Fehlerhafter Versorgungsausgleich

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Bei Ihrer Scheidung wird im Regelfall der Versorgungsausgleich durchgeführt. Dazu prüft das Familiengericht, welche Altersvorsorgeansprüche, also Anwartschaften für Rente, die Ehepartner während der Ehezeit erworben haben. Die Differenz wird unter beiden aufgeteilt und soll so den Lebensunterhalt im Alter sichern, auch wenn ein Ehepartner während der Ehe seinen Beruf aufgegeben oder ihm nur noch in Teilzeit nachgegangen ist. Fällt eine falsche Berechnung oder ein Widerspruch noch vor Rechtskraft des Gerichtsbeschlusses auf, können Sie noch im Verfahren tätig werden. Geht es um eine nachträgliche Abänderung, ist dies nur in wenigen Fällen noch möglich.  

Wie kommt es zu Fehlern beim Versorgungsausgleich?

Ein fehlerhafter Versorgungsausgleich kann seinen Grund darin haben, dass der Rentenversicherungsträger nicht immer sämtliche versicherungsrelevanten Zeiten erfasst hat. Nicht gemeldete Zeiten beruhen meist auf Unkenntnis oder Desinformation, manchmal aber auch auf Gleichgültigkeit. Durch unvollständige oder wahrheitswidrige Mitteilungen an der Rentenversicherungsträger kann es zu Fehlern kommen.

Ferner kann der Versicherungsträger die Ansprüche fehlerhaft berechnen, so dass das Familiengericht von falschen Voraussetzungen ausgeht. Auch dem Familiengericht selbst können Berechnungsfehler oder Fehleinschätzungen unterlaufen. Es ist daher eine gute Empfehlung, wenn Ihr Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin das Versorgungsausgleichsverfahren mit kritischem Blick begleitet. Da der Versorgungsausgleich im Nachhinein nur mit Schwierigkeiten und oft überhaupt nicht mehr abänderbar ist, ist es gut, wenn eventuelle Fehler frühzeitig festgestellt und korrigiert werden.

Was ist, wenn beim Versorgungsausgleich falsche Angaben im Fragebogen gemacht wurden?

Sollte das Familiengericht über Ihren Scheidungsantrag beschließen, erhalten Sie vorab einen Fragebogen zur Durchführung des Versorgungsausgleichs. Darin müssen Sie Ihre Rentenanwartschaften bezeichnen. Fehlerhafte, falsche oder unvollständige Angaben führen dazu, dass der Versorgungsausgleich fehlerhaft durchgeführt wird.

Kann man den Versorgungausgleich neu berechnen lassen?

Bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs berücksichtigte das Familiengericht nur Anwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung. Andere Anwartschaften hatten die Ehepartner im Fragebogen für das Gericht nicht benannt. Nachträglich stellte sich heraus, dass der Ehemann in der Ehezeit ein von ihm nicht bezeichnetes Anrecht bei der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben hatte. Die ausgleichsberechtigte Ehefrau strebte die Korrektur der ursprünglichen Entscheidung an und beantragte, dass auch hinsichtlich dieses Anrechts ein Ausgleich zu Ihren Gunsten erfolgt. Der Bundesgerichtshof wies die Klage der Frau in letzter Instanz ab (BGH, Beschluss vom 24.7.2013, Az. XII ZB 340/11). Grundlage der Entscheidung war die Interpretation des § 51 VersAusglG. Danach eröffnen

  • bloße Rechen- oder Rechtsanwendungsfehler
  • sowie übersehene,
  • vergessene
  • oder verschwiegene Anrechte

nicht die Möglichkeit, den Beschluss des Familiengerichts zur Durchführung des Versorgungsausgleichs nachträglich abzuändern oder zu korrigieren.

Der Bundesgerichtshof hat mehrfach entschieden (u.a. Beschluss vom 24.7.2013, Az. XII ZB 340/11; Beschluss vom 25.6.2014, Az. XII ZB 410/12), dass § 51 VersAusglG die nachträgliche Einbeziehung von in der Ausgangsentscheidung des Familiengerichts zum Versorgungsausgleich vergessenen oder verschwiegenen Anrechte nicht erlaubt. Die Vorschrift hat die zuvor bestehende Vorschrift des § 10a VAHRG (Versorgungsausgleichs-Härteregelungsgesetz) abgelöst und die bis dahin bestehenden Abänderungsmöglichkeiten bei Fehlern erheblich eingeschränkt.

