Krankentagegeld und Berufsunfähigkeit

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Auswirkungen der Berufsunfähigkeit auf die Krankentagegeldversicherung

Die Krankentagegeldversicherung sichert für den Versicherungsnehmer das Risiko ab, dass er erkrankt und aufgrund dessen keine oder geringere Einkünfte erzielen kann. Bei Angestellten tritt dies erst mit Ablauf der Entgeltfortzahlung ein, weshalb in der Regel eine Karenzzeit von 43 Tagen vereinbart wird. Diese Zeit zu Beginn des Versicherungsfalls, in der keine Leistung durch den Versicherer geschuldet wird, ist in Krankentagegeldversicherungen von Selbstständigen häufig kürzer bemessen.

Versicherungsfall

Die Leistungspflicht besteht, wenn der Versicherungsnehmer aufgrund Krankheit oder Unfall zu 100% vorübergehend außer Stande ist, seiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Außerdem muss während der Arbeitsunfähigkeit eine durchgehende Heilbehandlung durch einen Arzt erfolgen, wobei die Rechtsprechung bei der Annahme einer Heilbehandlung recht großzügig ist. Hier wird oft der regelmäßige Arztbesuch zur Ausstellung der AU-Bescheinigung als ausreichend erachtet.

Beendigung durch Berufsunfähigkeit

Die Krankentagegeldversicherung soll ihrem Sinn (und ihrer Kalkulation der Beiträge nach) nur die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit absichern, wenn also die Erwerbstätigkeit voraussichtlich wiedererlangt werden wird. Damit steht sie neben der Berufsunfähigkeitsversicherung, die das Risiko einer dauerhaften Hinderung, der Erwerbstätigkeit wegen gesundheitlicher Einschränkungen nachzugehen, absichert. Die beiden Begriffe unterscheiden sich im Rahmen der Krankentagegeldversicherung dadurch, dass die Arbeitsunfähigkeit zu 100%, aber nur vorübergehend vorliegt, während für die Annahme der Berufsunfähigkeit ausreicht, dass der Versicherungsnehmer dauerhaft zu mindestens 50% außer Stande ist, seinem Beruf nachzugehen.

Um die Versicherungsarten gegeneinander abzugrenzen, sieht § 15 Abs. 1 b) der Musterbedingungen, den nahezu alle Versicherer so übernommen haben, vor, dass der Krankentagegeldversicherungsvertrag automatisch mit dem Eintritt der Berufsunfähigkeit der versicherten Person endet. Der Bundesgerichtshof hatte in der Vergangenheit bereits entschieden, dass diese automatische Beendigung den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligen kann, wenn ihm nicht mindestens der Abschluss einer Anwartschaftsversicherung für den Fall, dass er wieder arbeitsfähig und damit versicherungsfähig wird, angeboten wird. Die damit verbundenen Detailfragen sind zwischen den Oberlandesgerichten teilweise umstritten, fest steht jedenfalls, dass – wenn der Versicherungsvertrag das Angebot einer Anwartschaftsversicherung vorsieht - die automatische Beendigung wirksam ist.

In der Praxis entsteht während eines langdauernden Versicherungsfalls häufig Streit darüber, ob die Erkrankung des Versicherungsnehmers voraussichtlich dauerhaft ist, oder ob im Rahmen der Behandlung eine Aussicht auf vollständige Wiederherstellung besteht. Der Versicherer wird hierfür in regelmäßigen Abständen die Begutachtung des Versicherungsnehmers durch einen eigenen Arzt anordnen. Der Versicherungsnehmer ist dabei verpflichtet, sich untersuchen zu lassen. Da es sich bei der Bewertung um eine Prognoseentscheidung handelt, ist die Sicht zum Zeitpunkt der Begutachtung ausschlaggebend. Es ist daher irrelevant, ob der Versicherungsnehmer zu einem späteren Zeitpunkt wieder geheilt wird. Dies kann nach der Rechtsprechung höchstens als Indiz für die Unrichtigkeit der Prognose dienen, diese jedoch nicht beweisen.

Falls sich der Versicherer aufgrund eines  eingeholten Gutachtens auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit beruft, so wird in der Regel eine gerichtliche Auseinandersetzung notwendig sein. Denn eine abweichende Stellungnahme durch den behandelnden Arzt hat schon deshalb keine Auswirkung auf die Entscheidung des Versicherers, weil der Behandler im Lager des Versicherungsnehmers steht. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens werden dann in der Regel zwei Fragen gutachterlich geprüft werden müssen, nämlich zum einen, ob überhaupt noch eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit besteht – denn diese ist Voraussetzung für die Zahlung des Krankentagegeldes – und zum anderen, ob Berufsunfähigkeit vorliegt. Die Erfahrung zeigt dabei, dass das Ergebnis der Begutachtung schwer vorausgesagt werden kann. Es lohnt sich daher für den Versicherungsnehmer häufig, die Entscheidung des Versicherers überprüfen zu lassen.

Bezug einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit

Viele Versicherungsbedingungen sehen vor, dass die Versicherungsfähigkeit eines Versicherungsnehmers entfällt, wenn er eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit erhält. Diese Regelung folgt daraus, dass der Begriff der Berufsunfähigkeit im Rahmen der Krankentagegeldversicherung etwas andere Voraussetzungen hat als die Erwerbsunfähigkeit im Sozialversicherungsrecht und die Berufsunfähigkeit im Rahmen der Berufsunfähigkeitsversicherung. So hat die Anerkennung einer Erwerbsunfähigkeitsrente keine Bindungswirkung für das private Versicherungsverhältnis der Krankentagegeldversicherung. Auch zahlen viele Berufsunfähigkeitsversicherer Versicherungsleistungen, wenn der Versicherungsnehmer 6 Monate am Stück arbeitsunfähig erkrankt war, weil dann die Berufsunfähigkeit vermutet wird. Insbesondere der letzte Fall kommt häufiger vor.

Der BGH hat bereits mehrfach entschieden, dass der Bezug einer Rente die Leistungspflicht aus der privaten Krankentagegeldversicherung suspendiert, wenn dies in den Vertragsbedingungen ausdrücklich geregelt ist. Dies soll auch gelten, wenn die Rentenzahlung nur auf einer Fiktion beruht (so z.B. BGH VersR 1989, 393, OLG Hamm, VersR 2002, 1138; OLG Karlsruhe, VersR 2007, 51).

Im Gegenschluss kann man aus der Rechtsprechung aber herleiten, dass ein paralleler Bezug möglich ist, wenn die Versicherungsbedingungen der Krankentagegeldversicherung den Fall des Rentenbezugs nicht ausdrücklich und transparent regeln. Daher kann es sich für den Versicherungsnehmer ggf. lohnen, die Versicherungsbedingungen dahingehend überprüfen zu lassen.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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