Mit "Gewährleistung" von MediaMarkt auf Zeitreise in das rechtsfreie Internet der späten 90er

  • 10 Minuten Lesezeit

Wer eine Zeitreise zu den befremdlichen, sehr "freien"  Rechtsvorstellungen des frühen Internets unternehmen will, muss nur auf mediamarkt.de bestellen. Dann gibt es einiges zu erleben, was man angesichts der durch amazon & Co vorgegebenen Servicestandards eigentlich nicht mehr für möglich hält - oder eifert das MediaMarkt-Saturn-Konstrukt vielmehr ganz neuen China-Standards wie bei Wish hinterher?

Eigentlich begann alles ganz harmlos... Auch wir wollen eigentlich den Wettbewerb und hiesige Unternehmen stärken und dabei auch die Über-Marktmacht von amazon nicht noch sinnlos vergrößern. Dabei war auch uns der Vorteil des Giganten wegen seiner mit Marktmacht für seine Kunden durchgesetzten, größtmöglichen Kulanz bekannt.

Dass den Onlinehandel im Jahr 2021 noch Servicewelten trennen,

hätten wir aber nicht für möglich gehalten.  

Daher hat die Kanzlei schon einige Bürogeräte bei dem ebenfalls großen, aber inländischen Anbieter MediaMarkt-Saturn in Ingolstadt bestellt. Bestellung und Lieferung liefen auch jeweils problemlos ab. Es gab allerdings auch bei den gelieferten Markengeräten keinen Grund zur Beanstandung.

Erstmals für ganz private Zwecke haben wir dann im Juni 21 einen Marken-Standmixer, ein Standard-Massengerät, bestellt. Das Gerät kam kaum zum Einsatz, bis zum August nur insgesamt drei Mal. Sonst stand er abseits auf der Küchen-Arbeitsplatte. Der dritte Einsatz scheiterte unerwartet, weil das Einstellrad (Schalter) zur Programmwahl defekt war. Es ließ sich plötzlich ohne erkennbaren Grund oder Anlass ohne Widerstand und Funktion durchdrehen.  

So etwas ist nicht erfreulich, aber bei Verbrauchsgüterkäufen mit der zeitlichen Nähe zum Kauf nicht ungünstig, zumal noch in diesem Jahr bei einem Auftreten des Mangels in den ersten 6 Monaten nach dem Kauf per Gesetz gemäß § 477 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vermutet wird, dass das Gerät schon bei der  Lieferung mangelhaft war. Da müsste MediaMarkt das Gegenteil beweisen können.

Erweiterte Käuferrechte ab 2022 - Pflicht zu Updates

Seit dem 01. Januar 2022 (Kaufdatum / Bestelldatum) haben sich hier die gesetzlichen Vorgaben für Verbraucher/innen nochmals verbessert: So gilt unter anderem die gesetzlich definierte Vermutung eines Mangels nicht mehr nur sechs Monate ab Kauf, sondern 12 Monate.

Verlängerung der Gewährleistung bei Ablauf: Außerdem verhindert ein Mangel, der kurz vor Ende der Gewährleistung von 2 Jahren auftritt, ihren Ablauf. Man hat dann in jedem Fall noch zwei Monate, um Ansprüche geltend zu machen.  

Außerdem sind Verkäufer verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Produkte mit digitalen Funktionen (wie z.B. ein TV mit Streaming- oder Internetsoftware, Smartphone, Kühlschrank mit Smarthome-Anbindung) über Updates mit den verbundenen Betriebssystemen oder technischen Geräten funktionsfähig bleiben. Es müssen dazu Firmware- oder Softwareupdates (Treiberupdates) bereitgestellt werden. Dies gilt über den Gewährleistungszeitraum hinaus für die übliche Nutzungsdauer (Lebensdauer) des jeweiligen Geräts. Wird kein Update bereitgestellt und dadurch die Funktionsweise eingeschränkt, gilt das gekaufte Gerät als mangelhaft wie bei einem sonstigen Funktionsausfall.

Außerdem muss keine konkrete Frist zur Beseitigung des Mangels als Voraussetzung eines Rücktritts mehr gesetzt werden. Es reicht die einmalige Mängelrüge (genaue Mängelbeschreibung, Daten des Kaufs, ggf. Seriennummer des Gerätes) und ein angemessenes Warten auf den Verkäufer, ob er die Gewährleistung durchführt. Der Rücktritt muss ebenfalls nicht mehr angedroht werden (§ 475d BGB). 