Nach dem Wortlaut des § 51 VersAusglG sind jetzt nur noch diejenigen Anrechte zu berücksichtigen, die auch in der Ausgangsentscheidung nach altem Recht in die Ausgleichsbilanz einbezogen wurden. Im Ausgangsverfahren unberücksichtigt gebliebene Anrechte können hingegen nicht in die Abänderungsentscheidung eingezogen werden.

Grund für die neue Regelung in § 51 VersAusglG ist, dass die vermögensrechtliche Auseinandersetzung bei der Scheidung möglichst umfassend und abschließend im zeitlichen Zusammenhang mit der Scheidung geregelt werden soll. Es stehe dem Gesetzgeber frei, den Grundsatz der Rechtssicherheit vor den Grundsatz einer absoluten Fehlerkorrektur zu stellen.

§ 51 VersAusglG erlaubt die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Versorgungsausgleich daher nur noch, wenn eine wesentliche Wertänderung eines in die Ausgangsentscheidung einbezogenen Anrechts aufgrund von rechtlichen oder tatsächlichen Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit vorliegt.

Abänderung des Versorgungsausgleichs nach altem Recht

Der Gesetzgeber habe sich bewusst entschieden, die bis 31.8.2009 in weitem Umfang bestehenden Anwendungsmöglichkeiten nach altem Recht einzuschränken. Nach altem Recht war eine Abänderung formell und materiell rechtskräftiger Entscheidungen nicht nur bei nachträglichen und unvorhersehbaren Veränderungen der Anrechte möglich. Vielmehr genügte es, dass bloße Fehler der Ausgangsentscheidung, wie

  • Rechen- und Methodenfehler,
  • ungenügende Berechnungsgrundlagen,
  • eine fehlerhafte Bestimmung der Ehezeit
  • oder unrichtige Auskünfte der Versorgungsträger,

Anlass waren, auch einen rechtskräftigen Beschluss des Familiengerichts zur Durchführung des Versorgungsausgleichs nachträglich zu korrigieren. Nach dem neuen Recht des § 51 VersAusglG sind derartige Korrekturmöglichkeiten ausgeschlossen.

Wo kann ich den Versorgungsausgleich prüfen lassen?

Für die Durchführung des Versorgungsausgleichs sind ausschließlich die Gerichte verantwortlich. Nicht zuständig ist der Rentenversicherungsträger. Er entscheidet nicht darüber, welchem Ehepartner aus Anlass der Scheidung welche Rentenanwartschaften zustehen. Hat also das Familiengericht eine rechtskräftige Entscheidung getroffen, kann man den Versorgungsausgleich im Regelfall nicht neu berechnen lassen.

Versorgungausgleich falsch berechnet - Korrektur vor Rechtskraft des Gerichtsbeschlusses

Sollten dem Familiengericht Fehler unterlaufen, besteht im laufenden Verfahren bis zur Beschlussfassung des Familiengerichts immer die Möglichkeit, den Fehler zu beanstanden und auf eine Korrektur hinzuwirken.

Hat das Familiengericht über die Durchführung des Versorgungsausgleichs einen Beschluss gefasst, wird der Beschluss erst rechtskräftig, wenn Sie auf Rechtsmittel ausdrücklich verzichten oder keine Rechtsmittel dagegen einlegen. Stellen Sie nach der Beschlussfassung fest, dass der Versorgungsausgleich fehlerhaft ist, können Sie, solange der Beschluss noch nicht unanfechtbar und damit noch nicht rechtskräftig ist, Beschwerde einlegen. Einen Widerspruch gegen den Versorgungsausgleich gibt es nicht.

Wann kann ein Versorgungsausgleich rückgängig gemacht werden?

