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Filesharing-Abmahnung: Müssen Familienangehörige verpetzt werden?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Heutzutage findet man mit ein bisschen Suche fast alles im Internet. Gerade Film- und Musikfreunde kommen hier voll auf ihre Kosten – können sie doch ganz bequem über Tauschbörsen den neuesten Blockbuster oder das neueste Album ihrer Lieblingsband downloaden. Auf einer solchen Filesharing-Plattform werden jedoch die heruntergeladenen Dateien zeitgleich anderen Nutzern der Website zum Download angeboten, wodurch Urheberrechte verletzt werden können. Wer dabei erwischt wird, muss mit Abmahnungen durch die Rechteinhaber des Films, der TV-Serie oder des Musikstücks rechnen.

War der Täter aber nicht der abgemahnte Inhaber des Internetanschlusses, sondern ein Familienangehöriger, stellt sich die Frage, ob dessen Identität gegenüber dem Rechteinhaber preisgegeben werden muss. Zu diesem Thema hat heute der BGH ein Urteil gefällt.

Eltern kennen den Schuldigen

Ein Ehepaar lebte mit seinen drei volljährigen Kindern unter einem Dach. Eines Abends wurde über den Internetanschluss des Ehepaars das Album „Loud“ von Rihanna über eine Tauschbörse heruntergeladen und zeitgleich zum Download angeboten.

Die Rechteinhaber – die Tonträgerhersteller – sahen darin ihre Verwertungsrechte verletzt und mahnten die Eheleute ab. Nun gab eines der Kinder den Tausch zu. Das Ehepaar gab zwar die gewünschte Unterlassungserklärung ab, lehnte aber die Zahlung von Schadenersatz und Anwaltskosten ab. Schließlich hätten sie als Anschlussinhaber das Album nicht selbst zum Download angeboten. Ferner seien ihre Kinder volljährig – anlasslose Belehrungs- oder Prüfpflichten gebe es somit nicht.

Der Streit der Parteien endete vor Gericht. Dort wiesen die Eheleute darauf hin, dass sie nicht bereit und auch nicht verpflichtet seien, den Namen ihres Kindes zu nennen, das die Rechtsverletzung tatsächlich begangen hatte.

Filesharing: Wer ist der Täter?

Um bei Urheberrechtsverletzungen im Internet den Täter zu finden, können die Rechteinhaber zunächst nur eines tun: den Inhaber des Internetanschlusses finden, über den die Rechtsverletzung begangen wurde. Das bedeutet aber noch nicht, dass er auch automatisch als Schuldiger anzusehen ist. Vielmehr muss ihm die Möglichkeit gegeben werden, nachzuweisen, dass nicht er der Täter war bzw. dass er entsprechenden Belehrungs- bzw. Prüfpflichten nachgekommen ist. So hat er z. B. darzulegen, ob der Anschluss ausreichend gesichert war oder ob und wer außer ihm den Anschluss noch nutzen durfte. In gewissem Maße muss der Anschlussinhaber also im Rahmen des Zumutbaren nachforschen, wer als Täter in Betracht kommt.

Bereits am 06.10.2016 entschied der BGH jedoch, dass derartige Nachforschungspflichten entfallen können, wenn Familienangehörige des Anschlussinhabers als Täter in Betracht kommen. Denn die Ehe und die Familie sind grundrechtlich nach Art. 6 Grundgesetz (GG) besonders geschützt. Der Anschlussinhaber kann deshalb z. B. nicht dazu gezwungen werden, den Rechner eines Familienangehörigen (Ehepartner oder Kind) zu durchsuchen, um zu klären, ob dieser die Rechtsverletzung tatsächlich begangen hat. Das ungestörte eheliche bzw. familiäre Zusammenleben wäre nämlich immens beeinträchtigt, wenn der Anschlussinhaber daraufhin verpflichtet wäre, seine Familienangehörigen zu verraten und sie bewusst den zivil- oder strafrechtlichen Folgen ihres Filesharings auszusetzen (BGH, Urteil v. 06.10.2016, Az.: I ZR 154/15).

Müssen Eltern ihre Kinder verraten?

Der aktuelle Fall vor dem BGH weist jedoch eine Besonderheit auf: Hier wussten die Eltern genau, welches Kind das Album „Loud“ von Rihanna auf der Tauschbörse zum Download angeboten hat. Sie mussten also gar nicht mehr herausfinden, wer der wahre Täter ist. Um aber ihr Kind davor zu schützen, nun selbst vom Rechteinhaber angeschrieben und eventuell verklagt zu werden, verweigerten sie die Preisgabe seiner Identität.

Der BGH entschied, dass die Eltern den Namen des Kindes hätten nennen müssen, um eine eigene Verurteilung zu verhindern. Zwar ist aufseiten der Familie insbesondere Art. 6 GG zu berücksichtigen – dagegen können sich die Rechteinhaber unter anderem auf das Recht auf geistiges Eigentum berufen. Nach Ansicht des BGH ist daher abzuwägen: Ist der wahre Täter unbekannt, kann nicht verlangt werden, dass der Anschlussinhaber sich Zugang zum Rechner des Ehepartners oder Kindes verschaffen und dort z. B. nach einer Filesharing-Software suchen muss. Weiß der Anschlussinhaber dagegen genau, wer die Urheberrechtsverletzung begangen hat, muss er den Namen auch nennen, um keine eigene Verurteilung zu riskieren.

Weil die Eltern bis zuletzt verschwiegen hatten, welches Kind die Urheberrechtsverletzung begangen hat, mussten sie Schadenersatz in Höhe von 2500 Euro sowie Abmahnkosten in Höhe von 1.044,40 € zahlen.

(BGH, Urteil v. 30.03.2017, Az.: I ZR 19/16)

(VOI)

Foto(s): Fotolia.com

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