Ist ein Widerruf nach Jahren rechtsmissbräuchlich?

  • 2 Minuten Lesezeit

Immer wieder beschäftigt die Instanzengerichte die Frage, ob ein nach längeren Jahren erklärter Widerruf rechtsmissbräuchlich ist.

Groß geworden ist dieses Thema in Bezug auf den Darlehenswiderruf. Viele Verbraucher haben in der Vergangenheit von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht, da die Kreditinstitute in den Darlehensverträgen die Verbraucher nicht ordnungsgemäß belehrt haben.

Die Banken wiesen oft den Widerruf mit der Begründung zurück, dass ein nach Jahren erklärter Widerruf bei bis dahin ordnungsgemäßer Vertragserfüllung rechtsmissbräuchlich sei. In der Angelegenheit des Darlehenswiderrufs liegt bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechungzu dieser Frage vor.

Am 16.03.2016, Az.: VIII ZR 146/15 hatte sich der BGH mit der Frage des Rechtsmissbrauchs eines erklärten Widerrufs vom Fernabsatzvertrag im Online-Handel auseinanderzusetzen. In dem zu entscheidenden Fall bestellte der Kläger am 14.01.2014 auf einer Website der Beklagten zwei Taschenfederkernmatratzen zum Preis von 417,10 €. Der Beklagte warb mit einer „Tiefpreisgarantie“.

Nachdem der Kläger auf ein Angebot eines anderen Herstellers für die gleichen Matratzen zu je 192,06 € aufmerksam wurde, forderte er von der Beklagten die Erstattung von 32,98 € als Differenzbetrag. Gleichzeitig bot er an, im Falle der Erstattung nicht von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen.

Nachdem eine Erstattung seitens der Beklagten ausblieb, widerrief der Kläger am 02.02.2014 den Kaufvertrag über die Taschenfederkernmatratzen per E-Mail und schickte die Matratzen zurück an den Beklagten.

Der BGH bestätigte die Auffassung des Berufungsgerichts und erachtete den Widerruf als wirksam. Die Auffassung des Beklagten – der Widerruf sei rechtsmissbräuchlich – überzeugte weder das Berufungsgericht noch den BGH.

Bei dem vorliegenden Fernabsatzvertrag seien die Vorschriften §§ 312 b, 312 d, 355 BGB in der Fassung bis zum 12.06.2014 und § 346 BGB anzuwenden.

Sinn und Zweck des Widerrufs bei Fernabsatzverträgen sei es unter anderem, dem Verbraucher eine Möglichkeit der Lösung vom Vertrag zu bieten, da eine Prüfung der Ware beim Kauf im Internet nicht möglich sei.

Die Intention des Gesetzgebers zur Schaffung eines Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen sei losgelöst von der Frage der Intention des Verbrauchers, sein Widerrufsrecht zu nutzen, zu beurteilen.

Der Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, eine Begründung für eine Widerrufserklärung zu verlangen.

Nach Ansicht des BGH sei die Ausführung des Berufungsgerichts überzeugend. Der Umstand, dass § 355 BGB aF kein Begründungserfordernis vorsehe, führe zu der Schlussfolgerung, dass dem Verbraucher seine Intention zur Ausübung des Widerrufs nicht nachteilig angelastet werden könne.

Der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB sei an hohe Anforderungen geknüpft, die vorliegend nicht erfüllt seien.

Der BGH stützt seine Ausführungen auf den Charakter des Widerrufsrechts, eine Lösungsmöglichkeit vom Vertrag gerade ohne materielle Voraussetzungen zu bieten. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs könne höchsten dann zu Tragen kommen, wenn das Verhalten des Verbrauchers arglistig sei. Für ein derartiges Verhalten seien jedoch keine Anknüpfungspunkte gegeben.

Nach Ansicht des BGH sei der Sinn und Zweck des Widerrufsrechts – dem Verbraucher eine Prüfungsmöglichkeit beim Warenkauf im Internet zu bieten – nicht beschränkt auszulegen. Der Gesetzgeber habe das Interesse des Verbrauchers nicht als Anknüpfungspunkt für das Widerrufsrecht heranziehen wollen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Ninja Lorenz LL.M.

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten