Einstweilige Verfügung – Was ist bei dem Antrag und der Zustellung zu beachten?

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Eine einstweilige Verfügung erlässt das zuständige Gericht im Regelfall auf Antrag und ohne mündliche Verhandlung wenige Tage nach Beantragung. Nur wenn das Gericht Zweifel an dem Antrag des Antragstellers hat oder der Antragsgegner vorher eine Schutzschrift bei Gericht eingereicht hat oder die einstweilige Verfügung schwerwiegende Folgen für den Antragsgegner hätte, wird das angerufene Gericht vor Erlass der einstweiligen Verfügung eine mündliche Verhandlung anberaumen und den Antragsgegner anhören.

Der Antragsteller muss in seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einen „Verfügungsanspruch“ sowie den „Verfügungsgrund“ „glaubhaft“ machen.

Was ist ein „Verfügungsanspruch“?

Der Antragsteller muss zunächst einen „Verfügungsanspruch“ glaubhaft machen. Nicht alle Ansprüche können im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemacht werden. Eine einstweilige Verfügung soll lediglich einen dringlichen Anspruch einstweilen sichern und keine endgültigen Tatsachen – wie ein rechtskräftiges Urteil – schaffen. Eine endgültige Entscheidung muss in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden. Aus diesem Grund können nur die folgenden Ansprüche Gegenstand eines einstweiligen Verfügungsverfahrens sein:

  • Unterlassungsanspruch (Hauptanwendungsbereich der einstweiligen Verfügung);
  • Beseitigungsanspruch, sofern dadurch keine endgültigen Verhältnisse geschaffen werden (Beispiel: Vernichtung von Werbematerial, die Löschung einer Firma im Handelsregister);
  • Unter Umständen auch Auskunfts- und Besichtigungsansprüche im Urheberrecht und im gewerblichen Rechtsschutz, z. B. bei offensichtlichen Rechtsverletzungen, zur Erlangung einer Urkunde oder zur Duldung der Besichtigung einer Sache, z. B. einer Software eines Konkurrenten bei dem dringenden Verdacht eines Quellcode-Klaus – vgl. im Einzelnen: § 101a Abs. 3 UrhG, § 19 Abs. 7 MarkenG, § 46 Abs. 7 DesignG, , § 140b Abs. 7 PatG, § 24b Abs. 7 GebrMG;
  • Unter strengen Voraussetzungen ist auch ein Widerrufsanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im einstweiligen Verfügungsverfahren möglich;
  • Ein Gegendarstellungsanspruch im Presserecht (Persönlichkeitsrechtsverletzungen) ist dagegen nur im Wege der einstweiligen Verfügung möglich;
  • Im Arbeitsrecht ist in Notlagen eines Arbeitnehmers auch ein Eilantrag auf Auszahlung des pfändungsfreien Teils des rückständigen Gehaltes gegen den Arbeitgeber möglich.

Folgende Ansprüche eignen sich dagegen nicht für ein einstweiliges Verfügungsverfahren:

  • Schadensersatzanspruch (Schadensersatz muss demnach immer in einem Hauptsachverfahren geltend gemacht werden).
  • Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung
  • Feststellungsanspruch

Was ist ein „Verfügungsgrund“?

Zudem muss ein „Verfügungsgrund“ glaubhaft gemacht werden. Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die Sache eilbedürftig ist und es dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, den Anspruch im ordentlichen Gerichtsverfahren geltend zu machen. Eilbedürftig ist die Sache nur dann, wenn der Antragsteller in seinem Antrag glaubhaft macht, dass ihm die Rechtsverletzung nicht länger als ein Monat (in einigen Gerichtsbezirken reichen auch bis zu 2 Monate) bekannt ist. Darüber hinaus muss glaubhaft gemacht werden, dass dem Antragsteller bei einer Fortsetzung der Rechtsverletzung erhebliche Schäden drohen – welche möglicherweise nach Abschluss eines rechtskräftigen Hauptsacheverfahrens – nicht wieder ausgeglichen werden können.

In Wettbewerbssachen wird der Verfügungsgrund (die Eilbedürftigkeit) gemäß § 12 Abs. 2 UWG wiederlegbar vermutet und muss daher in dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nicht glaubhaft gemacht werden. Ob § 12 Abs. 2 UWG entsprechend im Marken- und im Design- bzw. Geschmacksmusterrecht anzuwenden ist, ist unter den einzelnen Gerichtsbezirken umstritten. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte daher auch in Markensachen und bei der Verletzung von Design- bzw. Geschmacksmusterrechten der Verfügungsgrund glaubhaft gemacht werden.

Was bedeutet „Glaubhaftmachung“?

Eine Entscheidung im Eilverfahren zur Gewährung eines schnellen und effektiven Rechtsschutzes kann nicht von einer umfangreichen und möglicherweise langwierigen Beweisaufnahme abhängen. Daher sind die den Verfügungsanspruch begründenden Tatsachen sowie der Verfügungsgrund (also die Eilbedürftigkeit) im einstweiligen Verfügungsverfahren durch den Antragsteller nur „glaubhaft“ zu machen und nicht wie in einem Hauptsacheverfahren zu „beweisen“.

