Gegnerische Haftpflichtversicherung muss nach Verkehrsunfall auch unnötige Reparaturkosten tragen

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Gibt ein durch einen Verkehrsunfall Geschädigter sein Auto zur Reparatur in eine KFZ-Werkstatt und ist hierbei kein Auswahlverschulden vorhanden und sind sodann insbesondere für einen technischen Laien Mehraufwendungen für eine eigentlich nicht notwendige Reparatur nicht zu erkennen, kann die gegnerische Haftpflichtversicherung diese nicht in Abzug bringen.

Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht Neuss sich mit der Frage befassen müssen, ob die Haftpflichtversicherung zu Recht Teile der Reparaturkostenrechnung nicht akzeptiert und die entsprechenden Beträge in Abzug gebracht hat. Der nach einem Verkehrsunfall Geschädigte hatte hier sein Fahrzeug in eine Fachwerkstatt gebracht und dort reparieren lassen. Die gegnerische Haftpflichtversicherung monierte sodann in der Rechnung, dass Position im Wert von 372,13 € nicht zwingend zum Wiederherstellen des ordnungsgemäßen Zustandes erforderlich gewesen wären. Die Reparaturkosten insgesamt lagen bei 4.289, 85 €.

Das Gericht war dabei zutreffend der Auffassung, dass dieser Abzug nicht gerechtfertigt war, da für den Geschädigten nicht erkennbar war, dass diese Aufwendungen nicht erforderlich waren.

Das Amtsgericht Neuss hat – wie zuvor bereits das AG Düsseldorf – mit seiner Entscheidung die ständige Besprechung des Bundesgerichtshofes zum „Werkstatt- und Prognoserisiko“ auf den konkreten Fall übertragen.

Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1BGB kann der Geschädigte den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Erforderlich sind dabei nur Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 249 Rn12, m.w.Nw). Dem Geschädigten seien in diesem Rahmen auch Mehrkosten zu ersetzen, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. Der Schädiger trägt dabei das sogenannte „Werkstatt- und Prognoserisiko“, falls den Geschädigte nicht hinsichtlich der gewählten Werkstatt ein Auswahlverschulden trifft (vgl. BGH, in NJW 1992, S. 302, 304). Würde der Schädiger nämlich die Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB selbst vornehmen, so treffe ihn gleichfalls das Werkstattrisiko. Allein die Ausübung der Ersetzungsbefugnis durch den Geschädigten kann daher nicht zu einer anderen Risikoverteilung führen.

Zu den in den Verantwortungsbereich des Schädigers fallenden Mehrkosten gehören auch Kosten für unnötige Zusatzarbeiten, welche durch die Werkstatt ausgeführt wurden.

Vor dem Hintergrund, dass die hier im Raum stehenden Mehraufwendungen auch nur etwa 9 % der gesamten Reparaturkostenrechnung betragen, liegen auch keine – grob übersetzt – Mehrkosten vor, welche der Haftpflichtversicherung dann nicht mehr zuzurechnen wären. Das Amtsgericht Norderstedt hatte mit Urteil vom 14.9.2012 schon Mehrkosten von 15 % als noch dem Schädiger zurechenbar erachtet (AG Norderstedt, Urteil vom 14.09.2012 – 44 C 164/12). Ohnehin darf es keine starre prozentuale Regelung geben, da es jeweils auf den Einzelfall ankommt.

Damit ist ein weiteres Amtsgericht der zunehmenden Regulierungspraxis diverse Haftpflichtversicherungen entgegengetreten. Vergleichbar haben – teils für andere Kostenpositionen – entschieden:

AG Düsseldorf, Urteil vom 37 C 11789/11;
AG Norderstedt, Urteil vom 14.09.2012 – 44 C 164/12;
LG Hamburg Urteil vom 04.06.2013 – 302 O 92/11;
OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995 – 9 U 168/94.

Die Haftpflichtversicherungen gehen zunehmend dazu über, Ansprüche der Geschädigten nach einem Verkehrsunfall auch bei Vorlage einer ordnungsgemäßen Reparaturrechnung eines Fachbetriebes zu überprüfen und sodann in erheblichen Umfang zu kürzen. Dabei übersenden die Haftpflichtversicherung die Reparaturrechnungen an oft hauseigene Sachverständige, die daraufhin massenhaft kürzen. Vermutlich werden diese Rechtsstreitigkeiten zukünftig aufgrund des von Regulierungsunwillen getragenen Verhaltens der Haftpflichtversicherungen zunehmen.

Sie sollten sich daher nach einem Verkehrsunfall als Geschädigter an einen der im Verkehrsrecht tätigen und entsprechend versierten Rechtsanwalt der Kanzlei WTB Rechtsanwälte wenden.

(AG Neuss, Urteil vom 09.08.2016 – 77 C 1425/16, nachzulesen in DAR 2016, 589)



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