Um die Rüge nachweisen zu können, sollte man sie wegen der systematischen Rechtsverweigerung durch MediaMarkt gleich per Telefax oder als eingeschriebenen Brief senden. Um Verzögerungen zu vermeiden, senden Sie am besten bei Haushaltsgeräten ein Foto des Typenschilds oder die Seriennummer mit, sofern sie nicht auf der Rechnung vermerkt wurde. 

Widersprüchliche Angaben zur Verkäuferin

Das gesetzliche Recht auf Gewährleistung ist bei allen Verbrauchsgüterkäufen gleich und kann wegen § 476 BGB auch nicht wirksam durch Verkäufer eingeschränkt werden, wie beispielsweise über Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Diese Vorschrift erklärt entsprechende Vereinbarungen vor der Erklärung einer Mängelrüge für unwirksam, insbesondere auch über Klauseln in AGB. 

Allerdings können bei den beliebten Marketplace-Plattformen (offenen Marktplätzen) wie unter amazon.de, aber auch bei entsprechenden Plattformen wie Kaufland, Check24 oder jetzt auch Metro.de verschiedene Verkäufer/innen ähnlich dem Vermittlungsportal Ebay ihre Waren auf eigenes Risiko anbieten. Dann ist rechtlich nicht das Portal Verkäufer, sondern prinzipiell die dem Account zugeordnete Person. Das Portal muss sie aber auch klar, also mit Name und Adresse ausweisen, um nicht selbst für die dortigen Angebote zu haften. Anonym "Wegducken" geht nicht. 

MediaMarkt AGB Onlineshop
per Email gesendete AGB (Verkäufer Markt Kassel - Mediamarkt Saturn GmbH))

Denn im Zweifel gilt natürlich nur das, was für Verbraucher auch erkennbar ist. 

Und hier begann bei Mediamarkt schon das Verwirrspiel aus der Mottenkiste des unseriösen Onlinehandels, das jede Intransparenz beim Amazon Marketplace locker in den Schatten stellt:
Während im Impressum des Onlineshops und in den dort verfügbaren AGB für alle Eigenangebote die "MMS E-Commerce GmbH" an der Konzernzentrale in Ingolstadt ausgewiesen ist, wurde unsere Bestellung von einem "Mediamarkt Kassel" mit davon entscheidend abweichenden AGB bestätigt. Der Verkauf erfolge auf Rechnung der "Media-Saturn Deutschland GmbH", die den stationären Markt in Kassel wohl anders als den Onlineshop betreibt. 

Rechtlich funktioniert das natürlich gar nicht. 

Der Inhalt der mit der Auftragsbestätigung und Rechnung gesendeten AGB ist widersprüchlich und unwirksam, aber eben auch für alle, die sich im Recht nicht auskennen, sehr irreführend: Es gilt nur das, was im Onlineshop ausgeschrieben ist. Ansonsten müssten Verbraucher zunächst zustimmen, dass die Bestellung an einen anderen Verkäufer übertragen wird. 

Könnte einem ja egal sein - solange alles klappt. Zwar ist der Rechnungsabsender steuerrechtswidrig falsch, weil es mit der plötzlich  in der Rechnung "aufgetauchten" GmbH keinen Vertrag gibt. Aber das dürfte nur das Finanzamt interessieren.

Verwirrspiel kann zu Wegducken bei Ansprüchen führen

Zum Problem auch für Verbraucher kann aber das von unseriösen Anbietern gut bekannte Verwirrspiel werden, wenn wie in unserem Fall Gewährleistungsansprüche durchgesetzt werden sollen. Denn dafür ist nur die Gesellschaft zuständig, die auch Verkäuferin ist. Verbraucher können hin- und her verwiesen werden und von der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche abgehalten werden. Genau deshalb sind derart irreführende Angaben auch rechtswidrig.

Verweis auf "Markt in der Nähe"

Nachdem wir das im Onlineshop bereitgestellte Kontaktformular ausgefüllt und übermittelt hatten, versuchte MediaMarkt uns mit der Antwort zunächst einmal zu irgendeinem stationären Markt zu schicken. 

Dafür gibt es aber bereits keine Rechtsgrundlage, zumal wir im Onlineshop ohne jeden Bezug zu irgendeinem stationären Markt bestellt hatten. Davon abgesehen gibt es aber "in der Nähe" auch keinen Markt - was auch immer das bedeuten sollte. 

