Neuer Rechtsrahmen für whistleblower

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Arbeitnehmer sind in besonderer Weise mit ihrem Arbeitgeber verbunden. Dieses Rechtsverhältnis hört auch nicht am Werkstor auf. Vielmehr sind bei Abschluss des Arbeitsvertrages auch sogenannte Treuepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB entstanden, die den Arbeitnehmer zu einer gewissen Loyalität verpflichten. Dies umso mehr, wenn der Arbeitnehmer eine Vertrauensstellung bekleidet. Mit scharfer Kritik am Arbeitgeber müssen sich Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit also zurückhalten.

Ferner ist grundsätzlich für alle Arbeitnehmer die Weitergabe vertraulicher Betriebsinterna untersagt. Jedoch geschieht es, dass Arbeitnehmer Einblick in Betriebsabläufe gewinnen, bei denen – vermeintlich oder tatsächlich – nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Hierbei kann es sich um Rechtsverstöße oder Verstöße gegen ethische Grundsätze handeln; in Betracht kommen zum Beispiel gesundheitsschädigende Produkte oder Korruption. Macht ein Mitarbeitender solche Missstände öffentlich, nennt man dies whistleblowing. In Deutschland heißen solche Personen Hinweisgeber.

Bisher: Maßregelungsverbot 

Bis zum Erlass der europäischen Richtlinie 2019/1937/EU („whistleblower-Richtlinie“) war im Wesentlichen unklar, wie mit solchen Vorgängen umzugehen ist. Ein gewisser Schutz für Hinweisgeber ergab sich aus dem sogenannten Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB sowie den Grundrechten der Hinweisgeber. In gerichtlichen Verfahren kam es allerdings ganz massiv auf den Einzelfall an, ob dem Arbeitnehmer zum Beispiel eine vorherige innerbetriebliche Klärung zuzumuten war (BAG, Urteil vom 03.07.2003, Az. 2 AZR 235/02 m.w.N.).

Mehr Rechtssicherheit: Whistleblower-Richtlinie

Die Whistleblower-Richtlinie definiert whistleblowing und regelt, unter welchen Voraussetzungen ein solches Verhalten arbeitsrechtlich noch oder nicht mehr sanktioniert werden darf. Die Richtlinie hätte bis zum 17.12.2021 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Derzeit gibt es lediglich einen Gesetzesentwurf zu dem sogenannten Hinweisgebergesetz. Ob die abgelaufene Umsetzungsfrist bewirkt, dass Hinweisgeber sich nun unmittelbar auf die Richtlinie berufen können ist noch nicht abschließend geklärt. Jedenfalls aber entfaltet die Richtlinie bereits jetzt Vorwirkung in dem Sinne, dass sie über den unspezifischen Paragrafen 612 a BGB in das nationale Arbeitsrecht „hineindiffundiert“. Handelt ein Arbeitnehmer also derzeit richtlinienkonform, ist davon aus zu gehen, dass arbeitsrechtliche Maßnahmen aus diesem Anlass als unwirksam betrachtet werden.

Was regelt die whistleblower-Richtline?

Zunächst behandelt die Richtlinie nur Hinweisgeber, die Verstöße gegen das Unionsrechts melden. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Unionsrecht weite Teile unserer Rechtslandschaft erreicht hat und damit nahezu immer betroffen ist. Auch die abschließend aufgeführten Rechtsgebiete sind im Ergebnis so umfangreich, dass sie häufig betroffen sein werden; genannt werden unter anderem Normen zum Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie der Sicherheit von Netz- und Informations­sicherheitsystemen, aber auch z.B. Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, Verbraucherschutz und öffentliche Gesundheit (Art. 2 lit. a) x) whistleblower-Richtlinie).

Mitarbeitende unterfallen sodann dem Schutz der Richtlinie, sofern sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die gemeldeten Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen, dass diese Informationen in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fielen und sie intern oder extern Meldung erstattet haben. Die Nutzung interner Kanäle „soll“ zunächst geschehen, sie ist jedoch nicht verpflichtend.

Fällt das Verhalten des Mitarbeitenden in den Anwendungsbereich der Richtlinie, untersagt diese jegliche Form arbeitsrechtlicher Konsequenzen aus Anlass der Meldung. Hierunter fallen natürlich in erster Linie Abmahnungen und Kündigungen, aber auch Versetzungen, negative Leistungsbeurteilungen oder finanzielle Einbußen sind untersagt. Geschieht eine solche arbeitsrechtliche Konsequenz im zeitlichen Zusammenhang mit einer Meldung nach der whistleblower-Richtlinie bewirkt darüber hinaus eine Beweislastumkehr, dass der Arbeitgeber nachzuweisen hat, dass kein Zusammenhang mit der erfolgten Meldung bestand.

Fazit

Schon jetzt bewirkt die whistleblower-Richtlinie deutlich mehr Rechtssicherheit, da sie im Sinne einer richtlinienkonform Auslegung schon jetzt heranzuziehen ist oder durch die abgelaufene Umsetzungsfrist sogar bereits unmittelbar wirkt. Diese Rechtssicherheit könnte letztlich sowohl von Arbeitnehmern wie auch von Arbeitnehmern begrüßt werden. Jedenfalls aber wird die Rechtslage sich mit dem in Kürze zu erwarten Hinweisgeberschutzgesetz noch deutlich konkretisieren.

Weitere Hinweise zum Thema können Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/blog/was-aendert-die-whistleblower-richtlinie/ nachlesen.

Foto(s): ©Pixabay/DanaTentis

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