Gegnerische Haftpflichtversicherung kann keine Schweigepflichtentbindungserklärung nach Unfall fordern

  • 3 Minuten Lesezeit

Das OLG Düsseldorf hatte sich in zweiter Instanz mit der Frage zu beschäftigen, ob ein durch einen Verkehrsunfall Verletzter verpflichtet ist, seine Krankenversicherung von der Schweigepflicht zu entbinden, damit diese gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung über Vorerkrankungen Auskunft geben darf. Dies hat das OLG Düsseldorf im Ergebnis klar verneint und zwar mit einer (überzeugenden) Begründung, die sich sämtliche mit der Unfallschadenregulierung betrauten Haftpflichtversicherter „hinter die Ohren schreiben“ sollten.

Das OLG hat zunächst im Sinne der beklagten Haftpflichtversicherung zugestimmt, dass es eine Krankenvorgeschichte der Klägerin gibt, und dass die damit in Zusammenhang stehenden Einzelheiten zwangsläufig dem Wissen der Beklagten entzogen sind, weil sie die Privatsphäre der Klägerin betreffen. Auch stehe außer Frage, dass im Rahmen der Kausalitätsprüfung die Frage von Bedeutung ist, ob sich eine Vorerkrankung des Anspruchstellers physischer oder psychischer Art kausal oder zumindest mitursächlich für die Entstehung einer körperlichen oder gesundheitlichen Beeinträchtigung ausgewirkt hat. Auch sei zutreffend, dass die Unterlagen einer Krankenversicherung aus naheliegenden Gründen am besten geeignet sind, über die Krankenvorgeschichte eines Unfallopfers Auskunft zu geben.

Sodann führt das OLG wörtlich aus: „Davon zu trennen ist aber die Frage, ob ein Unfallopfer aus prozessualen oder materiell-rechtlichen Gründen verpflichtet ist, insbesondere durch eine Schweigepflichtentbindungserklärung seinen Beitrag dazu zu leisten, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung in den Besitz des Vorerkrankungsverzeichnisses gelangt oder dass dieses zumindest in den Rechtsstreit zu dem Zweck eingeführt wird, der Gegenseite eine fundierte und gegebenenfalls beweiskräftige Stellungnahme zu einer Kausalitätsproblematik im Hinblick auf gesundheitliche Vorschäden zu ermöglichen. Diese Fragestellung ist zu Lasten der Beklagten zu verneinen.“

Zu Recht habe die Krankenversicherung daher ihre Auskunft von der Voraussetzung abhängig gemacht, dass die Klägerin eine Befreiung von der Schweigepflicht erklärt, da nach § 383 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO Personen, deren Amts- oder Berufsausübung die schutzwürdige Vertrauenssphäre Dritter berührt, ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen haben. Zu den in diesem Sinne zeugnisverweigerungsberechtigten Personen zählen u.a. Bedienstete von Krankenkassen (Zöller/Greger, Kommentar zur ZPO, 30. Aufl., § 383, Rdnr. 18; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 71. Aufl., § 383, Rdnr. 16).

Das OLG weist im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweisnot der Haftpflichtversicherung auf die ständige Rechtsprechung des BGH zur sekundären Darlegungslast hin. Diese besteht nämlich in solchen Fällen, in welchen der Darlegungspflichtige außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, der Gegner aber alle wesentlichen Tatsachen kennt, dessen einfaches Bestreiten prozessual nicht ausreichend, sofern ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. BGH NJW-RR 2004, 989; Rdnr. 16, juris; BGHZ 86, 23, 29 sowie BGHZ 140, 156, 158). Kommt eine Partei dieser Darlegungslast nach, genügt dies. Hieraus kann aber keine Verpflichtung zur Abgabe einer Schweigepflichtentbindungserklärung abgeleitet werden.

Das OLG weist die beklagte Haftpflichtversicherung auch in klaren Worten auf Ihren Irrtum hin: „Die Beklagte ist mit aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass sie einem grundlegenden Irrtum über Art und Ausmaß der Mitwirkungspflicht der Klägerin an der Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes unterliegt. Sie ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gehalten, der Beklagten die für den angestrebten Prozesssieg benötigten Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Ebenso wenig hätte das Landgericht im Wege einer Anordnung gemäß § 142 ZPO darauf hinwirken müssen, dass die Klägerin durch eine Befreiung ihrer privaten Krankenkasse von deren Schweigebefugnis dafür Sorge trug, dass das streitige Vorerkrankungsverzeichnis in den Rechtsstreit eingeführt werden konnte.“

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.03.2013 – I-1 U 115/12)



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Joachim Thiele

Beiträge zum Thema