Wir haben den "netten Versuch" daher zurückgewiesen. Denn im Gewährleistungsfall, der (siehe oben) derzeit noch binnen 6 Monaten zu vermuten ist, hat der Verkäufer alle Kosten für die Rücknahme des defekten Geräts zu tragen, insbesondere Wegekosten zur Post und Frachtkosten.

Hier gab der Service auf die Rüge nach und sendete ein Versandlabel. 

Recht auf Neulieferung verweigert

Dann begann die richtige Zeitreise in den "Wilden Westen" der Anfänge des Internets und das Verhalten des Großanbieters wurde grob unseriös und rechtswidrig. 

Wird ein gekauftes Gerät in der Gewährleistungszeit wegen eines Mangels gebrauchsuntauglich, so kann man als Käufer/in gemäß § 439 Absatz 1 BGB prinzipiell zwischen der Beseitigung des Mangels oder Neulieferung frei wählen. Dies gilt vor allem für noch verfügbare Serienartikel, die ohnehin noch mehrfach im Lager herumliegen oder leicht zu beschaffen sind. Nur bei unverhältnismäßigen Kosten im Fall einer Neubeschaffung gemäß Absatz 3 der Vorschrift könnte ein Verkäufer auf die Alternative der Reparatur verweisen.  

Doch MediaMarkt scherte sich nicht um das Verbraucherrecht, sondern verweigerte uns direkt das Recht auf Neulieferung - und das beharrlich. Selbst als wir auf das zwingende Verbraucherrecht hingewiesen hatten, blieb der Anbieter bei seiner Verweigerung und reklamierte stattdessen ein eigenes Wahlrecht (!):

"Reparaturauftrag" als Bedingung einer Nachbesserung?

Aber auch wenn wir einer Reparatur zugestimmt hätten, könnte sie ein Verkäufer natürlich nicht von irgendwelchen Erklärungen oder gar einem weiteren Auftrag abhängig machen. Auch dies wäre eine gemäß § 476 BGB unzulässige und schlicht rechtlich unwirksame  Einschränkung der Gewährleistung. 

Außerdem hat es der "Reparaturauftrag", der jetzt an eine dritte Gesellschaft, nämlich an die "Media Markt E-Business c/o Power Service GmbH Köln" erteilt werden sollte, in sich. So verlangt Mediamarkt dort nicht etwa nur eine Fehlerbeschreibung, die wir ja mit dem ersten Formular schon geliefert hatten. Vielmehr soll unter anderem eine Zustimmung zu Haftungseinschränkungen, für die es im Gesetz keine Grundlage gibt, erteilt werden. Dazu wurden nochmals neue AGB gleich beigefügt. Anfallenden Kosten für eine Datenwiederherstellung bei Geräten mit Datenträger sollten selbst getragen werden. 

Außerdem soll man sich mit einem "kostenpflichtigen Kostenvoranschlag" einverstanden erklären, falls der Anbieter die Gewährleistung ablehnt, ohne dass die dann anfallenden Kosten überhaupt ausgewiesen werden! Schließlich will sich Mediamarkt damit - ebenfalls rechtswidrig - selbst von der Haftung Verlusten auf dem von ihm zu organisierenden Transport enthaften (§ 439 Absatz 2 BGB). 

Mediamarkt bleibt nach Aufklärung stur

Da Mediamarkt die Gewährleistung auch nach den Hinweisen auf das Gesetz weiter verweigerte, haben wir zur Klärung nochmals schriftlich eine Frist gesetzt und den Rücktritt vom Kaufvertrag angekündigt. Dies können wir Ihnen nach der jetzigen Rechtslage auch so empfehlen, weil das Gesetz ausdrücklich das Setzen einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung vorsieht, also eine schriftliche Mitteilung.

Darauf erhielten wir nur die lapidare Antwort, dass das defekte Gerät schon zurückgesendet, weil wir den geforderten Reparaturauftrag nicht erteilt hätten. Das Gerät wurde dann tatsächlich auch durch einen Versanddienst wieder angeliefert.

Wir haben daraufhin wie angekündigt den Rücktritt erklärt und die Erstattung des Kaufpreises verlangt.

Wer den Rücktritt erklärt, kann auch Schadensersatz verlangen (§ 440 BGB). Dieser kann beispielsweise - vor allem bei Fahrzeugen - in der Anmietung eines Ersatzgeräts oder in Nutzungsausfall bestehen.

