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MPU wirklich schon ab 1,1 Promille? Ein aktueller Überblick!

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Mit einen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. März 2021, 3 C 3.20, kam es zu neuen Unsicherheiten für Betroffene, ob und unter welchen Voraussetzungen diese nach einer Alkoholfahrt eine MPU vorlegen müssen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen groben Überblick über die Rechtslage und die jüngsten Entwicklungen in der Praxis.

Die Erteilung oder Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ist in bestimmten Fällen von der Vorlage eines Fahreignungsgutachtens („MPU“ – medizinisch-psychologische Untersuchung) abhängig. Nach dem geltenden Fahrerlaubnisrecht kann dies zum Beispiel der Fall sein, wenn jemand unter Alkohol- oder Drogeneinfluss ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat.

Wurde die Fahrerlaubnis im Rahmen eines Strafverfahrens entzogen, wird diese nicht automatisch nach Ablauf der jeweils gerichtlich verhängten Sperrfrist (diese beträgt i. d. R. zwischen 6 Monaten und bis zu 5 Jahren!) wieder erteilt. Vielmehr muss der Betroffene einen auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis gerichteten Antrag stellen. Über diesen Antrag entscheidet die Verwaltungsbehörde (Führerscheinstelle) dann nach ihrem eigenen Ermessen.

Für die Fälle der Alkoholauffälligkeit sind insbesondere folgende Fallgruppen bedeutsam:

  • Ersttäter mit mindestens 1,6 Promille:

Nach bisheriger und aktueller Rechtslage muss ein Ersttäter, der mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt hat, regelmäßig eine MPU beibringen. Die Fahrerlaubnisbehörde darf eine Fahrerlaubnis sonst (auch nach Ablauf einer gerichtlichen Sperrfrist) nicht erteilen.

  • Wiederholungstäter (zweimal 0,5 Promille reichen!):

Wer wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hat, muss ebenfalls ein Fahreignungsgutachten beibringen. Was vielen unbekannt ist: hierzu bedarf es keiner besonders hohen Alkoholisierung. Es genügen bereits zwei verwertbare Alkoholfahrten mit jeweils mindestens 0,5 Promille, selbst wenn diese nur mittels Bußgeldbescheid (Geldbuße und Fahrverbot, jedoch ohne Entziehung der Fahrerlaubnis) geahndet wurden. Die Aufforderung zur MPU kommt von der Fahrerlaubnisbehörde oft erst viele Monate nach Abschluss eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Die Betroffenen denken schon gar nicht mehr daran. Die Frist für die Beibringung einer MPU ist regelmäßig mit wenigen Monaten zu kurz, um sich in allen Fällen noch sinnvoll und erfolgversprechend auf eine MPU vorbereiten zu können. Es droht letztlich (oft nach bereits erfolgter Verbüßung eines mehrmonatigen Fahrverbots aus dem Bußgeldbescheid) eine nachgelagerte Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Führerscheinstelle, wenn die MPU nicht fristgerecht beigebracht werden kann.

  • Ersttäter bis 1,59 Promille:

Wurde nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit weniger als 1,6 Promille durch das Strafgericht die Fahrerlaubnis entzogen, darf die Fahrerlaubnisbehörde nicht allein deswegen die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von der Vorlage einer MPU abhängig machen.

Liegen jedoch Zusatztatsachen vor, die die Annahme von (künftigem) Alkoholmissbrauch begründen, kommt auch die Anordnung einer MPU schon bei Werten ab 1,1 Promille in Betracht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht  am 17.03.2021 (3 C 3.20) entschieden. Im zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger trotz 1,3 Promille keinerlei alkoholbedingte Ausfallerscheinungen (z. B. Fahrfehler, Auffälligkeiten in Denkablauf und Sprache) gezeigt. In einem solchen Fall könne deswegen von einer außergewöhnlichen Alkoholgewöhnung ausgegangen werden. Bei Personen mit hoher Alkoholgewöhnung bestehe eine erhöhter Rückfallgefahr. Es sei zu befürchten, dass dann die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch eingeschätzt werden können. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der MPU vor Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis wurde vom Gericht bestätigt.

Seit dieser Entscheidung nun 6 Monate vergangen. Die ersten Erfahrungen in der Praxis sind höchst unterschiedlich. Manche Fahrerlaubnisbehörden scheinen geradezu gezielt und unter Bezugnahme auf dieses Urteil nach vermeintlich vergleichbaren Fällen zu suchen und fordern die Betroffenen zur MPU auf. Andere haben ihre behördliche Praxis kaum geändert oder prüfen - zu Recht - zurückhaltend wie bisher, ob der Sachverhalt und die festgestellten Tatsachen die Anordnung einer MPU wirklich rechtfertigen.  

Fazit:

Nach einer Trunkenheitsfahrt drohen regelmäßig sehr unterschiedliche Nachteile, die sich zu Beginn eines Verfahrens oft noch nicht vollständig einschätzen lassen. Strafrechtlich droht möglicherweise die Verurteilung zu einer Freiheits- oder Geldstrafe sowie der Entzug der Fahrerlaubnis. Zusätzlich besteht das Risiko, eine MPU beibringen zu müssen, um die Fahrerlaubnis wieder zu erhalten oder, wenn sie nicht entzogen wurde, nicht doch noch zu verlieren. Kommt es zu einem Schadensfall (Verkehrsunfall), drohen weitere versicherungsrechtliche Nachteile und Regress.

Tipp:

Wer als Verdächtiger (Betroffener oder Beschuldigter) in die Situation einer polizeilich vermuteten Trunkenheitsfahrt gerät, sollte  in der Kontrollsituation niemals ohne vorherige Rücksprache mit einem Rechtsanwalt Angaben zur Sache machen. Mit jeder Äußerung besteht die Gefahr der Selbstbelastung. Zudem können eigene Äußerungen einen Rückschluss auf das Vorhandensein oder Fehlen von Ausfallerscheinungen zulassen. Je nach Konstellation kann das eigene Verhalten letztlich maßgeblich darüber entscheiden, wie der Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht zu bewerten ist und ob zusätzliche Anhaltspunkte für alkoholbedingte Ausfallerscheinungen oder Alkoholgewöhnung bestehen. Es empfiehlt sich stets die schnellstmögliche Beauftragung eines im Strafrecht und Verkehrsrecht erfahrenen Anwalts. Dieser kann dann nicht nur die Verteidigung sachgerecht führen, sondern auch frühzeitig einschätzen, ob später eventuell mit der Anordnung einer MPU zu rechnen ist. Je früher man dies weiß, umso besser können die Weichen für eine schnellstmögliche Rückerlangung der Mobilität gestellt und die notwendigen Vorbereitungen getroffen werden.

Rechtsanwalt Martin Doss, Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Weiden


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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