Veröffentlicht von:

Scheinselbstständigkeit oder arbeitnehmerähnliche Selbstsständigkeit im Franchisesystem?

  • 4 Minuten Lesezeit

Das Franchisesystem hat sich als Vertriebssystem bewährt. Gleichwohl können Fallstricke auftauchen, wo man sie nicht vermutet, nämlich im Bereich der Sozialversicherung.

Wenn die Träger der Deutschen Rentenversicherung bei Betriebsprüfungen zu dem Ergebnis kommen, dass ein Franchisenehmer nicht selbständig tätig, sondern abhängig beschäftigt ist, können auf den Franchisegeber, der dann als Arbeitgeber angesehen wird, erhebliche Beitragsnachforderungen zukommen.

Das Problem besteht nicht, wenn die Systempartner in Gesellschaftsform organisiert sind. Wenn der Franchisenehmer jedoch als Einzelperson bzw. Einzelunternehmer auftritt, kann sich schnell die Frage einer abhängigen Beschäftigung stellen. Entscheidend ist, ob er ein eigenes Unternehmerrisiko trägt. Die Sozialgerichte verwenden für die Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung zur Selbstständigkeit in der Regel folgende Formel:

Eine Beschäftigung setzt voraus, "dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und eigener Betriebsmittel, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag."

Entscheidend ist zumeist das Unternehmerrisiko. Ein solches trägt nur, wer Kapital oder Arbeit mit Verlustrisiko einsetzt. Wer in einem Franchisesystem derart eingebunden ist, dass ihm kein Spielraum für eigene Investitionen verbleibt, er also nur noch die Ware an den Mann zu bringen hat und sämtliche Aufwendungen vom Franchisegeber getragen werden und dieser die maßgeblichen betrieblichen Entscheidungen selbst trifft, der Franchisenehmer also nur noch ausführendes Organ ist, besteht leicht die Gefahr, dass seine Tätigkeit als abhängige Beschäftigung gewertet wird.

Selbst wenn ein Franchisenehmer, der als Einzelunternehmer auftritt, als Selbstständiger anerkannt wird, besteht die Gefahr, dass er den Status eines sog. "arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen" hat. Er ist dann in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. So entschieden im Fall der Backshopkette Kamps. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/export.php?modul=esgb&id=78055&exportformat=HTM) hatte in einem Urteil vom 04.04.2008 für die Betreiberin eines Backshops der Bäckereikette Kamps entschieden, dass diese in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sei. Der Rentenversicherungsträger hatte im Rahmen einer Statusklärung zunächst entschieden, dass die Tätigkeit der Backshop-Betreiberin eine selbständige Tätigkeit sei, stellte anschließend jedoch die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung fest und forderte Beiträge nach. Die Klägerin argumentierte, sie sei nicht nur für einen Auftraggeber tätig, da sie von Kamps weder Aufträge noch Geld bekomme, Kamps sei nur ihr Backwarenlieferant. Das LSG bestätigte jedoch die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers.

Das LSG erweitert in seiner Entscheidung den gesetzlichen Begriff des Auftraggebers und stellt die sich aus dem Franchisevertrag ergebende wirtschaftliche Abhängigkeit in den Vordergrund. Der "Partner- und Systemvertrag" binde die Klägerin in vielfältiger Weise. Einerseits werden ihr von Kamps mit nur geringem Kapitaleinsatz Ladenlokal und Einrichtung zur Verfügung gestellt. Andererseits sei sie verpflichtet, dem von Kamps vorgegebenen äußeren Erscheinungsbild zu entsprechen und Waren ausschließlich von Kamps zu beziehen. Sie habe Gewinnvorgaben zu entsprechen und sei lediglich berechtigt, die von Kamps bezogenen und zum Verkauf fertig gemachten Backwaren in gewissem Umfang zu veredeln. Dass darin neben dem Verkauf von Backwaren eine beachtliche eigenständige unternehmerische Leistung liege, sei nicht zu erkennen. Das von Kamps gemietete und über den Partner- und Systemvertrag an die Klägerin untervermietete Mietobjekt habe lediglich eine Größe von etwa 30 m². Der Klägerin verblieben über den Verkauf - der zum Teil "veredelten" - Backwaren hinaus kaum weitere unternehmerische Möglichkeiten, zusätzliche Verdienste zu erschließen.

Die Tätigkeit rücke nach ihrem Erscheinungsbild im Ergebnis in die Nähe einer abhängigen Verkaufstätigkeit. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll in den Schutzbereich der Norm der Personenkreis einbezogen werden, der rechtlich oder auch nur wirtschaftlich von einem "Auftraggeber" abhängig ist. Zwar sei Kamps aufgrund des zwischengeschalteten Partner- und Systemvertrages nicht als Auftraggeber im üblichen Sprachgebrauch anzusehen. In einem erweiternden Sinne lasse sich dies aber insofern bejahen, als die Klägerin vertraglich "beauftragt" worden sei, die Waren von Kamps, der bezüglich der Backwaren alleiniger "Auftraggeber" war, zu verkaufen. Die vom Gesetzgeber verlangte Abhängigkeit sei also auch dann anzunehmen, wenn eine Einkommenserzielung allein dadurch ermöglicht wird, dass sich jemand an einen Anderen vertraglich bindet und ihm nunmehr über die exklusive Belieferung mit Waren eine wirtschaftliche Tätigkeit gestattet wird.

Das Bundessozialgericht hat diese Entscheidung durch Urteil vom 04.11.2009 bestätigt (http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2009-11-4&nr=11381&pos=0&anz=2).

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Peter Koch

Beiträge zum Thema