Seit 01.01.2022 keine nochmalige Fristsetzung nötig 

Im neuen Gesetz haben die Regierungen auch hier nochmals nachgebessert. So entfällt die umständliche Fristsetzung. Schon mit der Mängelrüge beginnt die angemessene Frist zu laufen, die sich nach dem zu erwartenden Zeitbedarf richtet. Ist ein Mangel wie bei unserem durchdrehenden Schalter sehr leicht feststellbar und das Gerät als lagernd (hier im Onlineshop) gemeldet oder steht bei einem stationären Kauf verfügbar im Regal, kann sollte die Erledigung einer Neulieferung innerhalb von 10 Tagen für einen großen Versandhändler kein Problem sein. Bei Nachbesserungen, für die nach Prüfung des rückgesendeten Geräts möglicher Weise Ersatzteile bestellt werden müssen, kann man einen längeren Zeitbedarf schätzen. Im Zweifel kann man sich zur Absicherung nach Gerichtsentscheidungen zu ähnlichen Einzelfällen orientieren. 

Bevor man bei Verweigerung der Gewährleistung ein Ersatzgerät in Anspruch nimmt, sollte man sich auch  besser über den Umfang der Rechte beraten lassen, da es bei der Auswahl Einschränkungen geben kann.

Wer ist so blöd?

Bisher hat Mediamarkt den Kaufpreis nicht erstattet. Wir haben dem Anbieter daher eine anwaltliche Zahlungsaufforderung zugestellt, für die er die Kosten tragen wird. Bezahlt er bis Jahresende nicht, werden wir vor unserem Amtsgericht Klage erheben. 

Klar ist, dass europäische Anbieter mit einem derart steinzeitlichen Kundenumgang keine Chance haben werden, dauerhaft zu bestehen. Vielmehr ist diese Rückständigkeit wohl die wesentliche Ursache für den Erfolg des Konkurrenten, zumal sich die Preise kaum unterscheiden. 

Nach Problemen mit einem bei Amazon gekauften Drucker hat uns Amazon auf die Reklamation fast zwei Jahre nach dem Kauf anstandslos und sofort, also ohne jede Prüfung, nach einer telefonischen Abstimmung die Erstattung der volle Kaufpreis ohne Abzüge für den Gebrauch überwiesen, damit wir nach freier Wahl ein Ersatzgerät bestellen können. Diese Kundenfokussierung dürfte auch einer der wesentlichen Gründe für das schnelle Wachstum des deutlich jüngeren Giganten sein.

Daher ist es umso weniger nachvollziehbar, wie ein Anbieter offenbar immer noch glaubt, mit einem kundenfeindlichen Geschäftsgebaren gegen den immer weiterwachsenden Marktführer noch irgendeine dauerhafte Chance auf Marktanteile zu haben.  

Update: Vollständige Zahlung

Rund 2 Wochen nach der anwaltlichen Zahlungsaufforderung und der Veröffentlichung dieses Artikels hat MediaMarkt ohne weitere Erklärungen zu den vorausgehenden Vorgängen eine Zahlung angekündigt und nochmals ein Retourenlabel (Frankierung für Rücksendepaket) zugeschickt. In der Folge, am 26.01.2022 hat das Unternehmen auch den Kaufpreis erstattet und Schadensersatz sowie den Ausgleich der anwaltlichen Vertretungskosten voll geleistet. 

Leider keine Verhaltensänderung bei MediaMarkt

Die fortlaufenden Mandate von Kunden, die rechtswidrig auf eine nachteilige, freiwillige Garantie der Gerätehersteller verwiesen wurden, reißen nicht ab. MediaMarkt verweigert offenbar weiterhin systematisch die gesetzliche Gewährleistung, auch auf Anmahnung. Wer sich auf das unwürdige Verwirrspiel einlässt, hat nicht nur massiven Mehraufwand, sondern auch Zeitverlust, bis am Ende wegen Verweigerung doch der Rücktritt erklärt werden muss. 

Kunden, die daraufhin berechtigt den Rücktritt erklären, wird auch die Rückabwicklung mit falscher Begründung verweigert. 

Zum Vergleich: Am 29.03.2023 haben wir über amazon ein elektrisches Gerät reklamiert. Binnen 10 Minuten wurde die Erstattung bei Rücksendung zugesagt und ein Rücksendeetikett erstellt, sowie der Kaufpreis über das Zahlungssystem erstattet. 

Leider schaffen auch die über die systematischen Verstöße informierte Verbraucherzentrale Bundesverband und der ebenfalls informierte Verein in Schleswig-Holstein keine Abhilfe, trotz mehrfacher Hinweise auf die systematischen Rechtsverletzungen. 

Foto(s): MediaMarkt_Webseite 2001 - waybackmachine web.archive.org -


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