Geschwindigkeitsbeschränkung – Wie nah darf der Blitzer stehen?

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In sämtlichen Bundesländern existieren interne Richtlinien für die Durchführung der Geschwindigkeitsüberwachung. Dabei handelt es sich zwar um rein verwaltungsinterne Vorgaben ohne Außenwirkung. Allerdings können sich diese Regelungen vor dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) für den Bürger rechtsbildend auswirken. So kann im Einzelfall von einem Fahrverbot abzusehen oder sogar eine Einstellung des Verfahrens geboten sein, wenn sich die Verwaltungsbehörde ohne sachliche Gründe über diese Vorgaben hinweggesetzt hat.

Die Richtlinien der meisten Bundesländer sehen die Einhaltung eines bestimmten Mindestabstands der Geschwindigkeitsmessung zu dem Verkehrsschild vor, das die Geschwindigkeit beschränkt. So sollen gefährliche Gewaltbremsungen im Bereich dieser Verkehrsschilder verhindert werden. Nur in Ausnahmesituationen, wie an Gefahrenstellen oder nach Geschwindigkeitstrichtern, kann von dieser Vorgabe abgewichen werden.

Eine von Sobisch in DAR 1/2010 veröffentlichte Auswertung aktueller Richtlinien der Bundesländer ergibt hinsichtlich des vorgeschriebenen Messabstands folgendes Bild:

  • Baden-Württemberg: Grundsätzlich 150 m
  • Bayern: Grundsätzlich 200 m
  • Berlin: Grds. 75 m zu geschwindigkeitsverändernden Zeichen und 150 m zu Ortstafeln
  • Brandenburg: 150 m
  • Bremen: 150 m (innerorts und bei Ortstafeln) sonst „nicht kurz vor oder hinter" dem Zeichen
  • Hamburg: Keine exakte Angabe (jedoch nicht kurz vor oder hinter der Beschränkung)
  • Hessen: 100 m
  • Mecklenburg-Vorpommern: 100 m sowie 250 m auf Kraftfahrtstraßen und Autobahnen
  • Niedersachsen: 150 m
  • Nordrhein-Westfalen: Keine Empfehlung oder Vorgabe
  • Rheinland-Pfalz: 100 m
  • Saarland: „nicht unmittelbar dahinter"
  • Sachsen: 150 m
  • Sachsen-Anhalt: 100 m
  • Schleswig-Holstein: 150 m
  • Thüringen: 200 m

Zu beachten ist, dass die Richtlinien zumeist Ausnahmesituationen vorsehen, in denen der Messabstand geringer sein darf. Derartige Ausnahmefälle gelten in der Regel bei Messungen nach Geschwindigkeitstrichtern oder an Gefahrenstellen.

Der nicht genannte Mindestabstand in der für NRW geltenden Richtlinie heißt nicht, dass es dort für die Verwaltung eine Freibrief gäbe, eine „Radarfalle" unmittelbar nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufzustellen. Zwar haben Kraftfahrer ihre Geschwindigkeit grundsätzlich so einzurichten, dass er bereits beim Passieren eines die Geschwindigkeit regelnden Verkehrszeichens die vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten kann (wobei die Schilder immer so gut sichtbar angebracht sein müssen, dass sie mit einem raschen und beiläufigen Blick erfasst werden können). Doch billigt die Rechtsprechung den Verkehrsteilnehmern zu, dass mit einem gewissen Abstand zwischen Verkehrszeichen und Messstrecke gerechnet werden kann. Auch in NRW gilt zudem der Grundgedanke, dass sich kein Verkehrsteilnehmer zu einer nicht zumutbaren Vollbremsung im Bereich hinter dem Verkehrszeichen gezwungen sehen sollte. Axel Deutscher, Richter am Amtsgericht Bochum, hat in DAR 10/2011unter Hinweis auf die bundesweite Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer zu Recht darauf hingewiesen, dass bei Unterschreitung eines hypothetischen Mindestabstands zumindest die tatbestandliche Vermutungswirkung für ein Fahrverbot entfallen könne.

Für Messungen, die vor dem Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung durchgeführt werden, sind die in den Richtlinien der Länder genannten Mindestabstände jedoch nicht anwendbar. Die Regelungen beziehen sich nicht auf Verkehrszeichen, die eine Geschwindigkeitsbeschränkung aufheben. Darauf hat kürzlich das OLG Stuttgart hingewiesen. Es sei auf die Fahrtrichtung des Betroffenen abzustellen. Im zugrunde liegenden Fall hatte sich der Betroffene, der innerorts unterwegs war, gegen eine Messung in 90 m Distanz zum Ortsausgangstafel gewandt. Dem machten die Richter einen Strich durch die Rechnung. Es sei auf die Fahrtrichtung des Betroffenen abzustellen, in der es keine beschränkenden Verkehrszeichen gab (OLG Stuttgart, Beschluss vom 4.7.2011, AZ. 4 Ss 261/11).

Hinweis: Die Richtlinien und Erlasse der Bundesländer zur Durchführung der Geschwindigkeitsüberwachung unterliegen häufig Änderungen. Die obige Auswertung von Sobisch gibt den Stand von 2009/2010 wieder. Daher sollte sich der Verteidiger eines Betroffenen stets um eine aktuelle Ausgabe bemühen, die in der Regel beim jeweiligen Innenministerium erhältlich ist oder veröffentlicht wird.

Der Verfasser des Beitrags, Rechtsanwalt Christian Demuth, ist auf die Verteidigung in Verkehrsstraf- und Bußgeldverfahren spezialisiert.


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