Einrichtungsbezogene Impfpflicht: fristlose Kündigung bei gefälschten Impfnachweisen

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Seit dem 15. März 2022 gilt in der Gesundheits- und Pflegebranche die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht. Beschäftigte der in § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufgelisteten Einrichtungen müssen vollständig gegen das Virus SARS-CoV-2 geimpft sein oder einen aktuellen Genesenennachweis vorlegen können.


Aus diesem Anlass wurden Beschäftigte der Gesundheits- und Pflegebranche durch ihre Arbeitgeber oder den Gesundheitsämtern unter Fristsetzung dazu aufgefordert, einen Impf- oder Genesenennachweis vorzulegen. Andernfalls drohen ihnen Tätigkeits- bzw. Beschäftigungsverbote.


Bei dem einen oder anderen Fall führte das dazu, dass auf dem schnellen Weg über das Internet unzureichende Nachweise besorgt wurden oder sogar gefälschte Bescheinigungen vorgelegt wurden. Nachdem dies aufflog, reagierten Arbeitgeber mit fristlosen Kündigungen ohne vorherige Abmahnungen.


Die ersten Entscheidungen der Arbeitsgerichte in diesen Kündigungsstreitigkeiten sind nun ergangen, die eine klare Tendenz der Arbeitsgerichte aufzeigen. 


Impfunfähigkeitsbescheinigung ohne vorherige ärztliche Untersuchung


In einem Kündigungsstreit, der dem Arbeitsgericht Lübeck vorlag, hatte eine Krankenschwester, die seit 2004 in einer Klinik beschäftigt war, auf die Aufforderung ihrer Arbeitgeberin einen Impfnachweis bzw. einen Nachweis über den Genesenenstatus vorzulegen, ihrer Arbeitgeberin eine Bescheinigung vorgelegt, in der eine sechsmonatige vorläufige Impfunfähigkeit ausgewiesen war und die Unterschrift einer Ärztin aus Süddeutschland erhielt. Die Arbeitgeberin legte diese Bescheinigung dem zuständigen Gesundheitsamt vor, dieser teilte wiederum der Klinik mit, dass nach der Überprüfung der vorgelegten Bescheinigung, diese aus dem Internet heruntergeladen worden sei und somit nicht auf einer ärztlichen Untersuchung beruhe. Zudem sei die unterzeichnende Ärztin nicht bekannt.


Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin die Krankenschwester fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist von 6 Monaten. Aufgrund einer tarifvertraglichen Regelung war die Krankenschwester ordentlich nicht kündbar.


Das Arbeitsgericht Lübeck (A.z. 5 Ca 189/22) erachtete die hilfsweise ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist für rechtmäßig.


Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitgeberin unzumutbar macht, lege hier nach Auffassung des Arbeitsgerichtes Lübeck vor. Die Krankenschwester habe durch die Vorlage einer Bescheinigung, die nicht auf eine ärztliche Untersuchung beruhe,  versucht, die Klinik über ihre Impfunfähigkeit zu täuschen. Damit habe sie in schwerwiegender Weise gegen ihre auf § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG beruhenden arbeitsvertraglichen Nebenpflicht verstoßen


Es stand unstreitig fest, dass die Arbeitnehmerin die Bescheinigung aus dem Internet heruntergeladen hatte und die dortigen Bescheinigungen weder auf eine persönliche noch eine virtuelle ärztliche Begutachtung beruhten.


Auch wenn die fristlose Kündigung wegen der langen Betriebszugehörigkeit der Krankenschwester von circa 20 Jahren ungerechtfertigt war, war dagegen die hilfsweise ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist von in dem Fall 6 Monaten nach Auffassung des Gerichtes verhältnismäßig und daher wirksam.


Vorlage von gefälschten Impfnachweisen


In zwei anderen Fällen, die wiederum dem Arbeitsgericht Köln und dem Arbeitsgericht Düsseldorf vorlagen, legten zwei Mitarbeiter gefälschte Impfnachweise vor. 


Ein Küchenfachberater in einem Einzelhandelsunternehmen erklärte bereits im Zuge der Corona Pandemie wiederholt ggü. seiner Arbeitgeberin, dass er sich nicht impfen lassen werde. Als sodann im November 2021 die sogenannte 3G Regelung in den Arbeitsstätten eingeführt wurden, legte der Küchenfachberater seiner Arbeitgeberin die Kopie eines Impfnachweises vor, nachdem er über einen vollständigen Impfschutz verfügen sollte. Die Arbeitgeberin zweifelte an der Echtheit des Impfnachweises und überprüfte diese. Wie der Mitarbeiter auch später einräumte, war der Impfnachweis gefälscht. Die Arbeitgeberin kündigte den Küchenberater außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. 