 „Glaubhaftmachung“ bedeutet, dass der Antragsteller nur einen geringeren Grad an Wahrscheinlichkeit als ein „Beweis“ in einem Hauptsachverfahren für die anspruchsbegründenden Tatsachen erbringen muss. Zur Glaubhaftmachung sind gemäß § 294 ZPO alle Beweismittel (Vorlage von Urkunden und Kopien, Parteigutachten, Zeugen) zugelassen, sowie zusätzlich auch eine „Versicherung an Eides statt“ des Antragstellers selber oder von Zeugen. Eine „Versicherung an Eides statt“ durch den Antragsteller selbst ist beispielsweise keine taugliches Beweismittel in einem Hauptsacheverfahren.

Um einen erfolgreichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen, müssen demnach die Tatsachen aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (Verfügungsanspruch) sowie die besondere Eilbedürftigkeit der Sache (Verfügungsgrund) dem Gericht gegenüber „glaubhaft“ gemacht werden. In Wettbewerbssachen wird der Verfügungsgrund (die Eilbedürftigkeit) wiederlegbar vermutet, was zur Folge hat, dass ein Verfügungsgrund in der Antragsschrift nicht dargelegt und glaubhaft gemacht werden muss.

Vollziehung der einstweiligen Verfügung gegenüber dem Antragsgegner:

Wird die einstweilige Verfügung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung erlassen, erfährt der Antragsgegner zunächst nichts von dem Antrag und dem Erlass der einstweiligen Verfügung durch das Gericht. Die einstweilige Verfügung wird dem Antragsgegner auch nicht durch das Gericht zugestellt. Vielmehr wird die einstweilige Verfügung nur dem Antragsteller zugestellt. Der Antragsteller wiederum muss die einstweilige Verfügung nun gegenüber dem Antragsgegner formell ordnungsgemäß „vollziehen“, damit die einstweilige Verfügung ihre Wirkung entfaltet.

Vollziehung bedeutet, dass die einstweilige Verfügung dem Antragsgegner innerhalb eines Monats im Parteibetrieb durch den Antragsteller wirksam zuzustellen ist (vgl. §§ 922 Abs. 2, 929 Abs. 2 ZPO). Die Monatsfrist ist zwingend zu beachten und beginnt mit der Zustellung der Entscheidung an den Antragsteller zu laufen, sofern die einstweilige Verfügung durch Beschluss (also ohne mündliche Verhandlung) erlassen wurde.

Die Zustellung der einstweiligen Verfügung erfolgt in aller Regel durch einen Gerichtsvollzieher oder – sofern beide Parteien anwaltlich vertreten sind – durch Zustellung der Entscheidung von Anwalt zu Anwalt. Zu beachten ist, dass möglichst eine „Ausfertigung“, mindestens aber eine „ordnungsgemäß beglaubigte Kopie“ der einstweiligen Verfügung dem Gegner zugestellt werden muss. Eine Kopie der einstweiligen Verfügung reicht nicht aus. Ordnet das Gericht in der einstweiligen Verfügung an, dass Anlagen ebenfalls zugestellt werden müssen, ist auch hierauf zu achten. Wird die einstweilige Verfügung dem Antragsgegner nicht binnen Monatsfrist wirksam zugestellt, entfaltet sie keine Wirkung und ist auf Antrag aufzuheben. Ein Neuantrag ist dann aufgrund der dann fehlenden Eilbedürftigkeit nicht mehr möglich und der Antragsteller bleibt auf den Kosten des Verfügungsverfahrens sitzen.

Eine fehlerhafte Zustellung kann daher äußerst negative Konsequenzen nach sich ziehen, weshalb besonderes Augenmerk auf die korrekte Vollziehung der einstweiligen Verfügung gelegt werden muss.

Umgekehrt ist es aus Sicht des Antragsgegners bei der Zustellung einer einstweiligen Verfügung immer sinnvoll, eine wirksame Zustellung zu überprüfen. Nicht selten passieren formelle Fehler bei der Zustellung einer einstweiligen Verfügung, was letztlich zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung führen kann.

Welche Pflichten und Reaktionsmöglichkeiten bestehen nach ordnungsgemäßer Vollziehung für den Antragsgegner?

Einzelheiten zu den Pflichten und den verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten des Antragsgegners bei Erhalt einer einstweiligen Verfügung können Sie unserem Rechtstipp „Einstweilige Verfügung – Pflichten und Reaktionsmöglichkeiten des Antragsgegners“ entnehmen.

Weitere Informationen über einstweilige Verfügungen: 

Weitere Informationen über einstweilige Verfügungen können Sie unserem Rechtstipp „Einstweilige Verfügung – Häufig gestellte Fragen“ entnehmen.

Unsere Leistungen:

Gerne stehen wir Ihnen für die Beantragung oder die Abwehr einer einstweiligen Verfügung in den Bereichen IT- und Internetrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Marken- und Kennzeichenrecht, Designrecht, Medienrecht und Arbeitsrecht zur Verfügung. Rufen Sie uns an oder senden Sie eine E-Mail. Wir unterbreiten Ihnen einen Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise. Ein kostenpflichtiges Mandat entsteht erst, wenn Sie uns im Anschluss mit der weiteren Bearbeitung der Angelegenheit beauftragen. 



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