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Lohn, Urlaub und Kündigung in der Insolvenz

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Grundlegend hat allein die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens des Arbeitgebers zunächst noch keine Auswirkungen auf den Bestand und Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Gleiches gilt ebenso für eine Privatinsolvenz des Arbeitnehmers, insbesondere stellt diese keinen Kündigungsgrund für den Arbeitgeber dar.

Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögens des Arbeitgebers besteht das Arbeitsverhältnis somit zunächst unverändert mit Wirkung für die Vermögensmasse fort (§ 108 Insolvenzordnung). Allerdings wird das Insolvenzgericht im Rahmen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens regelmäßig für den Betrieb des Arbeitgebers einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Das Gesetz unterscheidet hier zwischen dem sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter, auf welchen auch die Verwaltung- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergeht, und dem sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter, welcher nicht in die Rechtsstellung als Arbeitgeber eintritt und daher weder eine Befugnis zur Kündigung von Arbeitsverträgen noch zum Abschluss von neuen Arbeitsverträgen hat.

Der sog. starke vorläufige Insolvenzverwalter kann hingegen im Rahmen des Eintritts in die Rechtsstellung als Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen, wobei die Insolvenzeröffnung für sich genommen keinen Grund darstellt, der eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.09.2005, Aktenzeichen 8 AZR 647/04).

Grundsätzlich verbleibt es auch im Rahmen der Insolvenz bei den allgemeinen Regelungen des Arbeitsrechts für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, d.h., auch der Insolvenzverwalter muss im Rahmen des Ausspruchs einer Kündigung den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz sowie die allgemeinen zulässigen Voraussetzungen einer Kündigung, wie insbesondere das Schriftformerfordernis oder die Beteiligungsrechte eines Betriebsrates, berücksichtigen.

In Abweichung von den allgemeinen Regelungen gilt jedoch im Rahmen einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter eine abgekürzte Kündigungsfrist von maximal drei Monaten zum Monatsende (§ 113 Insolvenzordnung). Die Kündigungsberechtigung des Insolvenzverwalters ist insoweit nach § 113 Insolvenzordnung auch vorrangig gegenüber einem individual-vertraglich oder tarifvertraglich vereinbarten Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts.

Wurde ein Arbeitnehmer durch eine von dem Insolvenzverwalter ausgesprochene Kündigung gekündigt, muss er auch hier innerhalb einer Frist von drei Wochen die Unwirksamkeit der Kündigung gerichtlich geltend machen. Ist der Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes für das Arbeitsverhältnis sowohl im Hinblick auf die Betriebsgröße (mehr als 10 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer) sowie im Hinblick auf den persönlichen Geltungsbereich (Arbeitsverhältnis besteht bereits länger als sechs Monate) eröffnet, ist im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der – im Falle der Insolvenz regelmäßig betriebsbedingten – Kündigung der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs sowie die Vornahme einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl zu überprüfen.

Insoweit sich der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter zur Begründung der Kündigung auf eine freie Unternehmensentscheidung beruft, verlangt die stetige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den Fall, dass mehrere, aber nicht alle Arbeitsplätze aufgrund dieser Entscheidung wegfallen, und insoweit eine Umverteilung der Arbeit auf andere Arbeitnehmer erfolgt, eine konkrete Erläuterung, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahme die bisher von den gekündigten Arbeitnehmern ausgeübten Tätigkeiten für diese zukünftig entfallen. Hierzu muss der Arbeitgeber die Erstellung einer Zukunftsprognose nachweisen können.

Ebenso muss ausgeschlossen sein, dass nur kurzfristige Produktions- oder Auftragsschwankungen der unternehmerischen Entscheidung zur Streichung der Arbeitsplätze zugrunde liegen. Insoweit ist durch den Arbeitgeber ein dauerhafter Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen (vgl. BAG, Urteil vom 23.02.2012, 2 AZR 548/10).

