Trunkenheit im Verkehr und Beifahrerhaftung

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Im Leitsatz des Urteils des Oberlandesgerichtes Schleswig vom 08.04.2021 (AZ: 7 U 2/20) wird festgestellt:

„1. Wer sich zu einem erkennbar betrunkenen Fahrer, der alkoholbedingt nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen, ins Auto setzt, verstößt gegen die eigene Sorgfalt.
 2. Der Einwand, er habe aufgrund seiner eigenen starken Alkoholisierung die absolute Fahruntüchtigkeit der Fahrperson nicht mehr erkennen können, verfängt nicht. Insofern knüpft ein Mitverschuldensvorwurf gemäß §§ 254, 827 S. 2 BGB bereits daran an, dass man sich zumindest fahrlässig durch Konsum alkoholischer Getränke in einen Zustand versetzt hat, in dem man nicht mehr über die zum Selbstschutz erforderliche Einsichtsfähigkeit verfügt.
 3. Selbst wenn der Mitfahrer ohne oder gegen seinen Willen von Dritten in das Fahrzeug der fahruntüchtigen Fahrperson verbracht worden ist, entlastet ihn dies nicht. Er hätte sich jedenfalls nicht selbstverschuldet in einen Zustand versetzen dürfen, der die mögliche Eigensorgfalt im weiteren Verlauf ausschließt.
 4. Verursacht der betrunkene Fahrer einen Auffahrunfall, bei dem der Mitfahrer zu Schaden kommt, ist es daher sachgerecht, letzterem hinsichtlich seiner dabei erlittenen Verletzungen eine Mithaftung in Höhe von einem Drittel aufzuerlegen.“

Erkennbarkeit der Alkoholisierung des Fahrers.

Der Fahrer des Fahrzeugs war mit 1,68 Promille auf ein landwirtschaftliches Fahrzeug aufgefahren. Dabei wurde der ebenfalls betrunkene Beifahrer (1,71 Promille) schwerst verletzt. Beide hatten nachmittags zusammen erhebliche Mengen Alkohol getrunken. Der Beifahrer konnte nach langer stationärer Behandlung seinen Beruf nicht mehr ausüben. Er gab an, er habe nicht bemerkt, daß der Fahrer betrunken gewesen sei, insbesondere aufgrund seiner eigenen Alkoholisierung.

Außerdem war der Beifahrer nicht angeschnallt. Die Kausalität zwischen dem Verstoß des Beifahrers gegen die Anschnallpflicht und dem Umfang der erlittenen Verletzungen liege  auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens auf der Hand. Durch den Kopfanprall gegen die Windschutzscheibe sowie den Anprall des Oberkörpers gegen das Armaturenbrett habe der Beifahrer typische und sehr schwere Verletzungen erlitten, die durch den Sicherheitsgurt gerade hätten vermieden werden sollen und können.

Das Gericht stellte ausdrücklich fest, daß die eigene Alkoholisierung nicht bedinge, die des Fahrers nicht zu bemerken. Gemäß § 827, Satz 2 BGB sei derjenige, der sich durch geistige Getränke in einen vorübergehend die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit versetzt habe, in gleicher Weise verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele, es sei denn, er sei ohne Verschulden in diesen Zustand geraten. Den Beifahrer sei hier allerdings ein fahrlässiges Mitverschulden anzulasten.

Absolute und relative Fahruntüchtigkeit.

Für viele Fahrzeugführer ist das Ermittlungsverfahren wegen einer Trunkenheit im Verkehr der erste Kontakt mit den Strafverfolgungsbehörden.

Bei Verdacht auf absolute oder relative Fahruntüchtigkeit wird der Führerschein generell sichergestellt oder beschlagnahmt und der Fahrer darf kein Fahrzeug mehr führen. Da Fahrfehler aber auch bei nüchternen Fahrern vorkommen, ist bei relativer Fahruntüchtigkeit entscheidend, ob das konkrete Fahrverhalten typischerweise bei alkohol- bzw. drogenbeeinflussten Fahrern vorkommt und deshalb den Schluss rechtfertigt, daß man sich in nüchternem Zustand anders verhalten hätte (z.B. Schlangenlinien fahren, um Straßenschäden ausweichen zu wollen). Maßgebend für eine relative Fahruntüchtigkeit sind Umstände in der Person des Fahrers bzw. seiner Fahrweise, die den Schluss zulassen, daß er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug sicher zu führen.

Verhalten bei Verkehrskontrollen.

Die Fahrzeugpapiere (Führerschein, Fahrzeugschein und evtl. Personalausweis) sind vorzuzeigen. Sie müssen keine Angaben machen, von wo Sie kommen, wo Sie hinfahren werden, ob Sie getrunken haben oder Drogen bzw. Medikamente konsumiert haben. Bereits bei der Polizeikontrolle greift Ihr Schweigerecht. Sofern Ihr Fahrzeug untersucht wird, müssen Sie nicht mitwirken. Sofern Gegenstände sichergestellt oder beschlagnahmt werden, widersprechen Sie und konsultieren Sie einen Rechtsanwalt. Bei einer Ordnungswidrigkeit bezahlen Sie bitte nicht vor Ort. Warten Sie ggf. den Bußgeldbescheid ab.

Wichtig ist, bis zur Akteneinsicht des Verteidigers zu schweigen. Dies gilt auch gegenüber seiner Kfz-Versicherung. Sofern die Tat festgestellt wird, sei es durch Verurteilung oder eine Einstellung nach § 153a StPO, liegt i.d.R. eine Obliegenheitspflichtverletzung gegenüber der Versicherung mit entsprechenden Rückgriffsfolgen vor.

Erst nach Akteneinsicht kann die angezeigte Verteidigungsstrategie mit dem Mandanten besprochen werden.

Die Fahrerlaubnisbehörde (Führerscheinstelle) hat im Übrigen unabhängig von den Strafgerichten oder eines Urteils einen eigenen Ermessensspielraum. Nach dem Straf- bzw. Bußgeldverfahren folgt daher in der Regel das entsprechende Verwaltungsverfahren. Die Führerscheinstelle wird regelmäßig beim Einleiten eines Ermittlungsverfahrens in Kenntnis gesetzt.


Rechtsanwalt Holger Hesterberg, Wolfratshausen

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein.



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