Skandalöse Ampel-Blitzer ohne Zulassung – das sagen technische Experten dazu

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Wer als anwaltlicher Verteidiger in Bußgeldsachen das bestmögliche Ergebnis für seine Mandanten erkämpfen will, kommt aufgrund der komplexen Messtechnologien der eingesetzten Überwachungsanlagen kaum umhin, einen Sachverständigen zu beauftragen. Dieser beleuchtet je nach Fall den Geschwindigkeits-, Abstands- oder (um zu Thema zu kommen) Rotlichtverstoß in technischer Hinsicht unter Nutzung spezieller Software.

Über den bundesweiten Ampel-Blitzer-Skandal haben wir bereits mehrfach aus juristischer Sicht berichtet (vgl. „Blitzer-Skandal in Düsseldorf (2018): Rotlicht-Überwachungen an Ampeln ohne Zulassung“; „Der bundesweite Ampel-Skandal – Neues von den Blitzern aus Düsseldorf & Co“; „Ampel-Blitzer-Skandal: Woran erkannt man, dass man betroffen ist?“). Nachfolgend geben wir wieder, wie die eng mit uns zusammenarbeitenden Experten der Fa. VUT Sachverständigengesellschaft mbH & Co. KG aus Saarbrücken das Thema sehen:

„In Zuge der Untersuchungen eines Sachverständigen fiel auf, dass es für das betroffene Überwachungsgerät vom Typ Traffipax TraffiPhot III mehrere Versionen der Aufbauanleitung mit der gleichen Versionsnummer (TRAFFIPAX/95/201/07.12.05/C) und dem gleichen Datum (07.12.2005) gibt.

Dies zeigt, dass es unabhängig davon, ob der Abstand zwischen den Induktionsschleifen einen konkreten Einfluss auf die Messgenauigkeit hat, im Kern um Fragen des Zulassungsrechts geht.

In der einen Version der Aufbauanleitung heißt es:

„Der Abstand benachbarter Induktionsschleifen sollte 1,20 m sein“

(Hervorhebung nachträglich eingefügt)

In der anderen Version heißt es:

Der Abstand benachbarter Induktionsschleifen muss 1,20 m sein

(Hervorhebung nachträglich eingefügt)

Die erste Version befindet sich zusammen mit der Gebrauchsanweisung und der Prüfsoftware auf einer sogenannten EichCD, die die Eichämter gemäß Eichrichtlinie für die Eichung benutzen müssen. Der Inhalt der EichCD wurde am 14.12.2012 durch die 4. Neufassung der innerstaatlichen Bauartzulassung festgeschrieben. Er ist festgelegt durch einen sogenannten Hash-Wert. Eine weitere Änderung der Gerätezulassung gab es seit diesem Zeitpunkt nicht mehr.

Mit Schreiben vom 29.05.2017 teilte die PTB dem Hersteller mit, dass die 4. Neufassung der innerstaatlichen Bauartzulassung beim Hash-Wert der EichCD einen Schreibfehler enthalte. Der korrekte Hash-Wert wurde dem Hersteller mitgeteilt. Er unterscheidet sich deutlich vom alten Hash-Wert, sodass nicht von einem üblichen Tippfehler ausgegangen werden kann.

In einer Pressemitteilung teilt der Hersteller mit, dass die PTB die Aufbauanleitung dahingehend geändert habe, dass der Abstand der Induktionsschleifen 1,20 m betragen „muss“ und nicht mehr „sollte“.

Dies ist die zweite Version der Aufbauanleitung. Nur verwundert die Datierung. Gemäß PTB-Mitteilung und Presseerklärung soll die Änderung im Jahr 2017 erfolgt sein, nur liegt uns diese Version der Aufbauanleitung bereits seit dem Jahr 2014 vor.

Wäre der Passus „muss“ bereits in der Zulassungsänderung zur Aufbauanleitung enthalten gewesen, so würde sich die momentane Problematik nicht stellen. Dann wäre schlicht und ergreifend klar, dass ein Aufbau außerhalb dieser Parameter nicht der Zulassung entspricht. Damit läge in allen Fällen, in denen der Abstand der Induktionsschleifen < 1,20 m beträgt, eine Verwendung des Messgeräts außerhalb der PTB-Zulassung vor und damit nicht im Sinne eines standardisierten Messverfahrens. In jedem Einzelfall müsste dann der Nachweis einer korrekten Messung von Amts wegen geführt werden.

Es ist jedoch gemäß den obigen Informationen davon auszugehen, dass der Passus

„muss mehr als 1,20 m betragen“

gerade nicht in der Zulassungsänderung enthalten war.

Damit ergeben sich aber zwei gänzlich neue Fragen:

  1. Wie ist es zu bewerten, dass die PTB davon ausgeht, dass eine Gerätezulassung NUR mit dem Passus „muss mehr als 1,20 m betragen“ aufrechterhalten werden kann?
  2. Wie kann dieser Zustand hergestellt werden?

Zum 2. Problem bleibt eines unstreitig festzuhalten: Eine Zulassungsänderung, wie sie nach alter Rechtslage von vor dem 01.01.2015 (Einführung MessEG und MessEV) hätte ergehen können, ist nach neuem Recht nicht mehr möglich. Der PTB fehlt hierfür schlicht die gesetzliche Grundlage. Es wäre eine Baumusterprüfung nach neuem Eichrecht sowie ein Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen. Da dies bisher nicht durchgeführt worden ist, stellt sich die Frage, ob das fragliche Messgerät nach neuem Recht nicht mehr für eine Baumusterprüfung geeignet ist.

Geht die PTB also davon aus, dass das Gerät ohne den Passus

„muss mehr als 1,20 m betragen“

nicht zulassungsfähig ist, so muss sie ihren Fehler bei der letzten Zulassungsänderung korrigieren und die Gerätezulassung entziehen.“

Wir werden diese Argumentation zu Zwecken der Verteidigung Betroffener anwenden.

Dr. Sven Hufnagel von der Kanzlei Dr. Hufnagel Rechtsanwälte in Aschaffenburg ist seit 2003 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 2007 Fachanwalt für Verkehrsrecht. Er ist auf die Verteidigung in Bußgeldsachen und Verkehrsstrafsachen spezialisiert und verteidigt bundesweit vor allen Behörden und Gerichten, um Betroffenen den Führerschein zu erhalten. Im Focus-Spezial für die Jahre 2015, 2016 und 2017 wird er als einer von Deutschlands „Top-Anwälten im Verkehrsrecht“ bezeichnet. Für die Presse steht er regelmäßig als Interview-Partner zur Verfügung. Weitere Informationen über ihn und seine umfassende Tätigkeit im Zusammenhang mit dem „Kölner Blitzer-Gate“, aber auch über den Ampel-Blitzer-Skandal finden Sie auf unserer Website www.fahrverbot-rechtsanwalt.de und in der von uns bei Facebook gegründeten Gruppe „Blitzer-Opfer – Ampel-Skandal in Düsseldorf und dem Rest von Deutschland“.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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