Weiterhin muss der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter darstellen können, dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer nicht besteht, wobei dieser anderweitige Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer auch geeignet sein muss. Der Arbeitnehmer hat insoweit keinen Anspruch auf eine Beförderung. Besteht aber eine derartige anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit seitens des Arbeitgebers eine Änderungskündigung auszusprechen. Eine Beendigungskündigung wäre in diesem Fall unwirksam (vgl. BAG, Urteil vom 23.04.2008, 2 AZR 1110/06).

Kommt jedoch im Rahmen der Insolvenz zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat im Unternehmen ein sogenannter Interessenausgleich mit einer Namensliste der von Kündigung betroffenen Arbeitnehmern zustande, wird zugunsten des Arbeitgebers vermutet, dass die ausgesprochene Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist (§ 125 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 Insolvenzordnung). In diesen Fällen ist die Überprüfung der Sozialauswahl durch das Gericht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt.

In allen übrigen Fällen ist im Rahmen der Sozialauswahl durch den Arbeitgeber/Insolvenzverwalter vorzutragen, dass die betroffenen Arbeitnehmer aus einem Kreis vergleichbarer Arbeitnehmer im Hinblick auf individuelle Sozialdaten wie Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten weniger schutzwürdig sind, als von der Kündigung nicht betroffene Arbeitnehmer. Die Verpflichtung zur Vornahme einer Sozialauswahl entfällt allerdings, wenn im Rahmen der Insolvenz sämtliche Arbeitnehmer eines Unternehmens gekündigt werden.

Im Übrigen ist eine wirksame Kündigung durch den Insolvenzverwalter möglich, wenn dieser einen ernsthaften und endgültigen Entschluss zur Aufhebung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft für eine unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nachweisen kann. Dies ist jedoch dann nicht möglich, wenn der Insolvenzverwalter mit einem potentiellen Betriebsbewerber in Verhandlungen für die Übernahme des Unternehmens steht (vgl. LAG Köln, Urteil vom 22.03.2011, 12 Sa 886/10).

Als verhältnismäßig milderes Mittel zum Ausspruch einer Beendigungskündigung kann der Insolvenzverwalter auch eine Änderungskündigung zur Senkung des vereinbarten monatlichen Entgelts aussprechen, wenn er nachweisen kann, dass bei Aufrechterhaltung der bisherigen Kostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr tragbare Verluste entstehen würden, die absehbar zur Reduzierung der Belegschaft oder der Schließung des Betriebs führen würden, wobei hierfür die Vorlage eines umfassenden Sanierungsplanes erforderlich ist (vgl. BAG, Urteil vom 26.06.2008, 2 AZR 139/07).

Darüber hinaus hat der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter unter bestimmten Umständen eine sogenannte Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit inkl. einer Anzeige an den Betriebsrat über beabsichtigte Entlassungen vorzunehmen, wenn innerhalb von 30 Tagen

  • in Betrieben mit 20 bis 59 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer gekündigt werden,
  • in Betrieben mit 60 bis 499 Arbeitnehmern 10 % oder mehr als 25 Arbeitnehmer entlassen werden und
  • in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern mehr als 30 Arbeitnehmer entlassen werden.

Die Nichtvornahme einer Massenentlassungsanzeige in den vorgenannten Fällen führt bereits für sich allein zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Dabei hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 20.02.2014, Az.: 2 AZR 346/12, entschieden, dass Entlassungen in diesem Sinne auch ausgesprochene Änderungskündigungen sind, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot ablehnt oder – mit oder ohne Vorbehalt – annimmt.

Lohn- und Urlaubsansprüche im Insolvenzverfahren

Lohnansprüche im Insolvenzverfahren

Bei Forderungen des Arbeitnehmers auf rückständiges Arbeitsentgelt aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung handelt es sich um sog. einfache Insolvenzforderungen, die von dem Arbeitnehmer zur Insolvenztabelle anzumelden sind.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind Arbeitsentgeltansprüche sogenannte Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 Nummer 2 Insolvenzverwaltung. Die müssen als solche nicht zur Tabelle angemeldet werden, sondern können ohne Einschränkungen verfolgt werden.