Das Arbeitsgericht Düsseldorf (A.z. 11 Ca 5388/21) entschied, dass die fristlose Kündigung wirksam sei. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB lag nach Auffassung des Gerichtes vor. Die Vorlage einer Kopie eines gefälschten Impfausweises in der Absicht über die Erfüllung der Nachweispflicht aus § 28b Abs. 1 IfSG zu täuschen sei an sich geeignet, selbst eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Auch wenn die Handlungsweise des Arbeitnehmers zu diesem Zeitpunkt noch nicht strafbewehrt war, läge gleichwohl eine schwerwiegende Pflichtverletzung vor. Der Mitarbeiter habe gegen seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin gem. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen. Das Arbeitsgericht wertete die Pflichtverletzung sogar derart schwer, dass sie eine vorherige Abmahnung für nicht erforderlich hielt. 


Ein anderer Fall betraf eine Beraterin, die in der betrieblichen Gesundheitsförderung externe Kunden, darunter auch Pflegeeinrichtungen, besuchte. Ihre Arbeitgeberin informierte die Mitarbeiter darüber, dass ab November 2021 nur noch vollständig geimpfte Mitarbeiter Termine bei Kunden vor Ort wahrnehmen dürften. Daraufhin legte die Beraterin ihrer Arbeitgeberin einen Impfnachweis vor, bei dem sich auch später herausstellte, dass dieser gefälscht war. Nachdem die Beraterin bereits mehrere Kundentermine wahrgenommen hatte, fiel der Arbeitgeberin bei einer Überprüfung auf, dass die im Ausweis dokumentierten Impfstoffchargen erst nach dem eingetragenen Termin verimpft wurden. Sie konfrontierte die Mitarbeiterin damit und kündigte sie schließlich fristlos.


Auch hier sah diesmal das Arbeitsgericht Köln (A.z. 18 Ca 6830/21) die fristlose Kündigung durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Die Kundenberaterin habe schwerwiegend ihre vertraglichen Pflichten verletzt. Die Beraterin habe gegen die Weisungen ihrer Arbeitgeberin verstoßen, indem sie ungeimpft Außentermine bei Kunden in Präsenz wahrgenommen habe. Damit habe sie pflichtwidrig einerseits die dortigen Beschäftigen, mit denen sie in Kontakt getreten sei, wie auch sich selbst einem vermeidbare Gesundheitsrisiko ausgesetzt und andererseits die Geschäftsinteressen ihrer Arbeitgeberin dadurch verletzt, dass sie ihre Arbeitgeberin dem Risiko eines massiven Vertrauensverlustes bei den Kunden ausgesetzt habe. Schließlich habe sie auch dadurch pflichtwidrig gehandelt, dass sie ihrer Arbeitgeberin einen Impfnachweis vorgelegt habe mit dem Wissen, dass die darin enthaltenen Angaben unzutreffend seien. Damit habe sie ihre Arbeitgeberin in einem die Durchführung des Arbeitsverhältnisses betreffenden, wesentlichen Punkt zu täuschen versucht. Versuche eine Arbeitnehmerin, gefälschte Nachweise zu nutzen, belege sie damit, dass sie bereit sei, alle Arbeitnehmer, mit denen sie in Kontakt kommt, vorsätzlich in ihrer Gesundheit zu gefährden. Auch hier war nach Auffassung des Arbeitsgerichtes die Pflichtverletzung der Art schwerwiegend, dass der Arbeitgeberin nicht zugemutet werden konnte, die Mitarbeiterin abzumahnen oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist sie weiter zu beschäftigen. 



Fazit: 


Auch wenn die Entscheidung über eine fristlose Kündigung immer eine des Einzelfalles ist, ist die Tendenz der bisherigen Rechtssprechung eindeutig. Die Arbeitsgerichte sehen in der Vorlage von gefälschten Impfnachweisen eine schwerwiegende Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis, die aufgrund des Vertrauensbruches, der Gefährdung Dritter und der kriminelle Energie, die dahinter steckt, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Damit können in solchen Fällen fristlose Kündigungen gerechtfertigt sein. Höchste Vorsicht ist auch bei der Vorlage von Impfunfähigkeitsbescheinigungen geboten, denen eine unzureichende ärztliche Untersuchung vorausgegangen ist. Grundsätzlich müssen sich zwar Personen nicht impfen lassen, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Virus geimpft werden können. Allerdings muss hier eine ärztliche Untersuchung lege artis vorausgehen, bevor die Impfunfähigkeit bescheinigt wird. 


Ich berate und vertrete  klein und mittelständische Unternehmen sowie Arbeitnehmer im Zusammenhang von Kündigungen und der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Für weitere Informationen besuchen Sie meine Homepage unter: www.arbeitsrecht-arif.de

Foto(s): https://pixabay.com/photos/firm-contract-2003808/

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