Kein Widerruf des in der Privatwohnung geschlossenen Aufhebungsvertrags

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Arbeitsrecht

Kein Widerruf des Aufhebungsvertrags, aber Gebot des fairen Verhandelns ist zu beachten – Anmerkung zu BAG Urt. v. 07.02.2019, Az. 6 AZR 75/18

Von RA Heiko Effelsberg, LL.M., Fachanwalt für Versicherungsrecht, Düsseldorf

Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der Frage befassen müssen, ob eine Arbeitnehmerin einen in ihrer Wohnung geschlossenen Aufhebungsvertrag widerrufen konnte. Hintergrund ist, dass das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in den §§ 312 Abs. 1 BGB i. V. m. § 312g BGB dem Verbraucher ein Widerrufsrecht einräumt, wenn der Vertrag in seinen Privaträumen geschlossen wurde. Dem Wortlaut nach stünde ihr daher ein Widerrufsrecht zu. Mit dem gestern verkündeten Urteil hat das BAG jedoch entschieden, dass ein Widerruf des Aufhebungsvertrags nicht möglich ist. Es hat das Verfahren jedoch zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen, da der Arbeitgeber in der konkreten Situation seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verletzt haben könnte und zum Schadenersatz verpflichtet sein kann. Dies sei nunmehr aufzuklären. 

08.02.2019 In der Rechtsprechung und Literatur ist heute überwiegend anerkannt, dass der Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses als Verbraucher im Sinne des BGB einzuordnen ist. Infolgedessen stellt sich schon seit langem die Frage, ob und inwieweit dem Arbeitnehmer verbraucherschützende Normen zusätzlichen Schutz gewähren, indem er z. B. in bestimmten Fällen ein Widerrufsrecht wahrnehmen kann. 

Das BAG hat sich mit der Frage bereits in seinem Urteil vom 27.11.2003, 2 AZR 177/03 beschäftigt und dort noch offengelassen, ob der Arbeitnehmer Verbraucher ist und ob es sich bei einem Aufhebungsvertrag überhaupt um ein entgeltliches Austauschverhältnis handelt. Relativ deutlich hat es jedoch schon damals ausgeführt, dass die verbraucherschützenden Normen der §§ 312 ff BGB nicht auf Aufhebungsverträge Anwendung finden und dies näher ausgeführt. Wesentliches Argument war, dass die §§ 312 ff. BGB auf besondere Vertriebsformen abstelle und dass der Aufhebungsvertrag gerade kein Vertriebsvertrag zur Vermittlung einer Ware oder Dienstleistung sei. Außerdem fehle es an einer Überrumplungssituation, der durch das Widerrufsrecht begegnet werden sollte. 

Aufgrund der Begründung war schon nicht zu erwarten, dass das BAG allein deshalb, weil nun die Verhandlungen in der Privatwohnung statt am Arbeitsplatz stattgefunden haben, eine andere Ansicht vertreten würde. Denn auch das LAG hatte bereits die Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB ausgeschlossen. 

Das BAG hat folgerichtig in seiner Pressemitteilung 6/19 festgestellt, dass 

„das LAG rechtsfehlerfrei erkannt (hat), dass dem Vortrag der Klägerin kein Anfechtungsgrund entnommen werden kann und der Widerruf eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags auf gesetzlicher Grundlage nicht möglich ist. Der Gesetzgeber hat zwar in § 312 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 312g BGB Verbrauchern bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind, ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB eingeräumt. (…) Im Gesetzgebungsverfahren ist jedoch der Wille des Gesetzgebers deutlich geworden, arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB einzubeziehen.“

Bemerkenswert ist jedoch, dass das BAG den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das LAG zurückverwiesen hat. Das Landesarbeitsgericht habe nicht geprüft, ob das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrags beachtet wurde. Dieses Gebot sei eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Sie werde verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert. Dies könnte hier insbesondere dann der Fall sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt worden wäre. Die Beklagte hätte dann Schadensersatz zu leisten. Sie müsste den Zustand herstellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde (sog. Naturalrestitution, § 249 Abs. 1 BGB). Die Klägerin wäre dann so zu stellen, als hätte sie den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Dies führte zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. 

Es bleiben somit nunmehr die Entscheidungsgründe abzuwarten, um den Umfang der richterlichen Hinweise einschätzen zu können. Jedenfalls ergibt sich damit für Arbeitgeber in der Kündigungssituation ein neues „Risikofeld“, das beachtet werden muss, was auf der anderen Seite der Münze für den Arbeitnehmer natürlich einen geeigneten Anknüpfungspunkt für den Angriff eines Aufhebungsvertrags darstellt. 

RA Heiko Effelsberg, LL.M.


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