Verstirbt ein geschiedener Ehepartner, kann der Versorgungsausgleich nachträglich ausnahmsweise geändert werden. Der ausgleichspflichtige Ex-Partner, der im Versorgungsausgleichsverfahren Ansprüche an den anderen abgetreten hatte, kann einen Rückausgleich beantragen. Um die Überprüfung zu veranlassen, reicht ein formloses Schreiben unter Angabe der eigenen Versicherungsnummer und der Versicherungsnummer des verstorbenen Ex-Partners an den Rentenversicherungsträger.

Voraussetzung ist, dass der verstorbene Ex-Partner nicht mehr als 36 Monate Rente erhalten hat. Auf Ihren Antrag hin wird die Rente angepasst und ab dem Monat des Antrags wieder ohne die Kürzung des Versorgungsausgleichs gezahlt. Eine Rückzahlung älterer Ansprüche erfolgt nicht. Sie sollten also umgehend handeln, wenn Sie Kenntnis vom Ableben Ihres Ex-Partners erhalten.

Fehlerhafte Auskunft vom Rentenversicherungsträger – wer zahlt?

Das Familiengericht schreibt nach Maßgabe Ihrer Angaben im Fragebogen zur Durchführung des Versorgungsausgleichs den Rentenversicherungsträger an und bittet um Auskunft über Ihre Rentenanwartschaften. Mit der Auskunft, die ein Rentenversicherungsträger zum Versorgungsausgleich erteilt, erfüllt er zugleich eine ihm gegenüber dem Versicherten und seinem Ehepartner obliegende Amtspflicht. Kommt es aufgrund einer fehlerhaften Auskunft zu einer fehlerhaften Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich, steht der Rentenversicherungsträger trotzdem in der Verantwortung, auch wenn erst die gerichtliche Entscheidung zum Schaden des betroffenen Ehepartners führt.

Wurden aufgrund einer fehlerhaften Auskunft für den Ausgleichsberechtigten zu geringe Anwartschaften übertragen oder begründet, muss der Rentenversicherungsträger den Ehepartner so stellen, wie er bei einer zutreffenden Entscheidung des Familiengerichts stehen würde. Der Rentenversicherungsträger steht in einer Amtshaftung (BGH, Urteil vom 9.10.1997, Az. III ZR 4/97).

Tipp: Veranlassen Sie eine Kontenklärung

Ihr vollständiges und aktuelles Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung ist die Grundlage für eine zutreffende Rentenauskunft und Renteninformation. Ihr Versicherungskonto sollte alle rentenrechtlich relevanten Zeiten wie beispielsweise

  • Beitrags-,
  • Schul-,
  • Arbeitslosigkeits-,
  • Krankheits-
  • und Kindererziehungszeiten

erfasst haben. Nur dann kann im Leistungsfall Ihre Rente in der richtigen Höhe berechnet werden. Die Aktualisierung sollten Sie nicht umgehen, um zu verhindern, dass Ihr ausgleichsberechtigter Ehepartner von Ihren Rentenanwartschaften aus Anlass der Scheidung profitiert. Sie benachteiligen sich dadurch nämlich selbst: Sind in Ihrem Rentenkonto nicht sämtliche rentenrechtlich relevanten Zeiten erfasst, bekommen Sie selbst weniger Rente.

Auch wenn Sie Ihrem Ehepartner wegen des Versorgungsausgleichs Ansprüche abtreten müssen, sollten Sie daran interessiert sein, Ihre eigenen Rentenansprüche optimal zu gestalten. Sie erhalten jederzeit Auskunft über den Stand Ihres Versicherungskonto. Sind Sie älter als 55 Jahre, erhalten Sie ohnehin alle drei Jahre anstelle der Renteninformation die ausführlichere Rentenauskunft. Da Ihr zuständiger Rentenversicherungsträger nicht alle Einzelheiten Ihrer Versicherungsbiografie kennt, kann eine Kontenklärung notwendig sein, um alle Ihre rentenrechtlich relevanten Zeiten zu erfassen.

Fazit

Um Ihr Rentenversicherungskonto zu prüfen, sollten Sie eine Kontenklärung veranlassen. Nehmen Sie dazu Kontakt mit Ihren Rentenversicherungsträger auf. Vorab können Sie auch Ihren Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin, die Sie im Scheidungsverfahren vertritt, kontaktieren und bitten, Ihnen bei der Kontenklärung behilflich zu sein.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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