Schlussanträge zur Weservertiefung: Strenger Maßstab für Gewässerschutz

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Am 23.10.2014 hat der finnische Generalanwalt Jääskinen die mit großer Spannung erwarteten Schlussanträge in der Rechtssache „Weservertiefung“ (Rs. C 461/13) vor dem EuGH gestellt. Es handelt sich um zur Vorabentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht vorgelegte Fragen im Rahmen des Rechtsstreits über die umstrittene Planung der Vertiefung der Weser für weiteren Containerschiffsverkehr.

Durch den Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest vom 15.07.2011 soll die Erreichbarkeit der Häfen Bremerhaven, Brake und Bremen verbessert werden, indem Außen- und Unterweser so vertieft werden, so dass die Häfen tideunabhängig von Großcontainerschiffen mit einem größeren Abladetiefgang erreicht werden können. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) hatte gegen den Planfeststellungsbeschluss geklagt, das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 11.07.2013 ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie (RL 2000/60/EG) zur Beantwortung vorgelegt. Es hatte jedoch bereits abgesehen von diesen Fragen Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses geäußert.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts sei klärungsbedürftig, ob das sogenannte „Verschlechterungsverbot“ der Wasserrahmenrichtlinie (Art. 4 Abs. 1 lit. a Ziff. I RL 2000/60/EG) eine bloße Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung der Gewässer darstellt oder ob die Zulassung eines Projekts grundsätzlich zu versagen ist, wenn es eine Verschlechterung des Gewässerzustands verursachen kann (Frage 1), unter welchen Voraussetzungen von einer „Verschlechterung des Zustands“ auszugehen ist (Fragen 2 und 3) und welche Bedeutung dem sogenannten „Verbesserungsgebot“ neben dem Verschlechterungsverbot zukommt (Frage 4). Diese Fragen seien deshalb entscheidungserheblich, da die von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion vorsorglich zugelassene Ausnahme vom Verschlechterungsverbot nicht auf einer hinreichenden Tatsachenermittlung und -bewertung beruhe und sie eine eigenständige Bedeutung des Verbesserungsgebots für die Zulassung der Vorhaben verneint habe.

Der Generalanwalt hat nunmehr in seinen Schlussanträgen vom 23.10.2014 vorgeschlagen, die gestellten Fragen dahingehend zu beantworten, dass die Wasserrahmenrichtlinie so auszulegen sei, dass die Mitgliedstaaten (vorbehaltlich der Erteilung einer Ausnahme nach den anwendbaren unionsrechtlichen Vorschriften) verpflichtet sind, die Zulassung eines Projekt zu versagen, wenn dieses entweder eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials oder eines guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet. Demnach würde das Verschlechterungsverbot wie eine Zulassungsschranke und nicht wie eine bloße Zielvorgabe wirken. Allerdings sind grundsätzlich Ausnahmen von den Bewirtschaftungszielen möglich (vgl. Art. 4 Abs. 7 RL 2000/60/EG bzw. § 31 Wasserhaushaltsgesetz), etwa wenn die Gründe für die Veränderung von übergeordnetem Interesse sind (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG).

Der Begriff „Verschlechterung des Zustands“ sei nach Auffassung des Generalanwalt ferner dahingehend auszulegen, dass er nachteilige Veränderungen im Hinblick auf einen Stoff oder eine Qualitätskomponente betrifft, der bzw. die in die Bewertung des ökologischen Zustands im Sinne von Anhang V dieser Richtlinie einfließt, ohne dass die nachteilige Veränderung zwingend zu einer Veränderung der Einstufung im Sinne dieses Anhangs führen muss. Eine solche Veränderung der Einstufung könne sich daraus jedoch in dem Fall ergeben, dass der Wert des Stoffes oder der Qualitätskomponente unter das der derzeitigen Einstufung entsprechende Niveau sinke. Es würde demnach nicht auf eine Veränderung der nach der Wasserrahmenrichtlinie erfolgenden Einstufungen eines Gewässers ankommen sondern auch eine Verschlechterung innerhalb einer Einstufung ausreichen.

Die Entscheidung verdeutlicht zwar die strenge Auslegung der Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie durch den Generalanwalt, steht jedoch der grundsätzlichen Zulässigkeit der Weservertiefung nicht unmittelbar entgegen. Nach Ansicht des Generalanwalt sei es auch angemessen, dass viele Vorhaben als Ausnahme im Sinne des Art. 4 Abs. 7 der Wasserrahmenrichtlinie zu sehen seien, da zwar die Umsetzung von Vorhaben erlaubt werden könne, die anderen Erfordernissen (insbesondere wirtschaftlichen) entsprächen, aber die wesentlichen Ziele der Richtlinie zu beachten seien, wenn die Genehmigung an geeignete (strenge) Bedingungen und Beschränkungen geknüpft werde.

Im Ergebnis könnte also die Weservertiefung als solche als Ausnahme zulässig erachtet werden, gleichzeitig wären jedoch wohl strenge Auflagen zur Sicherstellung zu treffen. Von Seiten der Parteien dürften die Anträge des Generalanwalts unterschiedlich gedeutet werden. Die Entscheidung des EuGH, der regelmäßig den Anträgen des Generalanwalts folgt, wird für Anfang 2015 erwartet. Mit dieser Entscheidung werden dann die für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht maßgeblichen Fragen beantwortet, so dass dieses seinerseits zu einer Entscheidung kommen kann.

Das Verfahren gilt auch als wegweisend für die umstrittene Vertiefung der Elbe in Hamburg. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im ebenfalls dort anhängigen Rechtsstreit über die „Elbvertiefung“ (Az. 7 A 14/12) das Verfahren mit Beschluss vom 02.10.2014 ausgesetzt und eine endgültige Entscheidung bis zu einer Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Weservertiefung“ zurückgestellt. Auch in dieser Angelegenheit, die weitaus mehr von fachgutachterlichen Fragen geprägt ist als die streitige Weservertiefung, hatte das Gericht bereits grundsätzliche Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit (hier wegen der Einhaltung der Vorgaben des Arten- und Naturschutzes) geäußert.



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