Besonderheiten ergeben sich im Falle der sogenannten Masseunzulänglichkeit, welche immer dann vorliegt, wenn die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Dies hat der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht anzuzeigen, wobei das Insolvenzgericht keine Überprüfung vornimmt, sondern die Massegläubiger gesondert durch Zustellung über den Eintritt der Masseunzulänglichkeit informiert und diese öffentlich bekanntmacht. In diesem Fall sind sämtliche Vollstreckungshandlungen in die Masse nach § 210 Insolvenzordnung unzulässig.

Im Falle der Masseunzulänglichkeit ordnet die Insolvenzordnung die Befriedigung der Massegläubiger in einer bestimmten Reihenfolge an, wobei zwischen sog. Neumasseverbindlichkeiten und den übrigen sogenannten Altmasseverbindlichkeiten unterschieden wird. Die Neumasseverbindlichkeiten sind in voller Höhe aus der Insolvenzmasse zu begleichen, während die Gläubiger der Altmasseverbindlichkeiten auf eine nur anteilige Erfüllung ihrer Forderung aus der dann noch verbleibenden Masse beschränkt sind.

Rückständige Lohnansprüche von Arbeitnehmern sind dann Neumasseverbindlichkeiten, wenn der Insolvenzverwalter die Gegenleistung des Arbeitnehmers weiterhin in Anspruch genommen hat, d.h. wenn die Arbeitsleistung erbracht und somit zur Masse gelangt ist.

Wird jedoch der Arbeitnehmer im Rahmen des Ausspruchs einer Kündigung durch einen vorläufigen starken Insolvenzverwalter zur Erbringung seiner Arbeitsleistung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses freigestellt, handelt es sich bei den rückständigen Lohnansprüchen um Altmasseverbindlichkeiten.

Urlaubsansprüche in der Insolvenz

Ansprüche auf Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld sind für die Zeit ab Insolvenzeröffnung Masseverbindlichkeiten, wohingegen Ansprüche für den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens lediglich einfache Insolvenzforderungen sind.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz, welcher einem Arbeitnehmer immer dann zusteht, wenn Resturlaubsansprüche wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr in natura gewährt werden können, stellt einen reinen Geldanspruch dar und ist insoweit ebenfalls eine Masseverbindlichkeit, wenn das Arbeitsverhältnis erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet wird (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.02.2005, Az.: 9 AZR 78/04).

Wenn hingegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch vor der Insolvenzeröffnung erfolgt und dem Arbeitnehmer ein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht, handelt es sich bei diesem um eine Insolvenzforderung, welche zur Tabelle anzumelden ist.

Gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsentgelt bzw. Urlaubsgeld im Fall der unwiderruflichen Freistellung durch den Insolvenzverwalter bei Ausspruch der Kündigung nicht als Neumasseverbindlichkeit im obigen Sinne zu sehen (vgl. BAG, Urteil vom 21.06.2005, 9 AZR 295/04).

Wird jedoch der Arbeitnehmer vom Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit noch weiterhin zur Arbeitsleistung herangezogen, gilt sein Urlaubsanspruch jedenfalls anteilig für diesen Zeitraum als Neumasseverbindlichkeit (vgl. BAG, Urteil vom 21.11.2006, 9 AZR 97/06).

Angesichts der oftmals überaus komplizierten Probleme, die sich sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber im Falle einer Insolvenz im Hinblick auf die Fortführung des Arbeitsverhältnis sowie das Schicksal der Arbeitnehmeransprüche ergeben, empfiehlt sich für den Betroffenen in jedem Fall die Inanspruchnahme eines Fachanwalts für Arbeitsrecht. Unsere Kanzlei steht Ihnen hierfür mit ihren Dienstleistungen jederzeit gerne telefonisch oder im Internet zur Verfügung.


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