Die Strafverteidigung bei den Körperverletzungsdelikten

  • 5 Minuten Lesezeit

Die vorsätzliche Körperverletzung gem. § 223 StGB – Grundtatbestand der Körperverletzungsdelikte

Als Opfer oder vermeintlicher Täter einer Körperverletzung stellt sich oft die Frage, ab wann die Strafbarkeit überhaupt erst beginnt. Denn nicht nur Schläge oder Tritte erfüllen den Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 StGB. Ausreichend sein kann bereits eine Ohrfeige, wenn diese das körperliche Wohlbefinden des Opfers verletzt.

Zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit des Menschen hat der Gesetzgeber teilweise schwere Strafen für die Körperverletzungsdelikte vorgesehen. Deshalb sind die besondere Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung und viele Aspekte des Einzelfalls für die Praxis eines Strafverteidigers von besonderer Bedeutung.

Wann liegt eine vorsätzliche Körperverletzung vor?

Die einfache Körperverletzung nach § 223 StGB ist die Grundlage für alle folgenden, schweren Körperverletzungsdelikte. Diese liegt vor, wenn das Opfer körperlich misshandelt wird oder in seiner Gesundheit geschädigt wird.

Von einer körperlichen Misshandlung wird gesprochen, wenn das Opfer in seinem körperlichen Wohlbefinden oder Unversehrtheit beeinträchtigt wird. Davon wird auszugehen sein, wenn das Opfer nicht nur unerhebliche Schmerzen erleidet oder zumindest kurzfristig Funktionsstörungen davonträgt, wie beispielsweise Schlafstörungen. Beulen, Wunden oder Schäden an Organen oder Zähnen werden als Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit bezeichnet.

Eine Gesundheitsschädigung liegt vor, wenn das Opfer einen krankhaften Zustand erleidet. Dies ist beispielsweise bei einer Ansteckung mit einer Krankheit (HIV) oder auch bei Knochenbrüchen der Fall. In manchen Situationen kann auch eine ärztliche Behandlung eine Gesundheitsschädigung darstellen. Verschreibt der Arzt Medikamente, die medizinisch nicht indiziert sind oder wird der Patient überflüssig stark mit Röntgenstrahlung belastet, kann in bestimmten Fällen eine Gesundheitsschädigung vorliegen.

Ist jede Körperverletzung rechtswidrig und strafbar?

Insbesondere bei den Körperverletzungsdelikten kommt der Frage der Rechtswidrigkeit unter Gesichtspunkten der „Notwehr“ oder „Einwilligung“ eine besondere Bedeutung zu. Die Rechtswidrigkeit entfällt häufig aufgrund eines Rechtfertigungsgrunds. Ein solcher Grund kann vorliegen, wenn der Täter in Notwehr handelt oder das Opfer in die Behandlung durch einen Arzt zugestimmt und eine „Einwilligung“ erteilt hat.

Welche Strafe droht bei einer vorsätzlichen Körperverletzung gem. § 223 StGB?

Das Gesetz sieht für die „einfache“ Körperverletzung nach § 223 StGB eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor. Dieses Strafmaß kann durch verschiedene Umstände verschärft werden.

Liegt eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB vor, droht zwingend eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Von einer gefährlichen Körperverletzung wird gesprochen, wenn das Opfer durch die Beibringung von Gift oder anderen Stoffen, durch die Nutzung einer Waffe oder gefährlicher Werkzeuge, durch einen hinterlistigen Überfall oder durch eine gemeinschaftliche Tatbegehung besonders gefährdet oder verletzt wird. Gifte und gesundheitsschädliche Stoffe können sowohl die klassischen Gifte wie Arsen oder Zyankali sein als auch Pfefferspray, Schlafmittel oder Viren (HIV). Neben Schusswaffen und Stichwaffen zählen auch Werkzeuge, die nach ihrer Beschaffenheit und Nutzung geeignet sind, erhebliche Verletzungen herbeizurufen, zu den Waffen und gefährlichen Werkzeugen. Damit kann die Benutzung einer Bierflasche oder eines Schraubenziehers zu einer gefährlichen Körperverletzung führen. Von einer gemeinschaftlichen Tatbegehung wird gesprochen, wenn mindestens zwei Personen am Tatort einvernehmlich zusammenwirken. Es ist nicht erforderlich, dass beide die Körperverletzung begehen.

