Risiko der Gewinnerzielung im Gewerberaummietrecht

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Bei der Gewerberaummiete werden häufig Verträge über 5, 10, 15 oder mehr Jahre geschossen. Das ist für beide Vertragsparteien durchaus sinnvoll. Der Vermieter kann eine langfristige Auslastung und Rentabilität seines Objektes sichern. Der Mieter kann längerfristig planen und muss keine kurzfristige Kündigung in den gesetzlichen Fristen fürchten. Was aber wenn der Bereich, in dem das Ladenlokal liegt, nicht in dem Maße von kaufinteressiertem Publikum aufgesucht wird, wie beide Vertragspartner es bei Vertragsabschluss erwartet haben?

Sicherlich kommt es immer auf die vertraglichen Regelungen und Absprachen an. Sofern ein ausreichender Kunden- bzw. Besucherstrom Vertragsgrundlage werden soll, muss dies aber ausdrücklich vereinbart werden. Andererseits kann der Vermieter oder der vermietende Bauträger, der ein bestimmtes Planungs- und Belegkonzept hat, dieses in der Vertragsanbahnungsphase vorlegen und zur Grundlage von Verhandlungen machen, ohne Gefahr zu laufen, bei Nichteintritt der Erwartungen Minderungen oder Kündigungen durch die Mieter ausgesetzt zu sein.

Seit langem ist es gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, dass vorbehaltlich anderweitiger Absprachen das Ausbleiben von erwarteten Kundenströmen weder zur Minderung, noch zur Kündigung berechtigt.

Bereits im Jahr 1981 hatte sich der BGH mit einem entsprechenden Fall zu beschäftigen (BGH, Urteil vom 01.07.1981 – VIII ZR 192/80), der jedoch nach wie vor an Aktualität nichts eingebüßt hat.

Geplant war ein Einkaufszentrum mit Wohneinheiten und einem reichhaltig gefächerten Warenangebot - ergänzt durch Freizeitanlagen (Hallenbad, Sauna usw.) sowie sozialen Einrichtungen, wie Kindergärten. Kern des gewerblich zu nutzenden Teiles war eine als Ladenstraße in mehreren Ebenen ausgestaltete Fußgängerzone, an der etwa 100 Geschäftslokale unterschiedlicher Größe errichtet werden sollten und an dessen Südende sich ein Komplex zum Betreiben eines Supermarkts befand. Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Supermarktes übernahm ein  Warenhaus diese Einheit und mietete weitere Ladeneinheiten an, wobei das Warenhaus durch zusätzliche Aufzüge unmittelbar mit dem unter der Ladenfläche gelegenen Parkplatz verbunden wurde.

Die in dem entschiedenen Fall Beklagte Mieterin, die einen Schuheinzelhandel mit zahlreichen Filialen betrieb, mietete eine noch zu errichtende Ladeneinheit gegen einen Mietzins von seinerzeit jährlich 122.488,50 DM zuzüglich Nebenkosten auf die Dauer von zehn Jahren an.  Grundrisszeichnungen und Baubeschreibungen waren dem Vertrag beigefügt. Die Mieterin verpflichtete sich zum Betrieb eines Schuheinzelhandels mit dem üblichen Sortiment. Aufrechnung, Minderung oder Zurückbehaltung konnte im Laufe eines Kalenderjahres höchstens mit dem Betrag einer Monatsmiete ausgeübt werden.

Schon bald nach der Eröffnung zeigte sich, dass die Inanspruchnahme des Geschäftszentrums durch die Käufer weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Rund 20 % der Geschäftslokale konnte von vornherein nicht vermietet werden, einige Mieter eröffneten ihren Betrieb erst gar nicht, die Hälfte der Mieter stellte in der Folgezeit den Geschäftsbetrieb ein. Mehrere geplante Einrichtungen - etwa die Überdachung der Ladenstraße, ein Hallenbad, eine Sauna und die Kindergärten - wurden nicht errichtet. Zunächst verlangte die Vermieterin für rund 5 Jahre nur den halben Mietzins. Danach wurde der volle Mietpreis verlangt. Die Beklagte zahlte diesen nicht, weil die in Aussicht gestellten Erwartungen nicht erfüllt und die geplanten weiteren Einrichtungen nicht realisiert wurden. Außerdem zögen die nachträglich installierten Fahrstühle zusätzlich Publikumsverkehr ab, da diese direkt in das Warenhaus führten.

