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Observation von arbeitsunfähigen Arbeitnehmern zulässig?

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Diese Frage hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner aktuellsten Entscheidung (Urteil vom 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13) zu klären.

Zur Entscheidung:

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung tätig. Ab dem 27. Dezember war sie arbeitsunfähig erkrankt und legte bis 28.02.2011 nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, welche von unterschiedlichen Ärzten (zuerst Fachärztin für Allgemeinmedizin und anschließend Facharzt für Orthopädie) aufgrund unterschiedlicher Erkrankungen ausgestellt wurden. Zuletzt erkrankte die Klägerin an einem Bandscheibenvorfall, den die Beklagte anzweifelte.

Die Beklagte beauftragte daraufhin einen Detektiv mit der Observation der Klägerin, welche von Mitte bis Ende Februar an vier Tagen erfolgte. Der Detektiv legte der Beklagten daraufhin Bildmaterial vor, welches die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrem Hund zeigte sowie während eines Aufenthalts im Waschsalon.

Die Klägerin hielt die angefertigten Aufnahmen für rechtswidrig und forderte ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von EUR 10.500,00, da sie durch die Überwachung erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten habe.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00 zugesprochen. Die Revisionen beider Parteien blieben vor dem BAG ohne Erfolg. Das BAG entschied, dass die Observation der Klägerin rechtswidrig gewesen sei, da der Arbeitgeber keinen Anlass zu einer Überwachung gehabt habe. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei ausreichend gewesen. Auch sei die Höhe des vom LAG ausgesprochenen Schmerzensgeldes angemessen gewesen.

Das BAG betonte, dass nicht darüber zu entscheiden war, wie Videoaufnahmen zu beurteilen sind, wenn ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben ist.

Kontext der Entscheidung:

Arbeitgeber haben selbstverständlich ein gesteigertes Interesse daran, dass ihre Mitarbeiter nicht erkranken und ihrer arbeitsvertraglichen Leistungspflicht nachkommen. Denn ist ein Arbeitnehmer erkrankt, hat er nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) einen Anspruch darauf, dass sein Arbeitsentgelt vom Arbeitgeber während der Dauer seiner Erkrankung fortgezahlt wird.

Den Nachweis einer Erkrankung führt der Arbeitnehmer mit einer von einem Arzt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, welcher ein hoher Beweiswert zukommt. Sofern der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit anzweifeln will, muss er Tatsachen vortragen, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen und dadurch den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung erschüttern (vgl. BAG Urteil vom 19.02.1997 – 5 AZR 83/96).

Zunächst ist es Sache des Arbeitgebers, den Gegenbeweis zu erbringen. Dabei ist jedoch für eigene Nachforschungen der Rahmen recht eng gesteckt. Er beschränkt sich auf die allgemein zulässigen Maßnahmen – so darf die Observation durch einen Privatdetektiv selbstverständlich nicht in die Privatrechte des Arbeitnehmers eingreifen, wie dies in der oben geschilderten jüngsten Entscheidung des BAG der Fall gewesen ist.

Anhaltspunkte für die Erschütterung des Beweiswertes können beispielsweise sein, wenn der die Bescheinigung ausstellende Arzt den Arbeitnehmer überhaupt nicht untersucht hat oder eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungstag liegenden Tag sowie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit, soweit die Rückwirkung zwei Tage übersteigt (vgl. LAG Köln Urteil vom 17.04.2002 – 7 Sa 762/01).

Ist der Beweiswert der Bescheinigung aber erst einmal erschüttert, hat der Arbeitnehmer, wenn er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung erhalten will, anderweitig seine Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. In einem solchen Fall sind die Aussage des behandelnden Arztes sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens entscheidend.

Muss der Arbeitnehmer bei einer Erkrankung zwingend zu Hause bleiben?

Ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer muss sich nicht zwingend nur zu Hause aufhalten. Aus normalen Verhaltensweisen wie Einkaufen, Spazierengehen etc. sind grundsätzlich keine negativen Rückschlüsse im Hinblick auf die Arbeitsunfähigkeit zu ziehen. Hier kommt es jeweils auf den Einzelfall an. Dabei sind sowohl die geschuldete Arbeitstätigkeit, die Ursache der Arbeitsunfähigkeit und die an den Tag gelegte Verhaltensweise während des in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgewiesenen Zeitraums zu berücksichtigen.



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