Die schwere Körperverletzung wird mit einer Strafe von einem bis zu zehn Jahren bestraft. Diese liegt vor, wenn das Opfer aufgrund der Tat besonders schwere körperliche Schäden davonträgt. Der Gesetzgeber hat die möglichen Tatmodalitäten abschließend im § 226 StGB genannt. Die erste mögliche schwere Tatfolge ist der Verlust bestimmter Sinnes- oder Körperfunktionen. Daneben liegt die schwere Körperverletzung auch vor, wenn das Opfer ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder nicht mehr gebrauchen kann. Die letzte schwere Folge ist die Zufügung einer dauerhaften Entstellung, Siechtum, Lähmung oder geistigen Behinderung.

Die wohl denkbar schwerwiegendste Tatfolge, der Tod des Opfers eröffnet die Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB. Der Strafrahmen liegt in einem solchen Fall zwischen drei Jahren und fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe.

Wird jede Körperverletzung von der Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgt?

Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 StGB und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB sind sogenannte relative Antragsdelikte. Die Strafverfolgungsbehörden, insbesondere Polizei und Staatsanwaltschaft, werden im Regelfall nur tätig, wenn ein Strafantrag vorliegt. Ist die Tat von besonderem öffentlichen Interesse, kann die Staatsanwaltschaft auch ohne Strafantrag verfolgen. Wann dies vorliegt, entscheidet die Staatsanwaltschaft in eigenem Ermessen. Nicht selten wird das öffentliche Interesse bei Körperverletzungen in Folge von Verkehrsunfällen oder vorbestraften Tätern bejaht.

Was gilt es bei einer Strafanzeige wegen Körperverletzung zu beachten?

Oft geht mit der Strafanzeige wegen Körperverletzung auch eine Vorladung zur Beschuldigtenbefragung einher. Allein die Tatsache eine solche Vorladung zu erhalten, erschüttert Betroffene oft zutiefst. Oft lassen sich Betroffene von dem Gedanken leiten, dass Sie durch eine Aussage den Tathergang aufklären und so die Erledigung der Strafanzeige bewirken können. Dabei wird jedoch oft nicht beachtet, dass jede getroffene Äußerung auch im späteren Prozessverlauf gegen einen verwendet werden kann. Ein später eingeschalteter Strafverteidiger kann dann nur schwerlich die bereits gemachte Aussage in ein anderes Licht rücken. Vor einer Konsultation mit einem Anwalt sollte deshalb jeder Beschuldigte von dem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. Lediglich Angaben zur Person (Name, Vorname, Anschrift, Geburtsort- und -datum) müssen immer getätigt werden.

Der Vorwurf einer Körperverletzung sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Das Strafmaß kann je nach Umständen der Tat und den Folgen für das Opfer stark variieren und zu hohen Freiheitsstrafen führen. Insbesondere sollte nicht auf eine selbstständige Aufklärung der Tathergänge gehofft werden. Das rechtzeitige Einschalten eines Strafverteidigers kann den erfolgreichen Ausgang des Verfahrens sichern.

Was kann ein Rechtsanwalt bzw. Strafverteidiger für Sie tun?

Da allein der Einzelfall entscheidend ist, dürfte immer eine genaue Prüfung der konkreten Fallumstände anhand der Ermittlungsakten unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechungsentwicklung erforderlich sein. Um die konkreten Fallumstände und der Ermittlungsstand besser beurteilen zu können, wird oft Akteneinsicht erforderlich sein. Nach Akteneinsicht kann Ihr Rechtsanwalt mit Ihnen in Ruhe entscheiden, was ggf. schriftlich zum Tatvorwurf vorgebracht werden soll. Handelt es sich bei dem Vorwurf um eine einfache Körperverletzung, lässt sich manchmal auch bereits im Ermittlungsverfahren die Einstellung des Verfahrens erreichen. Diese Einstellung kann aufgrund einer Auflage oder besonderer Umstände erfolgen. Ist eine Verurteilung nicht zu vermeiden, wird ein Anwalt für Strafrecht versuchen, ein mildes Strafmaß für seinen Mandanten zu erreichen. So ist etwa die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung bei einer Strafe geringer als zwei Jahre möglich.

Nebenklage und Opferschutz bei Körperverletzungsdelikten

Neben der Aufklärung und der rechtlichen Bewertung der Tatumstände kann es für Opfer von Körperverletzungsdelikten empfehlenswert sein, sich dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen und einen Fachanwalt für Strafrecht als Nebenklagevertreter zu beauftragen, um „Waffengleichheit“ herzustellen. Auf diesem Wege können schon im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche im Strafverfahren geltend gemacht werden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Sascha Böttner

Beiträge zum Thema