ist, wenn man Urlaubsfotos schießt oder Urlaubsfilme macht und dabei auch Personen mit abgebildet werden, mit denen man nichts tun hat. Derartige Fotoaufnahmen und Videos sind nicht verboten und sozial anerkannt. Jeder weiß, dass er in der Öffentlichkeit zufällig auf solche Bilder geraten kann. Nachdem die abgebildete Person dem Fotografierer in der Regel nicht bekannt ist und dieser damit auch keine näheren Absichten gegenüber der abgebildeten Person verfolgt, bleibt die abgebildete Person anonym und ist insofern allein durch die Tatsache, dass die Aufnahme erstellt wird auch nicht in ihren Rechten betroffen. Eine Beeinträchtigung ihrer Grundrechte kann nur dann vorliegen, wenn eine derartige zufällig gewonnene Aufnahme dann gegen den Willen der abgebildeten Person veröffentlicht wird. Das passiert hier, nachdem der Kläger von der Videoaufnahme im Gerichtsverfahren Gebrauch machen will. In dem Moment, in dem sich der Unfall ereignete, hat sich die Interessenlage der Beteiligten aber auch geändert. Der Kläger hat nunmehr ein Interesse daran Beweise zu sichern. Dieses Interesse ist in der Rechtsprechung anerkannt: Es wird für unproblematisch gehalten, wenn ein Unfallbeteiligter unmittelbar nach dem Unfall Fotos von den beteiligten Fahrzeugen, der Endstellung, Bremsspuren oder auch von seinem Unfallgegner macht, um Beweise für den Unfallhergang und die Beteiligung der Personen zu sichern. Es kann keinen Unterschied machen, ob die Beweismittel erst nach dem Unfall gewonnen werden oder bereits angefertigte Aufnahmen nun mit bestimmte Zielrichtung verwertet werden. Deshalb konnte in dem Prozess das Video ausgewertet werden.“

Diese völlig zutreffende Begründung des AG München wird auch den Vorgaben der Rechtsprechung des BGH (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 10. 12. 2002 – VI ZR 378/01 – Zulässigkeit der Verwertung einer heimlichen Tonaufzeichnung) und des BVerfG (vgl. BVerfG, NJW 2002, 3619, 3624; Senatsurteile vom 3. Juni 1997 – VI ZR 133/96 – VersR 1997, 1422 und vom 24. November 1981 – VI ZR 164/79 – VersR 1982, 191, 192) gerecht, die allerdings für rechtswidrig gewonnene Beweismittel entwickelt wurden.

Beide Bundesgerichte schließen selbst rechtswidrig gewonnenen Beweismittel nicht per se von der Verwertung aus, sondern fordern auch dort eine Abwägung im Einzelfall.

Im Strafverfahren dürfte die Abwägung noch deutlicher und in nahezu jedem Fall zu einer Verwertbarkeit führen. Dort überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an der Wahrheitsfindung stets, da der Aufklärungspflicht des Tatrichters eine erhebliche höhere Bedeutung zukommt als im Zivilverfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. 1. 1981 – 1 BvR 116/77; BGH, Urteil vom 10. 12. 2002 – VI ZR 378/01).


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