Kündigung wegen Krankheit - unter welchen Voraussetzungen ist sie wirksam?

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Die Krankheit eines Arbeitnehmers ist für sich genommen kein Grund, der den Arbeitgeber zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt. Demgegenüber können krankheitsbedingte Fehlzeiten und die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers unter Umständen durchaus Gründe darstellen, die den Arbeitgeber zum Ausspruch einer Kündigung berechtigen. Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung von Arbeitnehmern, die oft oder lange krank sind, sozial gerechtfertigt ist.

I. Grundsatz

Grundsätzlich sind Arbeitnehmer durch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vor Entlassungen geschützt, die sozial ungerechtfertigt erfolgen. Von diesem Kündigungsschutz profitieren Arbeitnehmer, sobald sie länger als sechs Monate ohne Unterbrechung im Unternehmen tätig sind und selbiges mehr als zehn Mitarbeiter regelmäßig beschäftigt. Kommt das KSchG zur Anwendung, können Arbeitgeber ausschließlich aus verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründen wirksam kündigen.

Die Kündigung wegen Krankheit fällt in die Kategorie der personenbedingten Kündigung und kommt bei langanhaltender Erkrankung oder häufigen Kurzerkrankungen in Betracht. Die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG vollzieht sich dabei in drei Schritten.

1. Hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit muss eine negative Prognose vorliegen.

2. Aufgrund dessen muss eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen sein.

3. Die Interessenabwägung muss ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen.

II. Langanhaltende Krankheit

Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist regelmäßig von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen. Die Dauer der Krankheit sowie die Ungewissheit der Genesung begründen in dem Fall das betriebliche Erfordernis für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ausgeschlossen oder ungewiss, führt dies regelmäßig zu einer erheblichen Belastung der betrieblichen Interessen.

Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) steht die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den folgenden 24 Monaten nicht mit der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit gerechnet werden kann (BAG, Urteil vom 12.4.2002 - 2 AZR 148/01).  Der Arbeitgeber muss sich nach dem Krankheitsverlauf erkundigen, um eine Prognose treffen zu können. Prinzipiell genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast hinsichtlich anzustellender Prognose, wenn er vorträgt, wegen bisheriger Erkrankungen sei auch mit weiteren Krankheiten zu rechnen. Dem Arbeitnehmer obliegt es sodann, Tatsachen vorzutragen, warum dieser Schluss nicht gerechtfertigt ist.

III. Häufige Kurzerkrankungen

Eine krankheitsbedingte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn zum Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang begründen lassen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen weiterhin zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen. Im Rahmen der Interessenabwägung ist außerdem zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber trotzdem hingenommen werden müssen. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere kurzzeitige Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbilds, so die Krankheiten nicht mittlerweile ausgeheilt sind. Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten. Sodann muss der Arbeitnehmer darlegen, weshalb zum Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen. Nach dem Bundesarbeitsgericht steht einer negativen Prognose nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten – den Angaben des Arbeitnehmers zufolge – auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhen. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 755/13).

IV. Verhältnismäßigkeit 

Eine Kündigung aus Krankheitsgründen ist nur erforderlich und im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG rechtmäßig, wenn keine milderen Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten bestehen. Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz sein, der für ihn leidensgerechter ist. Nach dem Bundesarbeitsgericht entfällt die Pflicht zur Umorganisation, wenn der Arbeitnehmer auch auf anderen möglichen Arbeitsplätzen nicht einsetzbar oder eine geänderte Organisation aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist (BAG, Urteil vom 24.11.2005 – 2 AZR 514/04).

Eine krankheitsbedingte Kündigung setzt kein Verschulden des Arbeitnehmers voraus. Krankheitsbedingte Kündigungsgründe zeichnen sich dadurch aus, dass der Arbeitnehmer, bedingt durch eine oder mehrere Krankheiten, die Fähigkeit und Eignung verloren hat, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Das macht die Interessenabwägung schwerer. Der Arbeitgeber wird gewisse Vertragsbeeinträchtigungen eher hinnehmen müssen als bei einer verhaltensbedingten Kündigung. Trifft jedoch den Arbeitnehmer oder auch den Arbeitgeber am Leistungs- oder Eignungsverlust ein Verschulden, ist dies im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen.   Der Arbeitgeber kann aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit heraus verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu gewähren, spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten zu minimieren. Da die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer in der Regel nicht steuerbar ist, entfällt bei der krankheitsbedingten Kündigung das Erfordernis einer Abmahnung.

V. Fazit 

Die Kündigung des krankheitsbedingt beeinträchtigten Arbeitsverhältnisses kommt nur als Ultima Ratio in Betracht. Arbeitgeber haben vor Ausspruch einer personenbedingten Kündigung viele Faktoren zu berücksichtigen. Aus Arbeitnehmersicht empfiehlt es sich fast immer eine Kündigung überprüfen zu lassen und ggf. im Wege der Kündigungsschutzklage hiergegen vorzugehen.

Sollten Sie eine (personenbedingte) Kündigung erhalten oder weitere Rückfragen haben, können Sie gerne Kontakt aufnehmen. Da Arbeitnehmer, die sich gegen eine Kündigung wehren wollen, gem. § 4 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage einreichen müssen, ist grundsätzliche Eile geboten.

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*Aus Gründen besserer Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter


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