Nur die Lüge zählt? Ein Plädoyer gegen vorschnelle Empörung

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Die Fälle, in denen Täter vor Gericht landen, weil sie vorgaben Opfer zu sein, häufen sich besorgniserregend. Lügen verbreiten als neuer Volkssport. Wie konnte das passieren?

DREI BEISPIELE

1. Wir erinnern uns, vor einigen Monaten wurde die – nennen wir sie einmal 'Schauspielerin' Gina Lisa überführt. Sie hatte die Öffentlichkeit mittels eines Porno-Schnipsels getäuscht, den sie ins Netz stellte. Zu einem der beiden Männer, mit denen sie in dem Filmchen willig Sex machte, sagte sie darin: „Hör auf“. Weil sie vergewaltigt wurde, wie sie später hinter einer Sonnenbrille versteckt in die Kameras weinte? Falsch, denn eigentlich ging der Satz noch weiter: „Hör auf – zu filmen!“. Frau Lisa wollte also lediglich die öffentliche Meinung hinter sich bringen, als Opfer im Gespräch sein. Auch ich fiel anfangs auf sie herein, glaubte ihrem Schmierentheater. Nur gut, dass das Gericht den Original-Film sichern konnte!

2. In Köln wurden letzte Woche vor Gericht zwei Fotografen der Falschaussage für schuldig befunden. Sie hatten den Sänger Herbert Grönemeyer am Flughafen derart provoziert, dass dieser ausrastete. Genau um diese Bilder ging es ihnen, damit sie sich selbst als Opfer darstellen konnten. Die Geschichte: Der-böse-Promi verkaufte sich gut, flog nur aufgrund der Hartnäckigkeit Grönemeyers auf.

3. Und in den USA wird laut übereinstimmenden Medienberichten jetzt der Schauspieler Jussie Smollett angeklagt, er hatte behauptet, bei einem Überfall massiv homophob und rassistisch beleidigt worden zu sein. Viele Medien und auch Politiker*innen sprangen dem sympathischen Smollett sofort zur Seite. Doch auch seine Geschichte war, nach allem, was man jetzt weiß, frei erfunden. Überfall und Drohbriefe, ein Fake, um Mitgefühl zu erhaschen.

WAS HAT SICH GEÄNDERT 

Die Öffentlichkeit sitzt vor ihren Screens oder Fernsehern, einige auch noch vor bedrucktem Papier, und immer mehr ergeben sich der Überzeugung: „Wir werden doch sowieso alle nur verarscht!“. Verständlich, aber kurzsichtig. Der immer leichtfertigere Umgang mit der Wahrheit hat ja Gründe. Das Netz bietet nun einmal die Möglichkeiten, Dinge unters Volk zu streuen, ohne dass zunächst kontrolliert wird, ob diese auch stimmen. Sogleich folgen Meinungen dazu, im Sekundentakt. Eine spannende Meldung in den sozialen Netzwerken wird schnell von etablierten Medien aufgegriffen. Der Druck, eine Geschichte als erstes zu bringen, ist massiv, und vielleicht erscheint manchen Redaktionen die ein oder andere Story auch einfach zu gut, um genauer nachzufragen. „Recherchier dir eine schöne Geschichte nicht kaputt“, hieß mal eine – inoffizielle – Journalistenregel im Boulevard. Wer jedoch heute noch danach handelt, wegen Auflage und Clicks und so, erkennt den Ernst der Lage nicht. Gute Journalisten wissen um ihre Verantwortung, wollen Wahrheit, ja sind von der Suche nach ihr geradezu besessen.

BEWEISE! 

Deshalb bevorzuge ich Medien, die besonnen hinterfragen, auch mal eine zweifelhafte Story auslassen oder gar Fehler eingestehen. Und deshalb bin ich Anwalt. Ich will helfen, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen. Bekomme ich dafür jedoch nicht mehr als Empörung geliefert, rate ich grundsätzlich von einer Anzeige ab. Das finden nicht immer alle gut, die meine Hilfe suchen. Doch ein Gericht braucht eben mehr: Gründlich untersuchte Beweise.

Kein schlechter Weg, um sich ein Urteil zu bilden, oder?


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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