Die Vorinstanzen haben der Klage auf Zahlung des weiteren Mietpreises stattgegeben. Die - zugelassene - Revision der Beklagten blieb erfolglos.

Unabhängig davon, dass ausweislich des Mietvertrages das Minderungsrecht auf eine Monatsmiete beschränkt sei, hatte die Mietsache weder einem Mangel, noch fehlte ihr eine zugesicherte Eigenschaft. Das Ladenlokal selbst entspreche der Bauzeichnung und Baubeschreibung. Dass in der Gesamtausgestaltung einzelne geplante Baumaßnahmen gestrichen oder zurückgestellt worden seien, stelle keinen Mangel der Mietsache dar.  Ein nicht realisierter U-Bahn-Anschluss, die Gesamtüberdachung der Ladenstraße oder die Errichtung von Hallenbad, Sauna und Kindergärten, die erkennbar außerhalb der Zuständigkeit der Vermieterin lägen, seien nicht vertraglich zugesichert worden.

All dies sei auch nicht zur Grundlage des Vertragsschlusses (Geschäftsgrundlage) geworden, weil die nicht erfüllten Gewinnerwartungen ausschließlich in den Risikobereich der beklagten Mieterin fielen. Das gelte auch insoweit, als sich Kaufwillige durch erheblichen Leerstand von einem Besuch des Einkaufszentrums abhalten ließen.

Der BGH führte aus, nur wenn die tatsächlichen Umstände und die rechtlichen Verhältnisse die Tauglichkeit der Mietsache unmittelbar beeinträchtigen, kann ein rechtlich relevanter Fehler (=Mangel) vorliegen. Entscheidend sei insofern der vereinbarte (isoliert zu betrachtende) Verwendungszweck.

Wenn jedoch das kaufinteressierte Publikum ganz allgemein nicht in dem erwarteten Maße den Bereich, in dem sich das vermietete Ladenlokal befindet, besucht, - etwa weil der Verkehrsstrom in dem Bereich, in dem das Ladenlokal liegt, weitgehend vorbeigeleitet wird oder die Bevölkerung aus sonstigen Gründen diesen Bereich nicht als Verkaufszentrum “annimmt”, sei der Verwendungszweck an sich nicht berührt. Insofern hatte die Mietsache keinen Mangel. Auch wenn ein geplanter U-Bahn-Anschluss und, eine mit Pavillons und Geschäften ausgestattete Brücke als einladende Verbindung der L-Straße mit dem Einkaufszentrum nicht errichtet worden sei und die Bauherren von der vorgesehenen Überdachung der Fußgängerzone abgesehen hätten, ebenso wie von der Errichtung des Hallenbades, einer Sauna und mehrerer Kindergärten. All das begründe einen Mangel nicht.

Ebenso auf das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft könne sich die Beklagte nicht stützen.

Schließlich könne sich die Beklagte auch nicht auf eine Änderung der Geschäftsgrundlage berufen. Es entspreche gefestigter Rechtsprechung, dass Umstände, die in den Risikobereich einer Partei fallen, dieser in aller Regel nicht das Recht geben, eine Änderung der Vertragspflichten zu ihren Gunsten herbeizuführen, weil andernfalls die in der Vertragsgestaltung liegende Risikoverteilung in einer für den anderen Vertragspartner nicht tragbaren Weise verändert würde. Insbesondere für das Mietrecht habe der BGH wiederholt ausgesprochen, dass die Erwartung, auf dem zu gewerblichen Zwecken überlassenen Grundstück gewinnbringende Geschäfte abzuschließen und nicht etwa Verlust zu machen, zum Risikobereich des Mieters gehöre.

Das Risiko einer Gewinnerzielung in dem angemieteten Geschäftslokal hatte daher ausschließlich die Beklagte zu tragen.

Zusammengefasst heißt das, ein Vermieter kann sein Objekt unter zu Grunde Legung seines Planungskonzeptes und seiner – idealisierten – Erwartungen anpreisen und vermieten. Selbstredend darf hier kein Missbrauch vorliegen.

Sofern der Mieter ein gewisses Kundenpotenzial oder bauliche Einrichtungen zugesichert haben möchte, muss er dies vertraglich ausdrücklich vereinbaren.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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