Kündigungsschutz in der Elternzeit – LAG Berlin billigt Kündigung während der Elternzeit!

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Kündigung in der Elternzeit, obwohl es ein Recht zur Rückkehr an den Arbeitsplatz gibt? Wir schauen auf die Rechtslage und eine neue Gerichtsentscheidung hierzu.

Inhalt

  1. Besonderer Kündigungsschutz für frisch gebackene Eltern
  2. Ausnahmen vom Kündigungsschutz
  3. Der Fall des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
  4. Wie wehre ich mich gegen eine Kündigung in der Elternzeit?


1. Besonderer Kündigungsschutz für frisch gebackene Eltern


Arbeitnehmer*innen in Elternzeit genießen Sonderkündigungsschutz. Für sie gilt nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (nachfolgend kurz BEEG) ein höherer Schutz als generell für Beschäftigte. Nach dem allgemeinen Kündigungsschutz darf eine Kündigung nicht sozial ungerechtfertigt sein. Für die soziale Rechtfertigung bräuchte der kündigende Arbeitgeber dringende betriebliche Erfordernisse oder verhaltens- oder personenbedingte Gründe, § 1 Abs. 2 KSchG.


Der Kündigungsschutz bei Elternzeit geht demgegenüber weiter. So verbietet es § 18 BEEG Arbeitgeber*innen grundsätzlich absolut die Kündigung gegenüber Angestellten in Elternzeit zu erklären. Dies gilt sogar schon ab dem Zeitpunkt, zu dem Elternzeit beantragt worden ist, allerdings bei unter dreijährigen Kindern frühestens acht Wochen vor Beginn der Elternzeit; bei drei- bis achtjährigen Kindern sind es 14 Wochen. Ab diesem Zeitpunkt darf bis zum Ende der Elternzeit grundsätzlich nicht mehr gekündigt werden. Eine dennoch ausgesprochene Kündigung wäre unwirksam. Aber eben nur eigentlich – was wäre schließlich eine Regel ohne Ausnahme?


2. Ausnahmen vom Kündigungsschutz


Raum für eine solche Ausnahme schafft das Gesetz in § 18 Abs. 1 S. 4 BEEG, nach dem eine Kündigung in besonderen Fällen für zulässig erklärt werden kann. Beurteilt wird dies durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde – in Berlin beispielsweise das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi).

Ein solcher, besonderer Fall kann zum Beispiel vorliegen, wenn Arbeitnehmer*innen vorsätzlich eine strafbare Handlung gegen den Arbeitgeber begehen. Oder wenn es dem Arbeitgeber wegen einer besonders schweren Vertragspflichtverletzung nicht mehr zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis fortzuführen. Auch bei einer Stilllegung des Betriebs kann eine Kündigung in der Elternzeit gerechtfertigt sein. Gleiches kann gelten, wenn der Betrieb nahe an der Insolvenz ist und unbedingt Arbeitsplätze abbauen muss.


3. Der Fall des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg


Dazwischen liegt ein vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 05. Juli 2022 entschiedener Fall (Aktenzeichen 16 Sa 1750/21; hier die Pressemitteilung). Die Arbeitgeberin hatte in dieser Sache zunächst die für eine Kündigung erforderliche Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde eingeholt. Danach hatte sie der Arbeitnehmerin eine Änderungskündigung aus betrieblichen Gründen ausgesprochen.

Eine Änderungskündigung ist eine Kündigung verbunden mit dem gleichzeitigen Angebot der Fortführung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten, in aller Regel schlechteren Arbeitsbedingungen (§ 2 KSchG). Der Arbeitnehmer soll dadurch etwa eine andere Tätigkeit zugewiesen werden, ein anderer Einsatzort oder ein geringerer Lohn gezahlt werden. Das ist natürlich nicht sonderlich erfreulich, aber immer noch milder als der endgültige Verlust des Arbeitsplatzes.

Es gibt drei Möglichkeiten auf eine Änderungskündigung zu reagieren. Da ist erstens die Zustimmung, das heißt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den geänderten Bedingungen. Zweitens kann die Zustimmung auch unter Vorbehalt erklärt werden. Der Arbeitnehmer muss in diesem Falle Klage erheben, aber nur gegen die geänderten Bedingungen. So behält er in jedem Fall seinen Arbeitsplatz und die schlechteren Bedingungen werden wie eine Kündigung vom Arbeitsgericht geprüft. Oft erweisen sie sich als ungerechtfertigt (unwirksam), das heißt, es gelten nun wieder die alten, besseren Arbeitsbedingungen.

Im Fall des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg hatte sich die Arbeitnehmerin dagegen für die dritte Option entschieden. Sie wandte sich mit ihrer Klage gegen die gesamte Änderungskündigung. Das erstinstanzlich zuständige Arbeitsgericht Potsdam wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte das Urteil im Berufungsverfahren. Die Arbeitgeberin konnte darlegen, dass sie die Arbeitnehmerin (nach Rückkehr aus der Elternzeit) nicht mehr wirtschaftlich zu alten Bedingungen beschäftigten konnte. Und die neuen Bedingungen wollte die Arbeitnehmerin nicht akzeptieren. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der Änderungskündigung war daher rechtens.  


4. Wie wehre ich mich gegen eine Kündigung in der Elternzeit?


Hier wurde also ausnahmsweise die Kündigung einer Arbeitnehmerin in Elternzeit durch die Arbeitgeberin möglich gemacht. Da es sich dabei um einen starken Einschnitt in das Sonderkündigungsschutzrecht von Arbeitnehmer:innen in Elternzeit handelt, darf jedoch keinesfalls ein verallgemeinernder Rückschluss daraus gezogen werden. Jede (betriebsbedingte) Kündigung in der Elternzeit ist gesondert zu beurteilen. Dabei dürfen nie die dringend schützenswerten Interessen von Eltern aus den Augen verloren werden. Es muss insbesondere in den Blick genommen werden, dass gerade Frauen von Kündigungen in der Elternzeit betroffen sind, da sie überdurchschnittlich häufig die Betreuung der Kinder übernehmen.

Eine Kündigung muss auf Herz und Nieren geprüft werden: Liegen die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung grundsätzlich vor? War die Kündigung auch im konkreten Einzelfall verhältnismäßig? Wurde die Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde eingeholt? Wurden sämtliche Fristen eingehalten? Bei Änderungskündigungen ist außerdem das taktisch richtige Vorgehen zu beachten (siehe oben, die drei Optionen).

Zu all diesen Fragen beraten wir Sie gerne. Bei Kündigungsschutzverfahren kann unsere Kanzlei auf über 20 Jahre Erfahrung zurückblicken. Es ist uns ein Anliegen, Ihnen bei ungerechtfertigten Kündigungen, gerade in der Elternzeit, zur Seite zu stehen.


Zum Abschluss: Bitte beachten Sie bei alldem die nur dreiwöchige Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage!


Ein Beitrag von RA Benedikt Pilgermayer (https://www.bghp.de/rechtsanwaelte/benedikt-pilgermayer)

und 

Marie Bruns (Rechtsreferendarin)

Foto(s): 584488_web_R_K_by_Alexandra H._pixelio.de

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