Erhöhung der Heimkosten: Weder Zahlung noch Verzicht auf Kündigung ersetzen die Zustimmung

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Das Oberlandesgericht Dresden hat am 02.08.2022 (Az.: 4 U 143/22) geklärt, dass eine Entgelterhöhung durch den Heimträger im Bereich der Pflege die ausdrückliche oder konkludente Zustimmung der Bewohnerinnen und Bewohner erfordert, wobei das bloße Verstreichenlassen der Kündigungsfrist oder die Duldung der Abbuchung des erhöhten Entgelts nicht automatisch als Zustimmung gilt. Nach § 9 I Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) kann eine Entgelterhöhung verlangt werden, sofern sich die Berechnungsgrundlage ändert, bedarf jedoch der Zustimmung der Bewohnenden. Expliziter Widerspruch gegen die Erhöhung oder Zustimmung nur zu Teilen der Erhöhung führen nicht zu einer generellen Annahme der Kostensteigerung. Bei Ausbleiben einer Zustimmung kann der Heimträger rechtliche Schritte einleiten, um die Zustimmung einzuklagen, wobei mit Rechtskraft des Urteils die Zustimmung als erteilt gilt und die neuen Entgelte rückwirkend geschuldet werden. Diese Präzisierung stärkt die Vertragsautonomie der Bewohnerinnen und Bewohner und betont, dass alleiniges Schweigen oder die Nichtnutzung des Sonderkündigungsrechts nicht als Zustimmung zur Entgeltanpassung interpretiert werden darf.

Erhöht der Heimträger das monatliche Entgelt für die Unterkunft, die Verpflegung und/oder den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil so müssen die Bewohnerinnen und Bewohner zustimmen. Das OLG Dresden hat mit der Entscheidung vom 02.08.2022 (Az.: 4 U 143/22) klargestellt, dass ein Verstreichenlassen der Kündigungsfrist und eine Zahlung des erhöhten Entgelts nicht in jedem Fall als Zustimmung zu werten sind. Ein Nachtrag zum Wohn- und Betreuungsvertrag schafft hier für beide Seiten Klarheit und vermeidet im Zweifel ein Klageverfahren.


Zustimmung durch die Bewohnerinnen und Bewohner

Nach § 9 I Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG), kann der Heimträger eine Kostenerhöhung verlangen, wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage verändert. Die Entgelterhöhung des Heimträgers bedarf bei Änderung der Berechnungsgrundlage zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Bewohnerinnen/Bewohner (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - III ZR 279/15). Der Heimträger kann den Preis also nur mit Hilfe einer Vereinbarung mit den betroffenen Bewohnerinnen und Bewohnern (nach § 311 I BGB) anpassen.

Wird die Zustimmung nicht erklärt, muss der Heimträger auf Zustimmung klagen. Erst mit rechtskräftigem Urteil wird die fehlende Zustimmungserklärung dann als gegeben angesehen (vgl. § 894 ZPO).


Verstreichenlassen der Kündigungsfrist ist keine Zustimmung zur Kostenerhöhung

Die Zustimmungserklärung durch die Bewohnerinnen und Bewohner kann ausdrücklich erteilt werden, aber auch konkludent, also durch ein Verhalten, welches die Zustimmung impliziert.

Eine solche konkludente Zustimmung, kann aber nicht im Verstreichenlassen der Kündigungsfrist gesehen werden. Den Heimbewohnerinnen und -bewohnern steht nach Entgelterhöhung ein Sonderkündigungsrecht zu (vgl. § 11 I 2 WBVG). Eine Zustimmungs- oder Wirksamkeitsfiktion für die Entgelterhöhung ist in diesem Zusammenhang aber gerade nicht geregelt. Zwar wird die Entgelterhöhung danach bei Gebrauch des Kündigungsrecht nicht wirksam. Es kann daraus aber gerade nicht der Schluss gezogen werden, dass bei Nichtgebrauch des Kündigungsrecht die Entgelterhöhung als wirksam gilt. Dies würde zu stark in die Vertragsautonomie der Bewohnerinnen und Bewohner eingreifen und dem rechtlichen Grundsatz, dass Schweigen keinen Erklärungswert hat, zuwiderlaufen.


Duldung der Abbuchung des erhöhten Betrags als Zustimmung

Wie das LG Köln in seiner Entscheidung vom 13.05.2022 (Az.: 15 O 350/21) feststellte, kann selbst die Duldung der Abbuchung des erhöhten Entgelts nicht ohne weiteres als konkludente Zustimmung zur Entgelterhöhung gewertet werden.

Insbesondere wenn die Bewohnerin oder der Bewohner zuvor ausdrücklich der Erhöhung widersprochen hat und diesen Widerspruch auch nach Zahlung des erhöhten Betrages noch einmal wiederholt ist eine Zustimmung nicht gegeben.


Teilweise Zustimmung zur Preiserhöhung ist keine Gesamtzustimmung

Lehnt der Heimbewohner die Preiserhöhung nur in Teilen ab bzw. stimmt nur in Teilen zu, ist auch darin keine Gesamtzustimmung zu sehen. Vielmehr wird dem Heimträger damit nur ein neues Angebot gemacht, sich auf einen anderen Preis zu einigen (vgl. § 150 II BGB). Bleibt die Zustimmung zu einer konkreten Entgelterhöhung durch die Bewohnerinnen/Bewohner aus, muss der Heimträger also erneut ein Erhöhungsverlangen stellen und ggf. auf Zustimmung klagen.


Urteil kann Zustimmung der Bewohner ersetzen

Hat der Heimträger tatsächlich einen Anspruch auf die erhöhte Entgeltforderung kann er die Zustimmung der Bewohnerinnen und Bewohner einklagen.

Der Anspruch besteht, wenn die Kostenerhöhung weiterhin als angemessene Leistung für die erbrachten Leistungen erscheint und die formellen Anforderungen erfüllt sind, insbesondere eine Begründung für die Erhöhung beigefügt ist (vgl. §§ 7, 9 WBVG).

Mit Rechtkraft des Urteils, durch das die Bewohnerinnen und Bewohner zur Zustimmung verpflichtet werden, gilt die Zustimmungserklärung nach § 894 ZPO als abgegeben, d.h. die Entgelterhöhung wird angenommen und die Bewohnerinnen und Bewohner sind zur Zahlung des erhöhten Beitrags verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2011 - VIII ZR 204/10 -, Rn. 8). Die Verpflichtung greift auch rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens durch den Heimträger.


Kontaktieren Sie mich, Rechtsanwalt Markus Karpinski, Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Sozialrecht von der Kanzlei für Pflegerecht in Lüdinghausen unter 0 25 91 – 20 88 58 und Dortmund unter  02 31 - 22 25 568.



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