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Dürfen Autohändler auf die TÜV-Prüfung vertrauen?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Erwirbt ein Autohändler einen Gebrauchtwagen, muss er ihn vor dem Weiterverkauf auf Mängel untersuchen. Schließlich verlangt er für den Wagen mehr Geld, als er selbst beim Ankauf bezahlt hat. Aus diesem Grund kann der Autokäufer erwarten, dass der Pkw zuvor auf Mängel und Funktionsfähigkeit überprüft wurde. Diese generelle Überprüfungspflicht entfällt selbst dann nicht, wenn der Wagen vor Übergabe an den neuen Eigentümer vom TÜV (Technischer Überwachungsverein) durchgecheckt und für fahrtauglich erklärt wurde.

Autopanne am Tag des Kfz-Erwerbs

Eine Frau erwarb bei einem Autohändler ein 13 Jahre altes Kfz. Noch am selben Tag überprüfte der TÜV das Fahrzeug und versah es mit der TÜV-Plakette. Als jedoch bereits auf der Heimfahrt der Motor des Pkw mehrmals ausging, wurde er in einer Werkstatt untersucht. Dort stellte man fest, dass der Wagen wegen starker Durchrostung – unter anderem an den Brems- und Kraftstoffleitungen – nicht verkehrssicher ist.

Nun erklärte die Autofahrerin die Anfechtung des Vertrags und hilfsweise den sofortigen Rücktritt. Der Autohändler hätte sie über diese Mängel aufklären müssen, er habe sie mithin arglistig getäuscht. Der Verkäufer gab daraufhin an, er habe den Wagen nicht selbst untersuchen müssen, sondern sich auf das Werturteil des TÜV verlassen dürfen. Von einer arglistigen Täuschung könne daher keine Rede sein. Im Übrigen sei ein Rücktritt nicht zulässig, weil ihm die Autokäuferin zuvor keine Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben habe. Der Streit endete vor Gericht.

OLG: Arglistige Täuschung durch den Autohändler

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hielt den Kaufvertrag wegen wirksam erklärter Anfechtung der Frau für nichtig. Als Folge dessen musste der Autohändler den Kaufpreis an die Autofahrerin herausgeben und den mangelhaften Wagen zurücknehmen.

Der betreffende Pkw litt zweifelsfrei bereits bei der Übergabe an die Erwerberin an einem erheblichen Mangel, über den der Autohändler hätte aufklären müssen. Da bei einem Gebrauchtwagen regelmäßig davon auszugehen ist, dass er an einem technischen Fehler leidet oder zumindest fehleranfällig ist, trifft einen Autohändler generell die Pflicht, einen Gebrauchtwagen vor Weiterverkauf auf Mängel zu untersuchen. Gegen diese Untersuchungspflicht hat der Autohändler vorliegend verstoßen – ihm war daher klar, dass er die Erwerberin nicht über etwaige Mängel informieren kann. Darüber hinaus hat er die Autokäuferin nicht darauf hingewiesen, dass der Wagen von ihm nicht überprüft worden ist. Das OLG Oldenburg setzte dieses Verhalten einer arglistigen Täuschung nach § 123 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) gleich.

Im Übrigen entfiel die Untersuchungspflicht des Autohändlers nicht, nur weil er den Wagen noch am Verkaufstag dem TÜV vorgeführt hatte. So ist nicht automatisch garantiert, dass eine Kfz-Beurteilung durch den TÜV stets fehlerfrei erfolgt, nur weil er „hoheitliche Aufgaben auf dem Gebiet der Kfz-Überwachung“ wahrnimmt. Außerdem gilt: Grundsätzlich kann der Autohändler die Untersuchung zwar von einem Dritten durchführen lassen. Macht der aber bei seiner Arbeit Fehler, muss sich der Autohändler diese zurechnen lassen (OLG Oldenburg, Urteil v. 28.02.2014, Az.: 11 U 86/13).

BGH: Sofortiger Rücktritt war zulässig

Nun musste auch der Bundesgerichtshof (BGH) über diesen Fall entscheiden. Der unterstützte die Entscheidung der Vorinstanzen – jedoch aus anderen Gründen, als noch das OLG. So waren nach Ansicht des BGH keine Anhaltspunkte für eine arglistige Täuschung erkennbar. Allerdings durfte die Autofahrerin ohne vorherige Fristsetzung vom Kaufvertrag zurücktreten.

Schließlich war das Auto zweifelsfrei mangelhaft: Die Parteien hatten vereinbart, dass der Wagen verkehrssicher sein soll – diese Eigenschaft wies das Fahrzeug aufgrund der starken Durchrostung aber gerade nicht auf. Die Korrosion war darüber hinaus deutlich zu erkennen, sodass die TÜV-Plakette unter diesen Umständen nicht hätte erteilt werden dürfen.

Grundsätzlich muss dem Verkäufer vor Erklärung des Rücktritts vom Vertrag zwar die Möglichkeit gegeben werden, den Mangel innerhalb einer bestimmten Frist zu beseitigen. Das war der Käuferin vorliegend jedoch nach § 440 S. 1 Alt. 3 BGB unzumutbar. Da trotz erheblicher und offensichtlicher Mängel eine TÜV-Plakette erteilt worden war, durfte die Käuferin zu Recht an der Zuverlässigkeit und Fachkompetenz des Autohändlers zweifeln und daher auf eine Nacherfüllung durch ihn verzichten.

(BGH, Urteil v. 15.04.2015, Az.: VIII ZR 80/14)

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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