Rotlichtverstoß: Fahrverbot ja oder nein

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Der Bußgeldkatalog geht davon aus, dass bei einem sogenannten qualifizierten Rotlichtverstoß eine grobe Verletzung der Pflichten eines Fahrzeugführers zugrunde liegt. Von einem qualifizierten Rotlichtverstoß spricht man, wenn die Ampel schon länger als eine Sekunde Rot angezeigt hat. Im Bußgeldkatalog ist dann vorgesehen, dass als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme für den Fahrzeugführer in der Regel ein Fahrverbot zu verhängen ist.

Wenn feststeht, dass der Betroffene als Fahrer zur Tatzeit identifiziert werden kann und dass es sich tatbestandlich um einen Rotlichtverstoß handelt, bei dem die Ampel zweifelsfrei schon länger als eine Sekunde rot war, stellt sich für den Betroffenen somit die Frage, in welchen Situationen Ausnahmen vom Regelfall der Verhängung eines Fahrverbotes anerkannt werden. Nach der Rechtsprechung wird nach den Umständen des Einzelfalls von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen, wenn ein atypischer Fall vorlag, bei dem es nachvollziehbar ist, dass auch jedem anderen durchschnittlich aufmerksamen Fahrer der Fehler unterlaufen könnte.

Beispiele für Einzelfallumstände, bei denen nach der Rechtsprechung ein Verzicht auf das Fahrverbot gerechtfertigt war:

So wurde bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß auf die Verhängung eines Fahrverbotes verzichtet, wenn eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zum Zeitpunkt des Rotlichtverstoßes ausgeschlossen war, weil diese wegen Sperrung der Fahrspuren für den Querverkehr bzw. auch der Fußgängerfurten nicht in den geschützten Kreuzungsbereich eindringen durften. Ein Fahrverbot wurde auch nicht verhängt, weil der Betroffene zur Nachtzeit aufgrund einer augenblicklichen Unaufmerksamkeit auf ein falsches Lichtzeichen geachtet hatte und andere Verkehrsteilnehmer, die hätten gefährdet werden können, zu dieser Zeit nicht vor Ort waren.

Aber Achtung: Allein der Umstand, dass ein Rotlichtverstoß nachts zu verkehrsarmer Zeit begangen wurde, soll nach der obergerichtlichen Rechtsprechung noch keine Ausnahme vom Fahrverbot begründen können.

Ein Fahrverbot wurde auch nicht als notwendig angesehen, wenn der Rotlichtverstoß an einer Ampelanlage begangen wurde, an der ein grünes Pfeilschild das Rechtsabbiegen nach Anhalten trotz Rotlichts erlaubt.

Die unberechtigte Nutzung eines Sonderfahrstreifens mit eigenen Lichtzeichen unter Nichtbefolgung der für den allgemeinen Verkehr und die übrigen Fahrstreifen geltenden Lichtzeichen soll nach der Rechtsprechung ebenfalls nicht zwangsläufig zu einem Fahrverbot führen, sofern eine Gefährdung des Querverkehrs ausgeschlossen schien.

„Mitzieheffekt": Kommt es wegen des sog. Mitzieheffekts (unbewusstes Losfahren, weil Fahrzeuge auf benachbarten Fahrstreifen anfahren) zu einer Rotlichtmissachtung, kann nach den Umständen des Einzelfalls von der Verhängung des Fahrverbots abgesehen werden. Allein der Umstand, dass die Fahrzeuge auf der Nachbarspur bei Grün angefahren sind, rechtfertigt ohne Hinzukommen sonstiger besonderer Umstände jedoch nicht den Verzicht auf ein Fahrverbot.

Ebenso reicht bei einem sog. „Frühstarter", also einem Betroffenen, der zunächst ordnungsgemäß bei Rot gehalten hat, dann aber versehentlich zu früh losgefahren ist, dieser Umstand allein nicht aus, um ein Absehen vom Fahrverbot zu rechtfertigen. Auch in solchen Fällen müssen weitere, dieses Fehlverhalten erklärende Umstände, glaubhaft vorgetragenen werden.

Unabhängig von den genannten atypischen Konstellationen bei der Begehung eines Rotlichtverstoßes ist auf der Rechtsfolgenseite, wie stets im Falle eines Fahrverbotes, zu prüfen, dass dieses für den Betroffenen keine unverhältnismäßige Härte bedeutet. Die Verhängung eines Fahrverbots darf nämlich niemals gegen das Übermaßverbot verstoßen. Jedoch müssen entsprechende Härtegründe glaubhaft geltend gemacht werden, um gegebenenfalls vor der Bußgeldbehörde oder Gericht Beachtung zu finden. Bloße Unannehmlichkeiten, die dem Betroffenen durch das Fahrverbot entstehen, reichen dabei nicht aus. Häufig muss auch dargelegt werden, dass keine Möglichkeiten für den Betroffenen bestehen, die ihn treffenden negativen Folgen des Fahrverbots in zumutbarer Weise noch zu kompensieren.

Der Verfasser des Beitrags, Rechtsanwalt Christian Demuth, ist auf die Verteidigung in Verkehrsstraf- und Bußgeldverfahren spezialisiert.


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